Grün-Rot muss Landesstraßen ausbauen. Foto: dpa

Die Pläne im Verkehrssicherheitskonzept des Landes finden viel Lob, aber auch Kritik. Positiv wird der geplante Ausbau von Landesstraßen bewertet. Schärfere Tempolimits werden kritisiert.

Stuttgart - Das Werk ist 85 Seiten stark und wurde im Juni gemeinsam von den Beamten des Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) und des Innenministers Reinhold Gall (SPD) verfasst. Titel: Verkehrssicherheitskonzept Baden-Württemberg. Das ehrgeizige Ziel: Die Zahl der Unfalltoten soll bis 2020 um 40 Prozent reduziert werden. Ausgangsbasis ist 2010, als es 494 Verkehrstote im Südwesten gab.

Im Grundsatz gibt es reichlich Lob für das Konzept. Die IHK Region Stuttgart beispielsweise sagt, das Papier enthalte „eine Vielzahl unterstützenswerter Maßnahmen“. Dazu gehöre unter anderem „die dringend notwendige Erhöhung der Zahl von Lkw-Parkplätzen an den Autobahnen“. Auch der Auto Club Europa (ACE) begrüßt das Konzept. Doch insbesondere an zwei Punkten erhitzen sich die Gemüter: Den vom Land favorisierten schärferen Tempolimits und der Frage, wie der dreistreifige Ausbau von Landesstraßen finanziert werden soll.

Schärfere Tempolimits

Die beiden Ministerien bewerten die Senkung des Geschwindigkeitsniveaus innerorts als „hochwirksame Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit insbesondere von Fußgängern und Radfahrern“. Weiter heißt es: „Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit und Tempo 50 als Ausnahme auf gut und sicher ausgebauten Straßen drängen sich somit immer stärker auf.“ Auch bei den Landesstraßen gibt es eine klare Aussage: Durch eine Reduzierung von Tempo 100 auf Tempo 90 außerorts „kann die Zahl der Verkehrstoten um zehn bis 20 Prozent reduziert werden“. Die Landesregierung werde deshalb auf Bundesebene eine entsprechende Initiative auf den Weg bringen.

Die FDP-Landeschefin Birgit Homburger hält davon gar nichts. „Tempolimits machen da Sinn, wo es die Verkehrssituation aus Sicherheitsgründen erfordert. Das ist nicht flächendeckend der Fall.“ Homburger ätzt: „Den Grünen fallen immer nur neue Bevormundungen ein.“ Auch IHK-Sprecher Bernd Engelhardt nennt die Pläne für schärfere Tempolimits „eher ideologisch geprägt als sachlich begründet“. 80 bis 90 Prozent der kommunalen Straßen in Deutschland seien bereits entsprechend beschränkt. Ein Limit von 50 km/h gelte somit „praktisch nur noch auf den Hauptstraßen und in Gewerbegebieten“. Das Ansinnen von Grün-Rot „dürfte in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Bauhöfe münden, die Verkehrsschilder abmontieren oder neue Schilder aufstellen müssten“. Auch der ADAC hat sich schon mehrfach gegen eine generelle Tempo-30-Regelung in den Städten und eine generelle Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Landesstraßen ausgesprochen.

Dreistreifige Landesstraßen

Die Einschätzung der Landesregierung, dass dreistreifige Landesstraßen einen Sicherheitsgewinn bringen, teilen IHK und ACE. Zumal die Forderung nach zusätzlichen Überholspuren auf eine Forderung des ACE zurückgeht. Dennoch gibt es heftige Kritik.

Der ACE-Landeschef Harald Kraus wirft Verkehrsminister Hermann sogar vor, er hintertreibe das Vorhaben. „Der Minister sagt einfach, für gesonderte Überholspuren sei kein Geld da.“ Kraus weist darauf hin, dass die Straßenbaubehörden nach einer erst vor kurzem vom Bund beschlossenen Richtlinie künftig angehalten sind, beim Neubau sowie beim Um- oder Ausbau von Landesstraßen „in regelmäßigen Abständen dreistreifige Abschnitte vorzusehen“, um gefährliche Überholmanöver auf zweistreifigen Strecken zu vermeiden. Kraus: „Also muss der Minister in der Praxis auch danach handeln!“ Im Klartext: Hermann soll in seinem Etat das Geld für den Ausbau mit dritten Fahrspuren bereitstellen. Die IHK zum Beispiel würde sich davon „einen Schub“ für den seit langem von ihr geforderten Ausbau des Autobahnzubringers Backnang–Mundelsheim (L 1115) versprechen. Doch auch hier klemmt es. Engelhardt: „Das Land ist derzeit sogar dabei, sich dieses Projekts zu entledigen und es im Rahmen der Anmeldungen zum Bundesverkehrswegeplan 2015 dem Bund als B 29 zu übertragen.“