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Die künftige Bundesregierung will die Abkehr vom Atomausstieg an Bedingungen knüpfen. "Es wird noch intensive Diskussionen geben", sagte die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner.

Berlin - Die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung will die Abkehr vom Atomausstieg an Bedingungen knüpfen. "Es wird noch intensive Diskussionen geben", sagte die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU). Sie nannte als Knackpunkte das Thema Sicherheit und die Nutzung der zusätzlichen Milliardengewinne der Betreiber. RWE-Chef Jürgen Großmann signalisierte erneut Zugeständnisse, ohne Details zu nennen.

Derzeit sind noch 17 Atomkraftwerke in Deutschland am Netz. Union und FDP sind sich einig, sie länger laufen zu lassen als nach dem Atomkonsens von 2000 geplant. Beide Parteien haben sich aber auch dafür ausgesprochen, einen Teil der zusätzlichen Gewinne der Energieversorger abzuschöpfen. Den Gewinn aus der Stromproduktion in einem abgeschriebenen Atomkraftwerk schätzen Experten auf eine Million Euro pro Tag.

CDU-Politikerin Gönner, die als künftige Bundesumweltministerin gehandelt wird, sagte der "Financial Times Deutschland": "Wir werden mit den Konzernen noch so manche schwierige Frage zu klären haben." Vor allem müsse ihnen klar sein, dass das oberste Kriterium für längere Laufzeiten die Sicherheit der Anlagen sei.

Spannend würden die Fragen, wie die Zusatzgewinne definiert würden und in welcher Form der Staat sie teilweise abschöpfen sollte. Sie warnte zudem die Wirtschaft davor, sich von längeren Laufzeiten laxere Ziele beim Klimaschutz zu versprechen: Die Verlängerung dürfe nicht dazu führen, dass es in anderen Sektoren zu einem Mehrausstoß an Kohlendioxid komme. "Das wäre kontraproduktiv."

"Viele andere Dinge"

RWE-Chef Großmann sagte im ARD-Morgenmagazin, ein Teil der möglichen Gewinne könne in erneuerbare Energie investiert werden. Wenn durch längere Laufzeiten Mehrwert generiert werde, werde dieser auch geteilt. "Damit kann man viele andere Dinge tun. Auch die Leitungen bauen, um die Windkraft von Norden nach Süden zu bauen."

Auf eine genaue Aufteilung der Atomkraft-Gewinne wollte sich der Vorstandsvorsitzende des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns aber nicht festlegen: "Ich glaube, dieses Gespräch sollte ich mit der Bundeskanzlerin (Angela Merkel) führen." Zunächst müsse man sich über den Energiemix der Zukunft unterhalten. "Immerhin ersparen uns die Kernkraftwerke im Jahr 150 Millionen Tonnen CO2 im Jahr", sagte Großmann.

Bürger erwarten Abkehr vom Atomausstieg

Wie hoch die Zusatzgewinne sind, hängt entscheidend davon ab, wie viel länger die Reaktoren produzieren dürfen. Nach einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg könnten sie sich bei einer Verlängerung der Laufzeit um 25 Jahre auf 200 Milliarden Euro summieren - eingerechnet die Steigerung des Börsenwerts der Energieversorger. Eine Verlängerung um zehn Jahre brächte diesen Berechnungen zufolge bis zu 38 Milliarden Euro.

Die 25 Jahre Laufzeitverlängerung hat Großmann selbst Anfang des Jahres ins Gespräch gebracht. In den Programmen von Union und FDP sind keine Daten genannt. Der bayerische Umweltminister Markus Söder hatte vor der Wahl acht zusätzliche Jahre vorgeschlagen. Dass es zur Abkehr vom Atomausstieg kommt, halten die meisten Bundesbürger für ausgemacht. Gut die Hälfte von 1500 Befragten in einer Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov äußerten diese Erwartung.