Die Liststraße im Stuttgarter Süden soll verkehrsberuhigt werden. Foto: Torsten Schöll

Der Bezirksbeirat Süd betont, dass das Verkehrsberuhigungsprojekt kein Superblock wie im Stuttgarter Westen sei. Dort gibt es nämlich erbitterten Streit.

Im städtischen Haushalt wären die Mittel für die Umsetzung des seit Langem geplanten Verkehrsberuhigungs- und Begrünungsprojekts „Klein-List“ eigentlich vorhanden. Doch das Vorhaben in Stuttgart-Süd kommt nicht in die Gänge, weil es von der kontroversen Debatte über die sogenannten Superblocks in der Stadt ausgebremst wird. Der Bezirksbeirat Süd wehrt sich nun vehement gegen den Stillstand und betont: Klein-List sei kein Superblock.

 

Als 2015 eine bürgerschaftliche Arbeitsgruppe um den Architekten und Stadtplaner Heinz Lermann und den Apotheker Berthold Stelzer ein Konzept für die Umgestaltung des Straßenraums in der Quartiersmitte des Lehenviertels entwickelt, ist der Begriff „Superblock“ in Stuttgart noch weitgehend ein Fremdwort: „Begegnungszone“ nennen die Ideengeber ihr Vorhaben nach schweizerischem Vorbild. Das Grundprinzip: die Koexistenz verschiedener Verkehrsteilnehmer im Straßenraum, inklusive des Autoverkehrs, mit einem Vorrang für Fußgänger.

Kfz-Verkehr soll nicht ausgeschlossen werden

Stelzer und Lermann stellten sich für einen zentralen Bereich auf der Liststraße, etwa zwischen Römerstraße und der Straße Strohberg, eine „Multifunktionsfläche“ vor, die „grundsätzlich parkierungsfrei“ ist. Der Kfz-Verkehr sollte aber nicht ausgeschlossen werden: Auf einer verengten Fahrbahn dürfte nach diesem Konzept die Straße in Schrittgeschwindigkeit weiterhin befahren werden. Die von parkenden Autos befreiten Flächen am Straßenrand sollten mit Bäumen begrünt und künftig als Spielzonen, Sitzflächen oder auch für Marktstände zur Verfügung stehen.

Im Juli 2022 fanden in der Stadtverwaltung, so heißt es nun aus dem Bezirksbeirat Süd, hierzu zuletzt ämterübergreifende Abstimmungen zur konkreten Planung des Projekts statt. Die Planungen seien also bereits weit fortgeschritten. Die Kosten für die Umsetzung wurden auf rund 700 000 Euro beziffert. Doch seitdem rührt sich nichts mehr. Vermutlich auch deshalb, weil im Zuge der Eröffnung des Superblocks in Stuttgart-West Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) angekündigt hatte, keine weiteren Superblocks in der Stadt zu erschließen, solange dort der Versuch laufe.

Auf dem Hintergrund des Streits über den Superblock West wollen die Grünen im Bezirksbeirat deshalb nun mit ihrem Antrag hervorheben, dass zwar einige der für Klein-List vorgesehenen Elemente auch beim Konzept des Superblocks vorkommt, Klein-List aber grundsätzlich „einen anderen Weg“ gehe: Entscheidend sei, dass, anders als im Westen, der Verkehr bei der Begegnungszone Klein-List nicht umgeleitet, sondern die Straße nur „verengt und auf Schrittgeschwindigkeit herabgesetzt“ werden würde.

„Wir halten das Projekt deshalb für eine sinnvolle, zeitnah dauerhaft umsetzbare und konfliktarme Alternative zum Verkehrsversuch in Stuttgart-West“, argumentiert Bezirksbeirat Reinhard Otter (Grüne). Auf eine Evaluation des Superblocks in der Augustenstraße zu warten sei nicht sinnvoll, weil die Konzepte nicht vergleichbar seien.

Bemerkenswert: Den aktuellen Bezirksbeiratsantrag, die im Doppelhaushalt eingestellten Mittel für weitere Superblocks jetzt doch für die Umsetzung von Klein-List einzusetzen, hat das Gremium in seiner vergangenen Sitzung parteiübergreifend einstimmig angenommen. Nur ein CDU-Bezirksbeirat enthielt sich.

Anderer Charakter als der Superblock in Stuttgart-West

So betonte etwa Bezirksbeirat Karl Stahr (FDP), das Projekt solle umgesetzt werden. Auch Jens Mack (Freie Wähler) unterstrich, dass Klein-List „charmant“ sei und „einen anderen Charakter hat als der Superblock in Stuttgart-West“. Doch genau das scheint mit Blick auf den Haushaltstitel nun ein formales Problem darzustellen: Denn dass die Mittel für Klein-List von den Grünen im Gemeinderat selbst zum Zweck der Umsetzung weiterer Superblocks beantragt wurden, stellt sich jetzt offenbar als strategischer Fehler heraus. Wie Otter betont, gehe es deshalb im Antrag „um eine Umwidmung“ des bereitstehenden Geldes.

„Wir wollen mit dem beschlossenen Antrag ein starkes Votum in den Gemeinderat senden, dass wir im Süden zeitnah Begrünung, Verkehrsberuhigung und Entsiegelung wollen“, erklärte Reinhard Otter. Es müsse verhindert werden, dass die Diskussion über den Superblock das Projekt im Süden um Jahre ausbremse und die Mittel im Haushalt blockiere.