In einer Murrhardter Nachbargemeinde: Circa 1,20 Meter Halteverbot. Foto: Stadt Murrhardt

Nach kuriosen Anweisungen und Entscheidungen: Stadt will Verkehrskompetenz vom Landratsamt zurückhaben.

Murrhardt/Waiblingen - Ein Fußgängerschild, bei dessen Befolgung man einen Schritt später in einer Baugrube landet. An der Ausfahrt vom Fornsbacher Waldsee auf die Landesstraße die Vorgabe „Vorfahrt achten“ – nur steht sie halt auf dem Kopf. Ein Schild auf der abschüssigen Strecke dirigiert den Fahrer nach links – nur führt die Straße eben nach rechts. Oder zwei Halteverbotsschilder, die den entsprechenden Bereich auf etwa 1,20 Meter eingrenzen. „Dort passt maximal ein aufrecht gestellter Smart hin“, scherzt Benjamin Schock, Leiter des Murrhardter Amts für Ordnung und Soziales.

Kürzlich präsentierte er dem Gemeinderat diese Fotodokumentation extravaganter Entwicklungen auf Murrhardter Gemarkung – für die allerdings das Landratsamt verantwortlich ist. Wobei Schock einräumt, dass das merkwürdige Halteverbot außerhalb der Stadt, aber im nördlichen Rems-Murr-Kreis zu finden war. Mit diesen Abbildungen wollte er seinem Vorschlag Nachdruck verleihen, dass die Stadt wieder selbst örtliche Verkehrsbehörde wird.

Diese Kompetenzen wurden im Jahr 2003 an den Landkreis abgegeben. Und „eigentlich sind wir mit deren Arbeit zufrieden, das soll keine scharfe Kritik am Landratsamt sein“, erläuterte Schock auf Nachfrage. „Wir wollen auch nicht behaupten, wir sind intelligenter – aber wir kennen die Örtlichkeiten halt besser.“ So gebe der Sachbearbeiter von seinem Waiblinger Schreibtisch aus den Auftrag an den Bauhof, „dabei hat er dann das Schild selbst nie gesehen“, weil er eben zu weit weg sei. Bürgermeister Armin Mößner ergänzt: „Wer, wenn nicht wir auf dem Rathaus, kennt sich aus auf den Straßen Murrhardts?“ Schock verweist auf die Vollsperrung der Ochsenkreuzung in der Ortsdurchfahrt im Herbst 2011. Die Stadt hatte für eine halbseitige Sperrung plädiert, doch in Waiblingen habe man „unsere Bedenken einfach vom Tisch gewischt“. Der Verkehr musste durch ein Wohngebiet umgeleitet werden, dort war alles verstopft, „das gab einen wahnsinnigen Aufstand“.

Im Landratsamt sieht man die sich abzeichnende Entwicklung nüchtern

Der Antrag zur Rückverlagerung der Kompetenzen vom Kreis ins Murrhardter Rathaus ist mittlerweile auf dem Weg zum Stuttgarter Regierungspräsidium (RP). Dort ist noch keine Entscheidung gefallen. Die Gemeinde müsse gewisse Bedingungen erfüllen, etwa „zahlenmäßig ausreichend mit versierten Fachkräften besetzt“ sein, um die Aufgabe zu stemmen, so ein Sprecher. Davon ist Schock überzeugt. „Unser Vorteil ist: Wir haben bereits Personal, das auch damals schon da war und die Rechtskenntnisse besitzt.“ Er könne sich „nicht vorstellen, warum die Stuttgarter Nein sagen sollten“.

Im Landratsamt sieht man die sich abzeichnende Entwicklung nüchtern. Es stehe der Kommune frei, den Antrag beim RP zu stellen. Zu den von der Murrhardter Verwaltung präsentierten Fotos betont Kreis-Pressesprecher Harald Knitter, dass die Schilder „nicht von Mitarbeitern unserer Straßenmeisterei“, sondern von Bauleitern der ausführenden Firmen aufgestellt worden seien. Ansonsten „sagen wir selbstbewusst, dass unsere Arbeit allen Standards entspricht und wir bei uns kein Qualitätsdefizit sehen“.

Als weitere kleinere Kommunen im Landkreis, die bereits örtliche Straßenbehörde sind – die Großen Kreisstädte wie Schorndorf, Waiblingen oder Backnang haben diese Befugnisse ohnehin –, nennt Knitter Remshalden, Korb und Leutenbach. Remshalden etwa hat diesen Status seit 1. Juli 1991. „Man fährt besser mit dem System“, sagt der Leiter des Bürgerbüros, Rainer Hackspacher. Bei allen innerörtlichen Straßen, bei der Ausweisung von Parkzonen oder Temporeduzierungen sei man „frei in der Entscheidung“. Dies zeige sich auch im Vergleich mit der Nachbargemeinde Winterbach, die immer Mitarbeiter des Landratsamt aktivieren müsse, „das kann länger dauern“. Allerdings sei der Aufwand natürlich größer, man benötige einen Mitarbeiter des gehobenen Verwaltungsdiensts, deshalb gehe es eben auch um zusätzliche Kosten.

Leutenbachs Bürgermeister Jürgen Kiesl ist ebenfalls zufrieden. Wobei aber für eine untere Straßenverkehrsbehörde auch nicht alles möglich sei, sagt er mit Blick auf die Kreishauptstadt: „Wir hätten auch gern solche Möglichkeiten wie die Waiblinger, die mit den Blitzern der neuen Radaranlage an der B 14 ihren Haushalt sanieren.“