Im Gewerbegebiet neben dem Vaihinger Bahnhof werden viele Arbeitsplätze hinzukommen – jetzt ist zur Erschließung auch eine Seilbahn im Gespräch Foto: Leif Piechowski

Es sei ja schön, wenn der Versicherungskonzern Allianz trotz Neubauplänen Stuttgart nicht verlasse, meinen die Stadträte. Aber dieses Projekt und andere Vorhaben verschärfen die Verkehrsprobleme im Bezirk Vaihingen. Daher ist nun sogar eine Seilbahn über große Teile von Vaihingen im Gespräch.

Stuttgart - Die Grünen wollen bei der Lösung der Verkehrsprobleme neue Wege gehen – zunächst einmal im Bezirk Vaihingen. Dort könnte, meint die Ratsfraktion, eine „urbane Seilbahn“ den alten IBM-Campus am Autobahnkreuz im Westen von Vaihingen mit einem neuen Umsteigerparkhaus an der Nord-Süd-Straße östlich von Vaihingen verbinden – und dazwischen das Vaihinger Freibad, den künftigen Regionalbahnhalt in Vaihingen und das Gewerbegebiet bedienen.

Anna Deparnay-Grunenberg, Beate Schiener und Gabriele Munk (Grüne) meinen nämlich, dass absehbare Entwicklungen in Vaihingen ein übergreifendes Mobilitätskonzept erfordern. Mit der Trasse der Stadtbahnlinie U 12 im Synergiepark Möhringen/Vaihingen, die Mitte Mai eröffnet wird, sei es nicht getan, meinen auch andere Stadträte. Auch nicht mit dem angepeilten Shuttlebus durch das Gewerbegebiet. Denn Busse stünden dort vielleicht öfters im Stau.

Kuhn will Idee ergebnisoffen prüfen lassen

Eine Seilbahn im flachen Filderbezirk – das hört sich zunächst wie ein Witz an. Doch im Rathaus beurteilt man diese Idee als zumindest prüfenswert. Die Grünen-Stadträtinnen sprechen von einem „taktlosen horizontalen Paternoster“ und verweisen darauf, dass Seilbahnen auch in Städten wie London und Berlin als Problemlöser im Verkehrsbereich diskutiert werden. „Wir können die Seilbahn ergebnisoffen prüfen“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne) am Dienstag im Technikausschuss. Aber man solle sich so ein Projekt in dicht bebauten Städten nicht zu einfach vorstellen. Auch gegen solche Vorhaben gebe es Widerstände, etwa von denen, deren Grundstücke überquert würden. „Und am Ende muss es sich rechnen“, sagte Kuhn. Er werde streng darauf achten, dass das millionenschwere Defizit der Stuttgarter Straßenbahnen AG nicht weiter erhöht werde durch so ein Projekt.

Die Suche nach neuen Verkehrslösungen in Vaihingen rührt von mehreren Vorhaben her. Die Daimler AG rüste, so Stadtplanungsamtsleiter Detlef Kron, am bisherigen Gelände der Buchgroßhandlung KNV massiv auf. Daimler bestätigte auf Anfrage: „Wir haben am Wallgraben ein Grundstück gekauft.“ Dabei geht es offenbar um ein Teilgrundstück von KNV zur SSB-Zentrale hin. Zudem will die Allianz 2021 ihre Standorte an der Reinsburgstraße in Stuttgart-West (gut 2000 Mitarbeiter) und nahe dem Charlottenplatz (knapp 2000 Mitarbeiter) in Vaihingen konzentrieren, wo der TSV Georgii Allianz Stuttgart untergebracht ist. Im ganzen Gewerbegebiet werde die Zahl von jetzt 22 000 Arbeitsplätzen auf weit über 30 000 zunehmen, meinte Jürgen Sauer (CDU). Anna Deparnay-Grunenberg rechnet mittelfristig sogar mit 35 000 bis 40 000.

SÖS/Linke-Plus völlig ablehnend

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus ist schon jetzt fest entschlossen, der Allianz die Zustimmung zu verweigern und den Sportflächenbereich zu erhalten. Dass Kuhn in Sondierungsgesprächen die Allianz aufforderte, die Umwandlung des nahe gelegenen Aurelis-Geländes am Bahnhof in einen Park zu finanzieren, stimmte die linke Riege nicht um, wie Christoph Ozasek (Linke) deutlich machte. Genauso wenig das Vorhaben der Stadtplaner, zum Ausgleich für bis zu 25 Meter hohe Bauten im Sportgebiet den Schwarzbach zu renaturieren.

Die Mehrheit zeigte sich in der ersten Reaktion in diesem frühen Stadium sehr aufgeschlossen. „Eidechsen zahlen leider keine Gewerbesteuer“, sagte Jürgen Zeeb (Freie Wähler) an die Adresse Ozaseks. „Gut, dass die Allianz zu Stuttgart steht“, lobte Hans H. Pfeifer (SPD). Man stimme dem Standort zu, wenn es nach gründlicher Prüfung keine Alternative gebe. Der Stadtist Ralph Schertlen will auch zustimmen, bei der Verkehrserschließung brauche es aber einen „großen Wurf“. Kuhn brachte auf den Punkt, worum es geht. Stuttgart sei die finanzwirtschaftlich zweitstärkste deutsche Stadt nach Frankfurt am Main und noch vor München – „und Allianz ist auf dem Sektor Finanzdienstleistungen unser Kernstück“.

Allianz verwirft vier andere Grundstücke

Die Baureife für das Allianz-Grundstück werde hoffentlich 2018 erreicht sein, sagte Detlef Kron. Bis dahin wird es noch öfter um die Änderung des Flächennutzungsplans und einen neuen Bebauungsplan gehen. Erste Wünsche meldeten die Fraktionen schon an. Die CDU und die SPD haben Zweifel, ob das Aurelis-Grundstück am Bahnhof komplett Park werden sollte. Speziell der Nordteil zur Stadtbahnhaltestelle Jurastraße hin eigne sich für Wohnungsbau, so die CDU. In dem Bereich müsse eine vollständige Fußgängerunterführung unter den Bahngleisen entstehen. Die vorhandene Unterführung im südlichen Bereich müsse aufgeweitet und ein Entree zum Gewerbegebiet werden, nicht mehr auf einem Parkplatz enden. Das sehen aber alle so, auch die Verwaltung. Auf dem Aurelis-Gelände plane die Firma Bülow nun auch ein Hotel, sagte der Allianz-Projektleiter Claus Deblitz.

Die Allianz hatte das Aurelis-Gelände als Standort verworfen, weil es für ihre Zwecke schlecht geschnitten sei. Ein geprüftes Gelände im S-21-Gebiet bei den Wagenhallen wäre zu spät verfügbar, das KNV-Gelände zu teuer gewesen und der IBM-Campus für die 2500 Mitarbeiter, die Bahnen und Busse benützen, zu weit vom Hauptbahnhof weg.