Feinstaub Alarm in Stuttgart: die Städte in Deutschland reagieren bisher ganz unterschiedlich auf die Schadstoffbelastung durch den Autoverkehr. Foto: dpa

Baden-Württembergs Minister Winfried Hermann (Grüne) kann sich im Kreis der Landesverkehrsminister nicht durchsetzen. Seine Pläne für städtische Umweltzonen, in die nur schadstoffarme Autos mit blauer Plakette fahren dürfen, finden keine Mehrheit.

Stuttgart - Dass er das Ringen um die Blaue Plakette verloren hat, das gibt Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Ende der Verkehrsministerkonferenz denn auch zu. Auf die Frage, ob er nicht noch im Bundesrat zugunsten der Plakette für schadstoffarme Autos aktiv werden wolle, sagt er: „Man macht doch eine Bundesratsinitiative nicht, wenn sie keinen Erfolg verspricht.“ Die Mehrheit der Landesverkehrsminister hält gemeinsam mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gar nichts von der Einführung von Umweltzonen in den Städten, in die nur schadstoffarme Autos mit blauer Plakette fahren dürfen.

Ganz geschlagen aber gibt Hermann sich nicht, zumindest einen Teilsieg verbucht er für sich: „Die blaue Plakette bleibt ja in der Diskussion, die Minister haben mit Mehrheit nur gesagt, sie sei nicht entscheidungsreif.“ In der Tat regen die Landesverkehrsminister an, dass die Bundesregierung „für eine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit“ einer neuen Plakette und Schadstoffgruppe für Autos Untersuchungen initiiert. Verklausulierter kann man das Verschieben einer Maßnahme auf den Sankt Nimmerleinstag wohl nicht umschreiben.

Immerhin hat Minister Hermann Mutmaßungen darüber, warum nur Bremen, Berlin und Hessen dem Vorstoß Baden-Württembergs für die blaue Plakette folgten: die anderen Länder seien wohl nicht so stark von Stickoxiden betroffen, „oder sie wollten die Dieselfahrer nicht verprellen“.

Senkt die Plakette die Stickoxid-Belastung um 40 Prozent?

Die Fahrer älterer Dieselautos wären die Hauptbetroffenen der Einführung von Umweltzonen gewesen. „Es gab eine faire und sachliche Diskussion über die Plakette“, berichtete der Verkehrsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, der die Konferenz leitete. Er sah bei den anderen Ländern den Glauben stärker ausgeprägt als in Stuttgart, dass mit dem vereinbarten Mix von Maßnahmen für eine Umstellung des innerstädtischen Bus- und Taxiverkehrs auf sauberen Antrieb die Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen sei.

In Baden-Württemberg sieht man das ganz anders: „Wir haben die Daten doch aus Stuttgart: Eine Umrüstung der Busse bringt zwei Prozent weniger Stickoxide, die blaue Plakette hätte sie um 40 Prozent gesenkt“, meint Hermann.

Aber die Debatte ist beendet. Und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) reagierte auf Nachfragen von Journalisten, wann die Plakette mal wieder auf die Tagesordnung käme, relativ standfest mit einem Hinweis auf die mehrheitlichen Gegner der Plakette: „Wenn wir über Zeiträume sprechen, dann doch über die, wann wir es mit den anderen Lösungen zur Stickoxidverringerung schaffen.“

Proteste vor dem Tagungsort in Stuttgart

Um Harmonie war der Bundesverkehrsminister am Schluss allerdings auch bemüht, so habe die kontroverse Diskussion „der Freundschaft“ unter den Ministerkollegen keinen Abbruch getan. Und auch für die Baden-Württemberger hatte Dobrindt ein Trostpflaster mitgebracht, „Ich habe ein Herz für die Gäubahn“, erklärte er auf Nachfragen. Nachdem eine Nutzenkostenanalyse nun vorliege, sei er zuversichtlich, dass ein Ausbau der Strecke zwischen Stuttgart und Zürich im derzeit im Parlament diskutierten Bundesverkehrswegeplan „einen herausragenden Platz kriegt“.

Mit der ministeriellen Harmonie nicht einverstanden war eine Gruppe von Greenpeace, die vor dem Tagungsort, dem Haus der Wirtschaft, protestierte. Auch der Umweltverband BUND äußerte Kritik: „Die Blaue Plakette vorerst nicht weiter zu verfolgen, ist ein schwerer Schlag gegen saubere Luft“, sagte die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender. Die Minister hätten sich dem „Druck der Auto-Lobby“ gebeugt und sie ließen „die Städte im Regen stehen“, sagt sie. Dahlbender gab die Prognose ab, dass es in zwei Jahren Gerichtsurteile hageln werde: „Die Städte werden dann ganze Innenstädte für Dieselautos sperren – auch die sauberen.“