Immer mehr Pendler scheuen den Arbeitsplatz in Stuttgart, weil sie sonst einen großen Teil ihrer Lebenszeit für die Fahrt in den Betrieb vergeuden. Foto: dpa

Was ist im Kampf gegen Staus wichtiger: gute Radwege oder mehr Parkhäuser am Stadtrand? Die Daten der ersten großen Analyse der Pendlerströme auf den Fildern sollen der Stadt Entscheidungen erleichtern.

Filder - Verkehrsplanung ist eine Herausforderung, vor allem auf den von Stau geplagten Fildern. Bald erhalten die Planer eine wichtige Arbeitsgrundlage, denn nun startet auf Initiative der Wirtschafts- und Industrievereinigung Stuttgart (WIV) die wohl detaillierteste und umfangreichste Umfrage über Berufspendler, die es in Stuttgart gegeben hat. Befragt werden rund 50 Firmen und deren insgesamt etwa 10 000 Mitarbeiter in den Industrie- und Gewerbegebieten Synergiepark, Step-Areal, Airport-City, Fasanenhof und Tränke, die alle an die Nord-Süd-Straße angrenzen.

Hoffnung auf rege Teilnahme

„Die Aktion beginnt jetzt, wir hoffen, dass sich noch mehr Firmen und noch mehr Mitarbeiter beteiligen, denn je mehr mitmachen, desto eher entsteht eine Verbesserung der Verkehrssituation“, sagt der WIV-Vorsitzende Günter Sabow. Die Stadt Stuttgart übernehme 40 Prozent der Kosten der Aktion, die von dem Verkehrsplanungsunternehmen SSP Consult, das Expertenwissen über den multimodalen Verkehr hat, professionell vorbereitet wurde.

Zwischen der Stadt und den Vertretern der Wirtschaft hat es nicht immer Übereinstimmung gegeben. Die Unternehmen, sagt Sabow, monierten, dass sie hoch qualifizierte Mitarbeiter verlören, weil diese keine Lust hätten, viel Lebenszeit in Staus zu vergeuden. Die Mitarbeiter kämen der teueren Mieten wegen zum großen Teil nicht aus Stuttgart, sondern aus dem Umland, unter anderem auch aus dem Raum Tübingen und Reutlingen, der schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen sei. Die Bevorzugung des Baus von Radwegen anstelle von Parkhäusern erscheine den Firmen deshalb weltfremd.

Erst Daten sammeln, dann bauen

Schließlich, sagt Sabow, habe sich die WIV mit Baubürgermeister Peter Pätzold „vernünftig geeinigt.“ Im Gemeinderat habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass die Verkehrsrumfrage wertvolle Aufschlüsse liefern könne. Deshalb habe man das Thema Verkehrsplan erst einmal bis zum vergangenen Donnerstag verschoben.

„Verständlicherweise ist der Baubürgermeister deshalb nervös geworden, weil er befürchtete, der Ausbau der Nord-Südstraße werde deshalb in Verzug geraten.“ Nun habe man sich darauf geeinigt, „dass die Vorplanung getroffen wird, unter der Maßgabe, dass das Ergebnis der Befragung berücksichtigt wird.“ Die Fraktionen im Gemeinderat hätten dem so zugestimmt. Der Grund liegt für Sabow auf der Hand: „Für ein Gebiet mit bald 40 000 Beschäftigten ist es unmöglich, dass man freihändig plant, denn es wäre peinlich, wenn viel Geld zur falschen Zeit ausgegeben würde.“

Pendleranalyse erleichtert das Planen

Verbesserungen, sagt der WIV-Vorsitzende, gebe es unter anderem nur durch den Ausbau der Nord-Süd-Straße, neue Stadtbahnlinien und besseren Radverkehr: „Wir können die Veränderungen aber nicht herbeireden, die Angebote müssen stimmen, und beim öffentlichen Nahverkehr muss vieles besser werden.“

Das Ergebnis der Umfrage, sagt Sabow, könne es den Planern erleichtern, Prioritäten zu setzen. Gegen Radwege zur Verbesserung der Infrastruktur hat er keine Einwände. Weil ihnen aber weitere öffentliche Parkplätze zum Opfer fallen würden, bezweifelt er, dass sie in der Verkehrsplanung Vorrang haben müssten. Auch deshalb ist er gespannt auf die Ergebnisse der Umfrage.

Nach Rechnung der WIV sind nämlich im Synergiepark in den vergangenen Jahren rund 5000 Stellplätze weggefallen. Aus diesem Grund müsse aus Sicht der dortigen Unternehmen der Bau eines großen Parkhauses an der Autobahn mit Shuttle-Verkehr ins Industriegebiet hinein an erster Stelle stehen.

Auch Firmen haben noch freie Stellplätze

Beim Bereitstellen von Parkplätzen sind laut dem WIV-Vorsitzenden auch die Unternehmen gefragt: „Ein relativ hoher Anteil der Firmenstellplätze wird nicht genutzt, weil die Mitarbeiter im Home-Office arbeiten oder beruflich unterwegs sind. Jetzt versucht man, diese freien Parkplätze in eine App einzuspeisen, sodass sie Lieferanten, Kunden oder auch Nichtangehörige der Firma buchen und bezahlen können.“ Vielleich könne man dieses Modell auch in Wohngegenden anwenden: „Nicht jeder private Stellplatz werde benutzt, und die Hauseigentümer könnten diese Plätze an Menschen vermieten, die dort Parkplätze brauchen.“

Die Firma SSP Consult wird die gesammelten Daten laut Sabow im August auswerten. „Damit gehen wir dann an die Öffentlichkeit und stellen das Ergebnis dem Gemeinderat vor.“