Landstraße ohne Seitenstreifen. Der weiße Fahrbahnrand gilt fahrpsychologisch als wichtig. Foto: ADAC

Weil an immer mehr Straßen die Seitenmarkierung fehlt, leidet darunter die Verkehrssicherheit.

Stuttgart/München - Die L 409 im Kreis Rottweil ist eine typische Landstraße. Eigentlich gut ausgebaut, doch mit der Zeit ziemlich in die Jahre gekommen. Der Asphalt mehr Flickenteppich als Fahrbahn, und auch vom Seitenstreifen sind nur noch gräuliche Fragmente übrig. Wie hier im Glattal sieht es auf vielen Kreis- und Landstraßen aus. Fahrbahnmarkierungen finden sich fast nur noch an sanierten und neuen Straßenabschnitten – und die sind rar.

„Die Straßenbauer sparen ausgerechnet an der Farbe für Seitenmarkierungen“, hat ADAC-Ingenieur Hubert Paulus nach Beobachtungsfahrten in Bayern festgestellt. In Schleswig-Holstein sind nach einem Bericht des Rechnungshofs gar 85 Prozent der Markierungen schadhaft. Reimund Elbe vom ADAC Württemberg beurteilt die Lage hierzulande ähnlich. „Auf vielen Straßen ist kaum mehr Farbe zu erkennen.“

Die Verkehrssicherheit leidet erheblich darunter, klagen die Experten des Automobilverbands. Der weiße, in der Regel zwölf Zentimeter breite Streifen gibt Auto- und Zweiradfahrern nicht nur bei Dunkelheit, Nebel und Nässe Orientierung. Auch bei guten äußeren Bedingungen gilt er als psychologisch wichtig für die Fahrzeugführung. Laut Unfallstatistik passiert jeder dritte Unfall außerhalb von Ortschaften, weil ein Auto von der Fahrbahn abkommt. Die ADAC-Unfallforschung hat herausgefunden, dass bei einem Drittel dieser Unfälle die Fahrer zuvor auf den unbefestigten Seitenstreifen geraten sind. Die vielen ausgefransten Fahrbahnränder sind sichtbare Folge des fehlenden Seitenbands – umso weiter rechts wird gefahren.

Behörden wehren sich gegen Knauser-Vorwurf

Ein weiteres Problem zielt mehr in die Zukunft: Moderne Fahrerassistenzsysteme wie der elektronische Spurhalteassistent orientieren sich an den weißen Seitenmarkierungen. Fehlen diese oder sind nur noch schwach erkennbar, spielt die Technik verrückt. Die Kamera, welche die Straßenmarkierung ständig im Blick hat und bei Überschreitung dem Fahrer ein akustisches Signal gibt oder das Lenkrad vibrieren lässt, befindet sich im Fahrzeugbau auf dem Weg zum Standard.

Was in den Ausführungen der ADAC-Experten mitschwingt, ist der Vorwurf, die Straßenbaubehörden würden knausern. Früher sei konsequenter markiert worden, heißt es. Stimmt nicht, entgegnen Landesverkehrsministerium, Regierungspräsidien und einige ausgewählte Landratsämter unisono. Sie verweisen auf die Vorschrift in der Straßenverkehrsordnung (StVO), wonach das Aufbringen von Fahrbahnmarkierungen bei klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes-, Kreisstraßen) grundsätzlich vorgeschrieben ist. Und daran halte man sich. Je nach Art der Markierung, ob als Kaltplastik oder als Agglomerat, fallen Kosten zwischen 30 Cent und drei Euro pro Meter an, wie das Verkehrsministerium auflistet.

„An der Farbe wird sicher nicht gespart“, wehrt sich ein Behördenvertreter gegen den Knauser-Vorwurf. Allerdings werde nur dann gestrichen, wenn die Straße neu gebaut oder der Asphalt ausgebessert werde. Reine Markierungsarbeiten fänden dagegen nicht statt. Das war früher nicht anders als heute – nur waren da die Straßen generell in einem besseren Zustand.