Die EU plant das Verbrenner-Aus im Jahr 2035. Nun blockiert Deutschland die entscheidende Abstimmung in Brüssel. Foto: dpa/Christoph Schmidt

In Brüssel wird die entscheidende Abstimmung verschoben. Die EU staunt über die angedrohte Blockade Deutschlands.

Die FDP macht kräftigen Wirbel im Brüsseler Politikbetrieb. Wegen der von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) angedrohten Blockade gegen das geplante Verbrenner-Aus ab 2035 wird die für kommenden Dienstag geplante entscheidende Abstimmung verschoben. Auf Twitter schrieb am Freitag ein Sprecher des schwedischen EU-Ratsvorsitzes, das Thema stehe nicht mehr auf der Agenda des Ministerrats. Auch eine am Freitag angesetzte vorbereitende Abstimmung der EU-Botschafter wurde kurzfristig abgesetzt, werde aber „zu gegebener Zeit“ nachgeholt, hieß es.

Die Einigung steht bereits seit Monaten fest

Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten hatten sich bereits im Oktober darauf geeinigt, ab dem Jahr 2035 nur noch Fahrzeuge neu zuzulassen, die kein Kohlendioxid (CO2) mehr ausstoßen. Aus diesem Grund kommt das drohende Nein aus Deutschland reichlich überraschend. Grund für die Blockade ist der Einsatz der sogenannten E-Fuels – Kraftstoffe, die mithilfe von erneuerbaren Energien synthetisch hergestellt werden. Der Bundesverkehrsminister erklärte, dass die EU-Kommission bislang noch keinen Vorschlag dazu vorgelegt habe, wie nach 2035 nur mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können.

In Brüssel wird die neue Haltung Deutschlands mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen. Dieses Befremden wurde auch dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) mehrfach mitgeteilt, der diese Woche in Brüssel zu Gesprächen war. Die Intervention von Verkehrsminister Wissing habe in der EU „für jede Menge Irritationen gesorgt“, erklärte Stephan Weil nachdenklich. Empört reagierten in Brüssel vor allem die Grünen. Terry Reintke, Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament, erklärte am Freitag: „Die Debatte um das Verbrenner-Aus ist ein absurdes Beispiel, das schon jetzt großen Schaden in der EU anrichtet.“ Sie kritisiert, dass die FDP mit ihrer Politik dem Ansehen Deutschlands in der Europäischen Union großen Schaden zufüge, und erinnerte daran, dass Berlin dem Verbrenner-Aus bereits zugestimmt hat.

Harsche Reaktionen aus Brüssel

Schwieriger ist eine Positionierung für Jens Gieseke, den verkehrspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. „Die Bundesregierung präsentiert sich als Chaostruppe“, schimpfte der Konservative am Freitag. Erst kurz vor dem Abschluss der Gesetzgebung „sind die Liberalen in Berlin aufgewacht“. Gieseke räumte allerdings auch ein, dass der Verkehrsminister in der Sache seine volle Unterstützung habe. Die CDU habe von Anfang an „ein Anrechnungssystem für synthetische Kraftstoffe vorgeschlagen“.

Kritik an der angedrohten Blockade des Verkehrsministers kam sogar von den Unternehmen der Autoindustrie, die von der Politik die notwendige Planungssicherheit im Transformationsprozess hin zu E-Antrieben anmahnen. So warnte Audi-Chef Markus Duesmann im Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vor einer Hängepartie beim Verbrenner-Aus. Im Pkw-Segment würden synthetische Kraftstoffe mittelfristig keine große Rolle spielen. „Audi hat eine klare Entscheidung getroffen: Wir steigen 2033 aus dem Verbrenner aus, weil das batterieelektrische Fahrzeug die effizienteste Methode für Individualmobilität ist“, sagte Duesmann. E-Fuels seien in der Herstellung ineffizient und teuer.

Auch Rumänien, Bulgarien und Italien blockieren

Die angedrohte Blockade von Deutschland ist deshalb entscheidend, weil vorher bereits Italien, Rumänien und Bulgarien ihren Widerstand im Ministerrat angekündigt hatten. Dort ist in dieser Frage nämlich eine qualifizierte Mehrheit notwendig. Das bedeutet, dass 55 Prozent der Mitgliedstaaten zustimmen müssen, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung ausmachen. In dieser Konstellation müsste Deutschland nicht einmal mit Nein stimmen, sondern könnte sich einfach enthalten. Das zumindest sieht der Koalitionsvertrag vor, wenn es in der Berliner Ampel keine Übereinstimmung zu einem Thema gibt. Dieser Fall würde nun eintreten, da die Grünen-Bundesumweltministerin Steffi Lemke dem Verbrenner-Aus zustimmen möchte.

Auf der Suche nach einem Kompromiss

In dieser großen Aufregung wird in Brüssel nun mit Hochdruck daran gearbeitet, in den nächsten Tagen einen gesichtswahrenden Kompromiss zu finden, dem auch die FDP zustimmen kann. So könnte die EU-Kommission unter ihrer deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen der FDP etwa Zusicherungen zum Einsatz von E-Fuels geben. Besorgt sind die Verantwortlichen, weil durch ein Scheitern das zentrale EU-Projekt des Green Deal in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Ziel ist es, bis zum Jahr 2050 Europa zu einem klimaneutralen Kontinent umzubauen. Der Straßenverkehr ist dabei eines der zentralen Elemente.