Die beiden Autokonzerne Daimler und BMW bündeln ihre Kräfte bei Carsharing und anderen Mobilitätsdienstleistungen fürs urbane Klientel. „Wir sind ein Start-up“, sagt Daimler-Chef Zetsche.
Berlin - Im Geschäft mit hochwertigen Automobilen sind der Stuttgarter Daimler-Konzern und der Münchner Anbieter BMW seit vielen Jahrzehnten Konkurrenten. Das soll auch so bleiben. Im zukunftsträchtigen Markt für neue Mobilitätsdienstleistungen bündeln die beiden jetzt aber ihre Kräfte und teilen sich die Kosten.
Wie die Unternehmen am Freitag in Berlin mitteilten, bringen sie ihre jeweiligen Töchter für Carsharing, Mitfahrdienste und verwandte Angebote in fünf neue Gemeinschaftsfirmen ein. Für alle soll es eine gemeinsame Dachmarke geben, mehr als eine Milliarde Euro wollen Daimler und BMW in den Verbund investieren. Die Kunden werden sich an neue Namen gewöhnen müssen – eingeführte Marken wie etwa Car2go, Drive Now, My Taxi oder Moovel sollen mit der Zeit verschwinden.
„In diesem Geschäft geht es um Wachstum“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche bei der Präsentation der Pläne. „Wir sind ein Start-up. Aber ein besonderes – eines, das von einer besonderen Position startet.“ Der BMW-Vorstandsvorsitzende Harald Krüger sagte: „Wir wollen dem Kunden die gesamte Mobilitätskette anbieten.“
Hauptsitz in Berlin
Es geht um Dienstleistungen, die durch die Verknüpfung von Verkehrsträgern und dem Internet entstehen – und die das Potenzial haben, die Mobilität in den großen Städten rund um den Globus in den kommenden Jahren von Grund auf zu verändern. Smartphone-Apps machen bereits jetzt vielerorts den Besitz eines eigenen Fahrzeugs überflüssig. Der Nutzer kann jederzeit ein Auto, ein Fahrrad oder einen Roller mieten, die günstigste Nahverkehrs-Verbindung heraussuchen, Tickets kaufen, eine Mitfahrgelegenheit buchen oder einen Parkplatz reservieren. Oft kombiniert der Verbraucher die verschiedenen Angebote. Er nutzt immer das Verkehrsmittel, das in der konkreten Situation am zweckmäßigsten ist.
Die fünf neuen Gemeinschaftsfirmen von Daimler und BMW sind Share Now (Carsharing), Park Now (Parken), Charge Now (Laden von Elektromobilen), Free Now (Mitfahrdienste) und Reach Now (Mobilitätsdienste-Plattform). Die neuen Töchter sollen eine große Autonomie gegenüber den beiden Konzernzentralen genießen. Jeder der fünf Anbieter erhält ein eigenes Management, das die Expansion im In- und Ausland vorantreiben soll.
Der Hauptsitz wird nicht in München oder Stuttgart sein. Sondern in der Bundeshauptstadt Berlin, die als eine der Gründer-Metropolen Europas gilt und auf junge, qualifizierte Arbeitskräfte aus aller Welt eine enorme Anziehungskraft ausübt. Weltweit sollen in den kommenden Jahren bis zu 1 000 neue Jobs entstehen, kündigten Zetsche und Krüger an. Die Kartellbehörden hatten die Gründung der Gemeinschaftsfirmen Ende vergangenen Jahres genehmigt.
Die 14 Vorgänger der fünf neuen Anbieter bringen nach Unternehmensangaben rund 60 Millionen Kunden mit, überwiegend aus Europa und Amerika. Der bisherige Gesamtumsatz der Firmen soll sich zuletzt auf drei Milliarden Euro summiert haben. Zetsche und Krüger wollten am Freitag nicht sagen, welche geschäftlichen Erwartungen sie an die neuen Töchter haben. Die Geschäftsführer sollen in den kommenden Monaten für jede Sparte einen Businessplan erstellen, in dem auch die Expansionsmöglichkeiten beschrieben werden. Es sei möglich, dass weitere Firmen hinzugekauft werden, hieß es.
Es geht um Präsenz
Branchen-Experten gehen davon aus, dass die neuen Mobilitätsdienstleistungen für die Autokonzerne bisher ein Zuschussgeschäft waren. Das dürften sie auch noch eine beträchtliche Zeit lang bleiben. Es geht vor allem darum, mitzuspielen in der neuen Verkehrswelt, in der Fahrdienste-Vermittler wie Uber oder Blablacar das klassische Geschäftsmodell von Autoherstellern und Verkehrsunternehmen herausfordern. Zugleich werden Tech-Konzerne wie Google und Apple zunehmend relevante Akteure im Mobilitätsmarkt und den damit verbundenen Industrie-Branchen. Man wolle „Vorreiter der Transformation sein und diese nicht vom Spielfeldrand aus beobachten“, sagte Daimler-Chef Zetsche.
Daimler und BMW wollen ihre Angebote nun in möglichst vielen Städten und Ländern verfügbar machen – in Europa wie auf anderen Kontinenten. Dabei wenden sie sich nicht nur an die Verbraucher als Kunden, sondern besonders auch an Stadtverwaltungen: Diese können auf die Dienstleistungen zurückgreifen, wenn sie beispielsweise Carsharing-Angebote fördern oder ihre Parkraum-Bewirtschaftung optimieren wollen. Viele Rathäuser stehen vor der Frage, wie der Individualverkehr sanft zurückgedrängt werden kann.
Was die beiden Carsharing-Anbieter Car2go (Daimler) und Drive Now (BMW) betrifft, so sind die jeweiligen Buchungsplattformen seit Freitag miteinander verknüpft. In einer Übergangszeit sollen die Logos beider Marken auf den Autos zu sehen sein, bis sie schließlich in der neuen Marke Share Now aufgehen. Zusammen kommen die beiden Anbieter bislang auf 20 000 Autos in 30 Städten und 13 Ländern.