Straßenwärter montieren an der Autobahn A81 am Hegaublick ein Schild mit der Aufschrift „130“. Beim 57. Verkehrsgerichtstag in Goslar wird unter anderem über schärfere Tempolimits diskutiert. Foto: dpa

Offiziell steht das Tempolimit beim Verkehrsgerichtstag in Goslar nicht auf dem Programm – heiß diskutiert wird es dennoch. Über welche für Autofahrer wichtigen Themen geht es dort noch?

Goslar - Rund 2000 Vertreter von Gerichten, Anwaltsbüros, Autoklubs, Polizei, Fahrschulen und Versicherungen treffen sich bis Freitag beim 57. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar am Harz. Natürlich wird dabei das Tempolimit heiß auf den Fluren des Konferenzzentrums im „Achtermann“ diskutiert, auch wenn es offiziell nicht auf der Tagesordnung steht.

„Wir sind für situative Tempolimits“, sagt Anja Smetanin vom Autoklub ACE. Mit „dynamischen“ Anzeigetafeln könne längst die Geschwindigkeitsbegrenzung angepasst werden: „Wenn frei ist, warum soll man nicht schneller fahren dürfen?“

Das ist die Ansicht von vielen. Kay Nehm, scheidender Präsident des Verkehrsgerichtstages, sagte unserer Zeitung : Er sei „gespalten“. Er trete bei freier Strecke „auch mal gerne aufs Gas“. „Wenn ein Verrückter mit Lichthupe alle auf der linken Spur verscheucht, dann stellt sich das schon anders dar.“ Gebe es einen Nachweis, dass sich die Unfallzahlen auf Autobahnen um zehn bis 15 Prozent senken ließen, würde er auf ein Tempolimit „umschwenken“.

Punkte in Flensburg

Das heiße Eisen in Goslar ist aber wohl die Bilanz der Reform der Flensburger Verkehrssünderdatei vor fünf Jahren. Seither ist der Führerschein schon bei acht Punkten weg, allerdings hat man den strengen Strafkatalog auch von kleineren Vergehen entschlackt. Heftig umstritten ist, ob es weiterhin einen Abzug von einem Punkt geben soll, wenn ein Verkehrssünder vor Erreichen des fünften Punkts freiwillig ein Fahreignungsseminar besucht hat. Das kostet bis zu 600 Euro. Manche sprechen deshalb von einem „Rabatt für Reiche“.

Vor 2020 sollte die Politik entscheiden, ob die Rabattregelung Fortbestand hat. Handelt der Gesetzgeber nicht, dann läuft die Regelung 2020 ersatzlos aus. Mit Spannung erwartet, so Kay Nehm, werde ein Gutachten des Bundesamtes für Straßenwesen über den Effekt der Fahreignungsseminare. „Man hört, dass sie keine große Bedeutung für eine dauerhafte Wirksamkeit haben.“ Individuell verschieden habe sie eine Besserung bringen können.

Fahrverbote

Wie es um die Verhältnismäßigkeit der Fahrverbote für ältere Dieselautos steht, das ist ein anderer strittiger Themenblock. Ihre Einführung ist nach Ansicht Nehms „die größte politische Fehlleistung“ der letzten Jahrzehnte. Die EU habe unrealistische Grenzwerte eingeführt, Deutschland halte sich als „Musterschüler“ daran und „andere Länder und Hersteller lachen sich ins Fäustchen“.

Erörtert wird von Experten, wie es um die Balance zwischen dem Recht auf Gesundheit und Mobilität steht. Auch im entscheidenden Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts zugunsten kommunaler Fahrverbote ging es um die Verhältnismäßigkeit. Eins ist für Nehm allerdings klar: „Wenn die Grenzwerte wieder sinken, dann muss das Fahrverbot sofort aufgehoben werden.“

Autonomes Fahren

Ein Dauerthema bleibt das autonome Fahren: Hierzu hat der Gesetzgeber in jüngster Zeit zwar eine Regelung getroffen und vorgeschrieben, dass der Fahrer trotz autonomen Fahrens „wahrnehmungsbereit“ sein müsse. Aber Untersuchungen belegen, dass es acht bis zehn Sekunden dauert, bis ein Mensch nach einer Ablenkungszeit wieder voll konzentriert am Steuer ist.

„Da klafft noch eine Lücke im Gesetz“, betont Nehm. Und „viel nachbessern“ müsse der Gesetzgeber auch bei der Sicherheit, der Speicherung und dem Schutz von Daten. Laut Bundesverfassungsgericht dürften nur „die notwendigsten Daten“ gespeichert werden. Nehm: „Damit kommt man beim autonomen Fahren aber nicht weit.“ Geklärt werden müsse auch, wer eigentlich die Herrschaft über die Daten habe.

Lastwagen-Unfälle

Ein Alarmsignal kommt von den Lkw- und Busunfällen. So ist die Zahl der Todesopfer durch Lkw-Unfälle 2017 um fast sieben Prozent gestiegen. Bei Busunfällen sind es vor allem Brände, die eine Katastrophe auslösen können. Abbiegeunfälle und Auffahrunfälle – 70 Prozent davon auf Autobahnen – sind die großen Probleme des Brummi-Verkehrs. Der Verkehrsgerichtstag wird für ein Maßnahmebündel plädieren: den Abbiegeassistenten für Lkw, mehr Rastplätze (es fehlen 11 000), neue Brandmelder und Löschsysteme für Busse.

Alkolock

Im Koalitionsvertrag ist die Erprobung des sogenannten Alkolocks zwar vorgesehen – eine Zündungssperre im Auto, wenn der Fahrer sich alkoholisiert ans Steuer setzt. Aber Rechtsexperten wie Kay Nehm halten wenig davon: „Der Alkolock passt eigentlich nicht in unser Straf- und Ordnungswidrigkeiten-System.“ Er plädiert dafür, dieses Instrument nur auf freiwilliger Basis bei Berufskraftfahrern einzusetzen und zwar begleitet von einem psychologischen Hilfsprogramm für Betroffene.

Nehm, einst Generalbundesanwalt, hat den Verkehrsgerichtstag seit 2010 geleitet. Bei seiner letzten Pressekonferenz saß sein Nachfolger, der Bielefelder Juraprofessor Ansgar Staudinger, schon mit am Tisch.