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Eine Bürgerinitiative will mehr Verkehrssicherheit und weniger Lastwagen in ihrem Ortsteil. Das Landratsamt reagiert – und lässt 212 orangefarbene Plastikpfosten in dem malerischen Dorf installieren.

Sachsenheim - Oh wie schön ist Ochsenbach! Falls Ihnen der Name nichts sagt: Die kleine Ortschaft liegt am nordwestlichen Rand des Landkreises. Das mit allerlei Fachwerkhäusern gesegnete Dorf ist längst ein Ortsteil von Sachsenheim und erlangte mittelgroße Berühmtheit in den Jahren 1993 und 2003. Zweimal gewann das Örtchen mit der malerischen Dorfstraße beim Landeswettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Einmal gab es die Goldmedaille, beim zweiten Mal konnte Ochsenbach immerhin noch die Silbermedaille gewinnen.

Ob das Dorf auch in Zukunft noch Schönheitswettbewerbe gewinnen kann, ist zu hinterfragen. Denn seit ein paar Wochen wird Ochsenbach durch orangefarbene Stelen entstellt. 212 Stück sollen es offiziell sein, wobei auch schon 219 Exemplare entlang der Dorfstraße gezählt worden sein sollen. Wenn es schon nicht mehr für Schönheitspreise reicht, einen Superlativ dürfte Ochsenbach locker einfahren: Den des verkehrssichersten Dorfs Baden-Württembergs. Hochgerechnet beschützt ein Poller jeweils knapp vier Bewohner.

Blumenkübel störten die Verkehrswächter des Landratsamtes

Aber wie, oder besser gefragt, warum konnte Ochsenbach zum verkehrstechnischen Fort Knox ausgebaut werden? Die Antwort findet sich, wie so oft, in bürokratischen Untiefen. Die Bepfostung Ochsenbachs nahm ihren Anfang im Protest einer Bürgerinitiative: Diese wollte ein Lastwagen-Durchfahrtverbot, mehr Sicherheit für Fußgänger und eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde auf Tempo 30.

Landratsamt und Regierungspräsidium begutachteten die Situation vor Ort und sahen „dringenden Handlungsbedarf“ in Sachen Verkehrssicherheit. Aber nicht in Sachen Lasterfahrten. Nicht vorschriftsgemäß installierte Blumenkübel am Straßenrand erhitzten die Aufseher-Gemüter. Blumenkübel wohlgemerkt, die maßgeblich zum Ruhme Ochsenbachs als Dorfschönheit beitrugen. Diese Kübel würden an einigen Stellen den Gehweg zu sehr verengen und müssten weg. Um zu verhindern, dass Fahrzeuge bei Gegenverkehr auf der beengten Dorfstraße auf den Gehweg ausweichen, musste also etwas Ordnungsgemäßes her. Was passt da besser als 75 Zentimeter hohe, orange Plastikpfosten?

Die Pfosten sind nicht nur ästhetisch ein Reinfall

Die Poller müssen übrigens überfahrbar sein. Massive Stelen, beispielsweise aus Stahl, die einem Auto standhielten, sind nicht erlaubt, weil dafür der Mindestabstand zur Straße nicht gegeben ist. Die Pfosten sind also nicht nur in ästhetischer Hinsicht, sondern auch unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit eher ein Reinfall.

Kein Wunder also, dass man in Sachsenheim, aber vor allem in Ochsenbach, alles andere als glücklich ist mit der Lösung. Viele meinen, die Bürgerinitiative habe dem Ort einen Bärendienst erwiesen. Die Initiatoren wiederum glauben, dass das Landratsamt beleidigt auf die Proteste reagiert und deswegen die schönen Kübel zu Pfostenscharen umgewandelt habe. Und das Landratsamt? Ist einfach froh, dass jetzt alles wieder ordnungsgemäß läuft.

So auch in Kirchheim am Neckar. Dort stellte man unlängst fest, dass ein entsprechend ausgeschilderter verkehrsberuhigter Bereich eigentlich gar keiner sein dürfte. Es gab schlicht keine dafür notwendige verkehrsrechtliche Anordnung. Die Schilder mussten abmontiert werden. Doch unbürokratisch und kreativ, wie die Verkehrsbehörde im Landratsamt ist, erarbeitete sie mit der Gemeinde zusammen ein Konzept, wie die Lissenstraße auch in Zukunft wieder verkehrsberuhigt werden kann: Schulkinder sollen die Straße bemalen, damit den Autofahrern klar wird, dass man hier langsam fahren sollte. Außerdem möchte die Gemeinde Blumenkübel aufstellen. Wir wittern: Kirchheim will Ochsenbach als schönstes Dorf ablösen!