Der Autoverkehr im Talkessel stagniert auf hohem Niveau. Foto: dpa

Die Zahl der Autos, die in den Stuttgarter Talkessel fahren, ist nur leicht zurückgegangen. Die Autofahrten bis hin an die Markungsgrenze der Stadt sind sogar mehr geworden. Doch es gibt auch positive Entwicklungen.

Stuttgart - Vor dem Hintergrund drohender Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Euronorm 3 und 4 ab 2019 hat die Stadt am Dienstag die neuesten Daten zum Verkehrswachstum präsentiert. Wesentliches Ergebnis der Zählungen für den Kesselrand aus dem Jahr 2017: Trotz eines Anstiegs der Einwohnerzahlen ist bei Ein-und Ausfahrten in den Talkessel ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Gleichzeitig steigen die Fahrgastzahlen der SSB und des VVS weiter. Es gibt allerdings auch ein paar Wermutstropfen.

Messungen an der Markungsgrenze von 2016 zeigen, dass dort der Verkehr weiter ansteigt. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Personen, die pro Auto unterwegs sind, weiter ab – offenbar eine Folge der zunehmenden Individualisierung in vielen Bereichen des Alltags und der Arbeitswelt. Der Leiter der Abteilung Verkehrsplanung im Stadtplanungsamt, der den Stadträten im Technischen Ausschuss die Zahlen vorstellte, beurteilt die Entwicklung zurückhaltend: „Angesichts des prozentual leichten Rückgangs der Ein- und Ausfahrten in den Talkessel würde ich eher von einer Stagnation sprechen.“

Allerdings lässt sich aus den Zahlen durchaus ableiten, dass es ohne das kontinuierlich wachsende ÖPNV-Angebot nicht einmal einen leichten Rückgang beim Autoverkehr gegeben hätte. Die Verkehrszählung am Kesselrand, auf die Oehler seine Daten stützt, wurde im Mai 2017 in einem Zeitraum von 16 Stunden an 21 Zählstellen vorgenommen. Demnach ergab sich gegenüber von 2015 ein leichter Rückgang um 0,9 Prozent bei Pkw und immerhin 4,6 Prozent bei Lkw. Hochgerechnet auf 24 Stunden entspricht das 3455 Autos und 593 Lastwagen weniger.

Busse und Bahnen profitieren offenbar von steigenden Einwohnerzahlen

Aufs Jahr hochgerechnet ergibt sich, dass im vergangenen Jahr rund 1,3 Millionen Ein- und Ausfahrten weniger zu verzeichnen waren als bei der letzten Zählung 2015. Gleichzeitig registrieren die SSB im Jahr 2017 einen weiteren Anstieg der Fahrten bei einer seit 2015 um 9000 auf 611 000 gestiegenen Einwohnerzahl. Anders ausgedrückt: Steigende Einwohnerzahlen schlagen sich offenbar nicht automatisch in mehr Verkehrsbewegungen auf der Straße nieder, sondern kommen eher dem ÖPNV zugute. Eine Trendwende weg vom Automobil hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist das aber noch lange nicht.

Und auch das von OB Fritz Kuhn (Grüne) ausgegebene Ziel, künftig 20 Prozent weniger Autos im Talkessel haben zu wollen, liegt noch in weiter Ferne. Dennoch: wenigstens der Anstieg des motorisierten Individualverkehrs bei steigender Einwohnerzahl scheint gebremst.

Anders verhält es sich mit den Verkehrszahlen an der Markungsgrenze: Diese wurden zuletzt im Oktober 2016 an 43 Zählpunkten rund um Stuttgart erhoben: Demnach stieg die Zahl der Autos dort gegenüber 2014 innerhalb der 16-stündigen Stichprobe um 0,7 Prozent an, die Zahl der Lkw ging um 2,7 Prozent zurück. In absoluten Zahlen aufs Jahr hochgerechnet bedeutet dies eine Zunahme der Fahrbewegungen um 6,5 Millionen seit der letzten Zählung – obwohl auch der Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) im selben Zeitraum 6,5 Millionen Fahrbewegungen mehr registrieren konnte.

Die Ratsfraktionen reagierten zurückhaltend auf die Zahlen. Einig waren sich alle Fraktionen in dem Bestreben, das ÖPNV-Angebot auch in der Region weiter auszubauen und attraktiver zu machen. Auch von der 2019 anstehenden Tarifreform mit der Reduzierung auf eine Tarifzone für ganz Stuttgart versprechen sich die Stadträte einen weiteren Schub für Bus und Bahn. CDU, Freie Wähler und FDP wollen allerdings auch den Straßenausbau und Neubau nicht vernachlässigt wissen. Die CDU plädiert zudem für die von ihr ins Gespräch gebrachten Tunnelvarianten wie den Ostheimer Tunnel oder auch die Untertunnelung der Kulturmeile.

Land erwägt Ausnahme vom Fahrverbot für nachgerüstete Euro-5-Dieselautos

Unterdessen macht die KfZ-Innung Region Stuttgart angesichts der von der Landesregierung anvisierten Fahrverbote Besitzern von Euronorm-5-Dieseln Hoffnung. Diese könnten laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ab September 2019 ebenfalls von Fahrverboten betroffen sein. Die Innung setzt bei diesen Fahrzeugen (allein in Stuttgart gibt es davon Stand 2018 rund 31 500 Exemplare, in der Region circa 183 000) auf Nachrüstung und verweist auf Aussagen des Amtschef im Verkehrsministerium, Uwe Lahl, in einem Zeitungsinterview. Demnach plant das Land notfalls im Alleingang, mit entsprechenden Bausätzen nachgerüstete Euro-5-Diesel vom Fahrverbot auszunehmen, wenn sie die Stickoxidgrenzwerte nachprüfbar einhalten. Das Land denke zudem an die Einführung eigener Grenzwerte für Euro-5-Diesel. Wenn Rechtssicherheit herrsche und die Nachrüstsätze vorhanden seien, sieht die Innung kein Problem: Die Kapazität in den Werkstätten sei vorhanden.