Dichte Gedränge am Bahnsteig – hier in Bad Cannstatt: Jeden Werktag sind Hunderttausende mit den S-Bahnen in der Region unterwegs Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Diskutieren Sie mit! - Trotz des Dauergrummelns über Verspätungen oder Zugausfälle: Die Sitz- und Stehplätze in Bussen und Bahnen der Region sind beliebter denn je. 366,3 Millionen Fahrten gab es im Jahr 2015 – ein Plus von 2,5 Prozent. Bei der Pünktlichkeit herrscht aber immer noch Nachholbedarf.

Stuttgart - Gegenüber dem Jahr 2014 weist die Verbundstatistik demnach eine Zunahme um neun Millionen Fahrten aus. Mit dem erneuten Anstieg um zweieinhalb Prozent erreicht der VVS auch im bundesweiten Vergleich einen Spitzenwert. Meldet doch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen eine durchschnittliche Steigerung der Fahrgastzahlen im Öffentlichen Nahverkehr von lediglich 0,5 Prozent. „Leichtes Wachstum des ÖPNV in Deutschland, starkes Wachstum im VVS“, bilanzierte Thomas Hachenberger, einer der beiden Geschäftsführer, am Freitag bei der Präsentation der Zahlen für 2015 der VVS-Zentrale in der Stuttgarter Rotebühlstraße.

Ausschlaggebend hierfür sei beispielsweise die Attraktivität des Ballungsgebiets Stuttgart mit immer mehr Zuzügen; zudem beschert die allgemein gute wirtschaftliche Lage der Region ein deutliches Wachstum bei den Beschäftigten – die dann wiederum mit Bus und Bahn zu ihren Arbeitsplätzen gelangen. 366 Millionen Fahrten im Jahr, das bedeutet also rund 1,2 Millionen Fahrten täglich. In Hin- und Rückfahrt aufgeteilt, „sind dies also 600 000 Menschen pro Werktag, die mit Bussen und Bahnen in der Region unterwegs sind“, so Hachenberger.

Im Vergleich zu den Zahlen von 2012 sind dies 28 Millionen Fahrten jährlich mehr. „Schon damals hieß es häufig, damit seien die Züge voll.“ Die Entgegnung der VVS-Chefs seinerzeit: „So zehn bis 15 Prozent Platz haben wir noch.“ Doch angesichts der Monat für Monat rund 750 000 zusätzlichen Fahrten schrumpft dieser Wert deutlich. „In der Hauptverkehrszeit haben wir jetzt vielleicht noch sechs bis acht Prozent Kapazität, wir können also nur noch zwei, drei Jahren wachsen.“

Firmenticket ist der „Wachstumsmotor“

Aktueller „Wachstumstreiber“ ist für Hachenberger der Berufsverkehr, speziell im Firmenticket-Bereich. Inzwischen geben 350 Unternehmen ihren Mitarbeitern einen Zuschuss zu den Fahrtkosten im öffentlichen Nahverkehr. Zudem hat der VVS „seit dem 1. Januar 2016 einen großen Kunden gewonnen: das Land Baden-Württemberg“, erklärte VVS-Co-Geschäftsführer Horst Stammler. Das Land zahlt fürs Firmenticket 20 Euro monatlich, der VVS gibt zehn Prozent Rabatt. Vom Start weg, so erklärte Stammler am Montag, habe der Verkauf von Firmentickets unter den Landesbediensteten um 18 Prozent gesteigert werden können. All dies führt dazu, dass es mittlerweile mehr als eine halbe Million VVS-Abos gibt. „Wenn man alle Zeit-Tickets zusammen nimmt, haben wir inzwischen genau 530 600 Stammkunden in der Region“, so Hachenberger. Umgerechnet seien also 78 Prozent der Fahrgäste „regelmäßig mit uns unterwegs“.

Ebenfalls „deutlich aufwärts“ geht es bei den Tickets für Senioren – einer Klientel, die nach Hachenbergers Erkenntnis „wächst und wächst und wächst“. Der Anteil der Senioren über 65 Jahre ist auf über 20 Prozent der Gesamtbevölkerung gestiegen. Dennoch war der Verkauf in diesem Segment jahrelang rückläufig. Mittlerweile ist die Nachfrage wieder gestiegen – beim Seniorenticket wuchs die Zahl der Fahrten um 3,1 Prozent, beim Jahresticket waren es sogar 7,2 Prozent. Ursache für diese Entwicklung sei die deutlich attraktivere Tarifgestaltung: Seit 2014 können Senioren für einen günstigen Preis rund um die Uhr mit allen Bahnen und Bussen im VVS-Netz fahren.

Ansonsten steht für Stammler der „Aufbruch ins digitale Zeitalter“ an. Immer mehr Verkäufe werden über die App „VVS Mobil“ getätigt, mit der man Einzel- und Tagestickets als Handyticket kaufen kann. Täglich werden 1,3 Millionen Fahrauskünfte abgerufen. eine weitere Verbesserung ist der Bereich „Kunden informieren Kunden“ – da könnten die Gäste Erkenntnisse über Unregelmäßigkeiten schneller als über die Leitstelle austauschen.

Drei neue Expressbuslinien ab Dezember 2016

Zudem gibt es 2016 noch eine große Marktforschungsstudie zum Thema Gelegenheitsverkehr. Dabei soll es etwa um den Abbau von Hemmschwellen für bisherige Nichtnutzer gehen. Ebenso vorgesehen sind Berechnungen für die Vorschläge aus dem politischen Raum – etwa, dass in der Stadt Stuttgart nur noch eine Zone bestehen soll.

Die drei geplanten regionalen Expressbuslinien – abgekürzt Relex – sollen die S-Bahnen entlasten und neue Tangentialverbindungen schaffen. Derzeit läuft die Ausschreibung für die Strecken Leonberg–Flughafen/Messe, Kirchheim (Teck)–Flughafen/Messe und Waiblingen–Esslingen. Die Vergabe erfolgt im Mai, fahren sollen die Expressbusse ab Dezember 2016.

Die Zunahme der Fahrgastzahlen bedeuten „auch monetär ein Erfolg“, so die VVS-Chefs. Das mache sich in der Verbandskasse bemerkbar: Die Fahrgeldeinnahmen sind 2015 bei einer Tarifanpassung von 2,9 Prozent zum 1. Januar 2015 um 5,1 Prozent auf 499,8 Millionen Euro gestiegen.

Wunder Punkt in der Bilanz bleibt die Pünktlichkeit. Hachenberger verweist auf die Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, dies habe im Frühjahr 2015 die Fahrgäste auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Die S-Bahnen fahren nach seiner Erklärung noch nicht wieder so pünktlich, wie man dies früher gewohnt gewesen sei. Allerdings sei „nach dem Seuchenjahr 2014 ein Aufwärtstrend erkennbar, unsere Maßnahmen wirken“. So lag im Dezember 2015 der Wert bei der Pünktlichkeit bis zu drei Minuten mit 87,3 Prozent gut 4,5 Prozentpunkte über jenem vom Vorjahresmonat.