Allen prägen die Landschaft: Und es gibt immer weniger Baumunfälle Für Foto: dpa

Das Stichwort Allee löst durchaus unterschiedliche Reaktionen aus: Die einen denken an landschaftsprägende Baumachsen, die nächsten an Ökosysteme, andere an Unfalltote. Wie also umgehen mit den Baumreihen? Das Verkehrssicherheitskonzept des Landes gibt die Richtung vor.

Stuttgart - Bei Verkehrsexperten haben Alleen einen schlechten Ruf. Rund 60 Prozent aller tödlichen Unfälle ereignen sich auf Landstraßen. Besonders risikoreich, so der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, seien neben unübersichtlichen Einmündungen und scharfen Kurven auch wechselnde Lichtverhältnisse in Alleen und Waldstücken. Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 25 Zentimetern gelten nach den Richtlinien des Straßenbaus als „nicht verformbares Einzelhindernis“.

Dennoch kommt in Alleen in Baden-Württemberg immer seltener die Kettensäge zum Einsatz. Denn die Statistik zeigt, dass die Zahl der Baumunfälle sinkt. 2009 gab es im Land noch 1141 Baumunfälle mit 440 Schwerverletzten und 49 Toten. Seither ist die Zahl kontinuierlich gesunken auf 969 Baumunfälle im Jahr 2013 mit 372 Schwerverletzten und 31 Getöteten. Wie viele dieser Unfälle sich tatsächlich in Alleen ereigneten, wurde nicht erhoben.

Die Zahlen allerdings sind dem Verkehrsministerium immer noch zu hoch. Das von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) 2013 vorgestellte Verkehrssicherheitskonzept des Landes basiert auf der „Vision Zero“: Die Zahl der Toten und Schwerverletzten soll deutlich reduziert werden. Im Jahr 2020 sollen 40 Prozent weniger Menschen auf Baden-Württembergs Straßen zu Tode kommen als 2010. Längerfristiges Ziel sei „ein Straßenverkehr ohne Tote und Schwerverletzte“, teilte jetzt Gisela Splett, Staatssekretärin im Verkehrsministerium auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Friedrich Bullinger mit.

Bullinger hatte die Landesregierung damit konfrontiert, viele Naturschützer, Wanderverbände und Kommunen seien in Sorge um die Alleen und Straßenbäume. Einige Städte und Gemeinden verzichteten bereits auf Nachpflanzungen, so dass das kulturlandschaftliche Erbe der Alleen schleichend verschwinde, so Bullinger. In seiner Anfrage wies er auf das Programm „100 neue Alleen für Nordrhein-Westfalen“ der dortigen schwarz-gelben Landesregierung hin, das die Neupflanzung und den Erhalt von Alleen für jährlich eine Million Euro vorsehe.

Das Ministerium ist bereit, ein Kataster für alle Alleen an Bundes- und Landesstraßen mit mehr als 100 Metern Länge zu erstellen. Voraussetzung sei, dass das Geld dazu vorhanden sei, so Gisela Splett. Zu einem Programm zur Pflege und Erhaltung von Alleen sei das Ministerium ebenso bereit. Generell müssten die verkehrssicherheitstechnischen Kriterien eingebunden werden. Grundlage sind die Richtlinien für passiven Schutz (RPS 2009), die eine einheitliche Straßenraumgestaltung und ein einheitliches Sicherheitsniveau auf den Straßen garantieren sollen. Um die Sicherheit zu erhöhen, sollen nach diesen Richtlinien die Abstände zwischen den Bäumen größer sein als bisher. Bei Landstraßen mit Tempolimit 80 bis 100 Stundenkilometer sollen sie je nach Böschung zwischen 3,5 und 7,5 Meter liegen.

Ausdrücklich davon ausgenommen sind bestehende Alleen. Dort dürfen nur in Ausnahmefällen und als letzte Möglichkeit Bäume gefällt werden. Andererseits erlauben die „Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume an Straßen“ in kleineren Baumlücken auch Nachpflanzungen. So sollen „Allen und einseitige Baumreihen, die vital sind und eine gesicherte Lebenserwartung von mehr als zehn Jahren haben“ erhalten werden.

Um den Zielen des Verkehrssicherheitskonzepts gerecht zu werden, setzt das Land auf eine Kombination aus Schutzplanken mit Unterfahrschutz (für Motorradfahrer) und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Nach Auffassung der Unfallforscher der Versicherer hat sich gerade die Verbindung von Schutzplanken mit überwachten 80 Stundenkilometern Tempolimit als sehr wirksam erwiesen. Allein dadurch ließen sich an den Unfallschwerpunkten schwerste und tödliche Unfälle um 50 bis 80 Prozent reduzieren. Häufigste Unfallursache bei Baumunfällen ist überhöhte Geschwindigkeit, gefolgt von Alkoholeinfluss, Fahrfehlern und Überholens trotz Gegenverkehr.

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