Noch gibt es im Stadtzentrum wie hier in der Bolzstraße einige Parkplätze am Straßenrand. Das muss sich aber ändern, meinen die Grünen und die SPD. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Ruf nach einer Eindämmung des Autoverkehrs im Stuttgarter Stadtkern war in Gemeinderat und Bürgerschaft zunehmend lauter geworden – jetzt machen Grüne und Sozialdemokraten in dieser Frage Tempo.

Stuttgart - Der Autoverkehr im Herz der Landeshauptstadt wird möglicherweise schneller auf Anlieger, Lieferanten und Nutzer der Parkhäuser reduziert werden als bisher gedacht. Die Grünen und die SPD im Gemeinderat sind am Dienstag mit einem im Rathaus voraussichtlich mehrheitsfähigen Antrag vorgeprescht, das Stadtzentrum innerhalb des Cityrings sehr rasch weitgehend autofrei zu machen.

Im Haushalt 2018/2019 der Stadt soll Geld für erste bauliche Maßnahmen bereitgestellt werden. Somit könnten wohl bereits 2018 die ersten der noch vorhandenen oberirdischen Stellplätze verschwinden und Platz machen für Fußgänger, Radfahrer, gemischte Verkehrsflächen, Fußgängerzonen oder auch – wie die Grünen und die SPD meinen – für kleinere Spielplätze, die es in der Innenstadt bisher zu wenig gebe. Noch vor den Sommerferien möchten die beiden Fraktionen einen Zielbeschluss herbeiführen, den ganzen Stadtkern zur Flanierzone zu vollenden. Und die Verwaltung soll den Auftrag erhalten, die Maßnahmen für eine zügige Umsetzung vorzuschlagen.

Das hohe Verkehrsaufkommen ist einer der wichtigsten Gründe für das Feinstaubproblem in Stuttgart. Sehen Sie die zehn wichtigsten Fakten dazu im Video:

Spürbar gewachsene Lust an neuer Lebensqualität

Durch Initiativen wie den Aufbruch Stuttgart fühlen sich Grüne und SPD ermuntert, auf dem Weg zu einem „modernen urbanen Lebensraum Innenstadt“ Tempo zu machen. Man fange aber nicht bei null an, sagten die Fraktionschefs Andreas Winter, Anna Deparnay-Grunenberg (beide Grüne) sowie Martin Körner (SPD). Beispielsweise in der Lautenschlagerstraße sei der Umbau bereits geschehen, das Stadtgefühl und der Einzelhandel hätten Vorteile davon. Auch weitere Absichten und Pläne seien schon vorhanden. So solle sich im Bereich Torstraße/Eberhardstraße bald etwas ändern und nach dem Hauptbahnhofbau auch in der Schillerstraße, die noch Teil des Cityrings ist. Später wird dieser über die Wolframstraße verlaufen – und dann soll nach dem Willen der Fraktionen auch die große Flanierzone bis knapp vor die Wolframstraße reichen.

Das Projekt brauche man, um Stuttgart weiter zu modernisieren und die frühere autogerechte Stadtplanung an weiteren Stellen zu überwinden, sagte Winter. Die Erfolgsgeschichte des Autos sei – Stichwort Luftqualität, Lärm und Platzverbrauch im engen Stadtkessel – zur Belastung geworden. Hinterhöfe könnten zu spannenden Ecken in der City werden, ergänzte Anna Deparnay-Grunenberg. Man wolle die spürbar gewachsene Lust an neuer Lebensqualität auch in Stuttgart haben. 100 bis 200 oberirdische Parkplätze werden zwar wegfallen, meinen die beiden Fraktionen, aber der Gewinn für Bürger und Handel werde überproportional groß sein. Wenn die Kunden sich in Stuttgart wohler fühlten, könnten die Händler besser der Konkurrenz durch den Online-Handel trotzen. Aber natürlich müsse die City erreichbar bleiben. Parkhäuser sollen daher weiter anfahrbar bleiben, allenfalls beim Auslaufen von Pachtverträgen zur Disposition gestellt werden. Daher müsse die ab Herbst 2017 geplante Erneuerung des Parkleitsystems klappen, und die Parkhäuser müssten „digitalisiert“ werden, damit realistisch freie Stellplätze angezeigt werden könnten. Nur so könne sinnloser Parksuchverkehr vermieden werden, der die City unwirtlich mache.

Exklusiv sind die Bemühungen von Grünen und SPD nicht

Für die Antragsteller spielt auch die künftige P-Linie des Busverkehrs eine Rolle, die den Wilhelmsplatz Bad Cannstatt und Stuttgarts Innenstadt verbindet, tagsüber im Fünf-Minuten-Takt den Cityring bedienen soll. So sollen auch die Besucher der Innenstadt schnell von einem Ende der City zum anderen kommen.

Exklusiv sind die Bemühungen von Grünen und SPD nicht. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus will als Teil eines Aktionsbündnisses mittels eines Bürgerbegehrens eine durchgrünte Fußgängerzone innerhalb des künftigen Cityrings herbeiführen. Mit dieser Riege könnten Grüne und SPD eine Mehrheit schaffen, wenn sie sich einigen. Es gebe einige deckungsgleiche Anliegen, erklärten Grüne und SPD. Vom langwierigen Bürgerbegehren, vom Unterschriftensammeln und von der komplizierten Formulierung einer Frage für einen Bürgerentscheid halten sie aber nichts. „Wir sind gewählte Bürgervertreter, solche Zielbeschlüsse sind unser Job“, sagte Martin Körner. „Die Zeit und die Stadt sind reif für diesen Schritt“, fügte Deparnay-Grunenberg hinzu. Anderswo habe man ihn schon getan. Natürlich werde der Widerstand nicht ganz gering sein, weil manche es gewöhnt seien, mit dem Auto in die City reinzufahren.