Nur Schrittgeschwindigkeit ist erlaubt: Anwohner sehen im Ina-Rothschild-Weg in Esslingen ein hohes Gefahrenpotenzial. Foto: Roberto Bulgrin

Schrittgeschwindigkeit ist erlaubt. Doch an das Tempolimit hält sich laut einem Anwohner im Ina-Rothschild-Weg in Esslingen fast niemand. Er ist besorgt, sieht Gefahren für Menschen und Tiere und kritisiert das Verhalten der Stadt Esslingen.

Ein Kind sei bereits Opfer der Raserei geworden, sagt der Anwohner. Ein kleiner Junge mit Fahrrad sei im Ina-Rothschild-Weg in Esslingen von einem Fahrzeug erfasst worden und habe ins Krankenhaus gebracht werden müssen: „Zum Glück hatte der Kleine einen Schutzengel und konnte die Klinik schnell wieder verlassen“, so der Anwohner, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er übt harsche Kritik an der Verkehrssituation und dem schnellen Fahren im Ina-Rothschild-Weg sowie am Kommunikationsgebaren und den zögerlichen Reaktionen der Stadt.

 

Der Mann spricht von „testosterongesteuerten Vollidioten“, die durch den eigentlich verkehrsberuhigten Bereich im Ina-Rothschild-Weg brettern würden. Aber „auch Paketzusteller, Müllfahrzeuge, Getränkelaster, Familien, Mütter oder Arbeiterfahrzeuge“, eben die „ganze Bandbreite aller Gesellschaftsschichten“, würden sich nicht an die Tempolimits und die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit halten.

Das schnelle Fahren hat seiner Meinung nach Folgen: „Kinder können nicht mehr zum Spielen allein nach draußen gelassen werden, wenn rücksichtlose Raser die Straße unsicher machen und die Eltern ständig um die Sicherheit ihrer Sprösslinge fürchten müssen“, sagt der Anwohner. In Fahrtrichtung der aufsteigenden Hausnummern würde es im Ina-Rothschild-Weg zudem keinen Gehweg geben: „Die Anwohner samt kleiner Kinder treten aus dem Hauseingang praktisch direkt auf die Straße.“ Gefahr bestehe durch die Gesamtsituation auch für Tiere: Ein junger Fuchs und die Katze einer Anwohnerin seien totgefahren worden.

Standard-E-Mails der Stadt Esslingen

Beschwerden bei der Stadt Esslingen über die Zustände vor Ort seien mit Standard-E-Mails beantwortet worden. Geschwindigkeitsmessungen seien lediglich an einem einzigen Tag durchgeführt worden „und zwar so, dass man den Blitzer bereits aus großer Entfernung erkennen konnte“. Die Stadt, so der Anwohner, habe zudem vorgeschlagen, die Hecken im direkten Zugangsbereich zurückzuschneiden und so entsprechende Sichtfelder zu schaffen: „Durch diese Äußerungen fühlt man sich als Betroffener schlichtweg veräppelt.“ Schließlich sollten eher Tempo-Hemmschwellen oder Bremsschwellen Raser weg vom Gaspedal bringen.

Doch Brigitte Länge, die Leiterin des städtischen Ordnungsamts, beurteilt die Lage anders: „Nach einer aktuellen Unfallauswertung der Polizei liegt für diesen Straßenabschnitt keine gesteigerte Gefahrenlage vor.“ Der von dem Anwohner angesprochene Unfall mit dem Kind sei geprüft und ausgewertet worden. Das Ergebnis: Der Unfall sei nicht auf den Zustand der Straße zurückzuführen.

„Verkehrsregeln werden im gesamten Stadtgebiet missachtet“

Laut Polizeibericht vom 13. Juni 2024 soll der Siebenjährige mit seinem Fahrrad hinter einem abgestellten Auto auf die Straße gefahren und dabei von dem Pkw einer 40-Jährigen erfasst worden sein, die in Richtung der Straße Am schönen Rain unterwegs war. Der Junge trug laut Polizei leichte Verletzungen davon. Abgesehen von diesem Vorkommnis, sagt Brigitte Länge, würden im Ina-Rothschild-Weg nur Kleinstunfälle wie beispielsweise „Spiegelstreifer im Vorbeifahren“ oder auch „Fehler beim Ein- und Ausparken“ verzeichnet.

Im gesamten Stadtgebiet von Esslingen seien immer wieder Verkehrsteilnehmende zu beobachten, die bestehende Regeln nicht immer einhalten würden, sagt Brigitte Länge: „Häufig fühlt sich jedoch das Beobachten von gefahrenen Geschwindigkeiten schneller an, als dies tatsächlich der Fall ist.“ Dennoch seien im Ina-Rothschild-Weg über mehrere Wochen hinweg Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen worden. Weitere Kontrollen seien geplant, so die Leiterin des städtischen Ordnungsamtes: „Falls bei den Messungen Auffälligkeiten festgestellt werden, werden diese intensiviert und weitere Maßnahmen geprüft.“

Das städtische Ordnungsamt sieht für den Ina-Rothschild-Weg in Esslingen „keine gesteigerte Gefahrenlage“. Foto: Roberto Bulgrin/Archiv

Trotz allem habe die Esslinger Stadtverwaltung geprüft, ob sich durch einfache Veränderungen die Situation im Ina-Rothschild-Weg verbessern lasse. Als erstes Ergebnis sei nach dem Ende der Wintersaison die Zufahrt des verkehrsberuhigten Bereichs zusätzlich markiert worden. Die Überlegungen zu möglichen weiteren Aktionen seien damit noch nicht vollständig abgeschlossen. Aber: „Ein Zeitplan für eine mögliche Umsetzung der sich noch in Prüfung befindlichen Maßnahmen ist aktuell jedoch noch nicht festgelegt.“

Ein Rückschneiden der Hecken soll helfen

Denn bauliche Veränderungen müssten laut Brigitte Länge sorgfältig abgewogen werden. Es müsse zudem gut überlegt werden, ob auch rein optische Anpassungen im Straßenverlauf die gewünschten Ergebnisse erzielen könnten. Von privater Seite könne ebenfalls etwas für die Verbesserung der Situation getan werden – wie das Beseitigen von Sichthindernissen an Hauseingängen durch den Rückschnitt der Hecken. Ein Vorschlag, der den Anwohner im Ina-Rothschild-Weg bereits auf die Palme gebracht hatte.

Die Situation im Ina-Rothschild-Weg

Verkehrssituation
Der Ina-Rothschild-Weg ist eine Sackgasse im Nebenstraßennetz, der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen ist, sagt Brigitte Länge. Dies bedeutet laut der Leiterin des städtischen Ordnungsamtes, dass er nur von dort Wohnenden und dem sonstigen Ziel- und Quellverkehr des Quartiers etwa zur Entsorgung befahren werden darf. In einem verkehrsberuhigten Bereich gelte für alle Verkehrsteilnehmenden bereits Schrittgeschwindigkeit sowie das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Beschwerden
Brigitte Länge bezeichnet die Beschwerde-Situation von Ein- und Anwohnern mit Blick auf die Verkehrslage im Ina-Rothschild Weg – auch im Vergleich zu Anfragen mit ähnlichen Verkehrssituationen im Stadtgebiet – als „derzeit sehr unauffällig“. Eingegangene Meldungen bezögen sich auch auf andere Themenfelder wie Müll oder die Betriebsbereitschaft abgestellter Fahrzeuge. Verkehrswidrig abgestellte Fahrzeuge seien bei Kontrollen vor Ort geahndet worden.