Während der Straßenfeste wird der Verkehr umgeleitet, argumentiert die Bürgerinitiative und fordert Gleiches im Alltag. Foto: factum/Weise

Zwei Frauen einer noch jungen Verkehrsinitiative sitzen einer zahlenmäßigen Übermacht aus dem Rathaus gegenüber. Ihr Anliegen wird gehört, manche Kritik relativiert aber die Statistik.

Sindelfingen - Die gefühlte Geschwindigkeit muss mit der gemessenen keineswegs übereinstimmen – gleich ob für denjenigen, der ein Auto oder steuert oder denjenigen, der es auf sich zufahren sieht. 28 Stundenkilometer ist die vom Ordnungsamt erfasste Durchschnittsgeschwindigkeit auf der Grabenstraße. Viele Anwohner und Fußgänger empfinden dies als zu schnell, um sicher die Fahrbahn zu überqueren. Deren Stimmen – untern anderem – hat eine noch junge Gemeinschaft mit dem etwas sperrigen Namen „Bürgerinitiative Verkehrsreduktion in der Sindelfinger Innenstadt“ protokolliert.

 

Ihr erster Erfolg ist, „dass wir von der Verwaltung ernst genommen werden“, wie die Sprecherin Ulrike Rapp sagt, die außerdem für die Sozialdemokraten im Gemeinderat sitzt. Wenige Wochen nach der Gründung sitzen im Rathauses zwei Frauen von der Initiative einer zahlenmäßig weit überlegenen Delegation gegenüber: Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer ist gekommen, die Baubürgermeisterin und der Finanzbürgermeister nebst Amtsleitern und weiteren Bediensteten der Stadt. „Der Straßenverkehr ist natürlich ein Dauerbrenner“, sagt Vöhringer, wohl wahr, nicht nur in Sindelfingen. Es sei „ein steter Prozess, immer wieder nachzuregulieren“.

Manche Forderung wird nicht zum ersten Mal diskutiert

Der Einleitung gemäß wird manche Forderung der Initiative nicht zum ersten Mal diskutiert. Dazu gehört, den Wettbachplatz mindestens am Wochenende, besser auch wochentags von 19 Uhr an für den Verkehr zu sperren. Dazu gehört auch, den Busverkehr der Linie 701 nicht durch die engen Gassen der Altstadt zu leiten. Abgesehen davon, dass die Anwohner sich über Lärm beschweren, bleibe der Bus regelmäßig wegen Falschparkern stecken, sagt Rapp. Die Initiative argumentiert, dass während der Stadtfeste Umleitungen möglich seien.

„Beim Wettbachplatz haben wir uns früher dagegen entschieden“, sagt Lutz Lemke, der Leiter des Ordnungsamts. Inzwischen sei die Meinung im Rathaus gekippt. Was ebenso als halbe Zusage zu werten ist wie die Ankündigung, mit dem Busunternehmen über mögliche andere Strecken zu sprechen. Allerdings sei der Fahrplan heute schon eng und die Linie 701 ein wichtiger Zubringer für Berufstätige zu anderen Bussen und den Bahnen. Feste seien eben auf die Wochenenden beschränkt.

Unterschwellige Vorwürfe verschnupfen im Ordnungsamt

Offenkundig verschnupft hat Lemke auf den zumindest unterschwelligen Vorwurf reagiert, sein Amt lasse Gefahrenherde schwelen. „Das ist sicher nicht so“, sagt er. Nach jedem Unglück, das womöglich hätte vermieden werden können, seien Mitarbeiter vor Ort und überprüften Rettungswege oder Verkehrsregeln darauf hin, ob eine Verbesserung geboten wäre. Die gefühlte Belastung der Straßen in der Sindelfinger Alt- und Innenstadt weicht von der gezählten offenkundig ebenfalls ab. Wieder am Beispiel Grabenstraße nennt Lemke 2800 Autos täglich, damit weniger als in der Vergangenheit und nur ein Bruchteil dessen, was auf vergleichbaren Straßen rollt. Vor allem in der Altstadt ist nach seiner Anschauung ein Großteil des Beklagten hausgemacht – der Logik gehorchend. Die Zufahrt ist nur Anwohnern erlaubt. Die Initiative beobachtet hingegen, dass ein Großteil der Autos in den Anliegergassen mit auswärtigen Kennzeichen fährt.

Ungeachtet all dessen ist manche Begegnung insbesondere zwischen Kind und Autofahrer nicht nur gefühlt bedenklich. „An einer noch höheren Aufenthaltsqualität hat natürlich jeder Interesse“, sagt Vöhringer und schließt den halben Zusagen vollständige an: Die Forderungen der Initiative sollen ausgiebig diskutiert werden, bei einer Ortsbegehung, an einem runden Tisch im kleinen Zirkel und bei einer Versammlung im großen. Gleich zu welchem Ergebnis die Runden kommen, bleibt aus Sicht der Initiative ein Kernproblem: „Ein Beschilderung gibt es schon heute“, sagt Rapp, „das Problem ist die Kontrolle“.