Ging es vor ein paar Jahren noch recht Bieder bei Verkaufsabenden mit Tupper im eigenen Heim zu, ändern sogenannte Toypartys dies. Foto: Symbolbild/dpa

Nicht nur Tupperware wird in Wohnzimmern verkauft, auch Liebesspielzeug wird dort gehandelt. Bei einem Vor-Ort-Besuch in Waiblingen läuft das ganz unaufgeregt ab.

Waiblingen - Die Geschichte kommt immer wieder gut an. Sie stammt von einem Bekannten, der eines Abends vor dem Haus stand, um eine Zigarette zu rauchen. Durch eines der hell erleuchteten Wohnzimmerfenster in der Nachbarschaft erblickte er eine Gruppe von Frauen, die sich um ein kleines Objekt scharte. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich dabei offensichtlich um einen Dildo handelte – bei der Nachbarin also gerade eine Party der besonderen Art stattfand. Diese Anekdote belustigt stets – und führt immer zu der Frage: Wer, bitte, besucht eine solche Veranstaltung – und warum?

An diesem Abend sitzen in Waiblingen-Neustadt bei Petra (Namen der Teilnehmerinnen geändert) zehn Frauen am Tisch. Sie sind zwischen 35 und 45 Jahre alt, von der Bäckereifachverkäuferin bis zur Beamtin – ein Querschnitt der Gesellschaft. Zwei sind Singles, der Rest ist schon seit langem liiert oder verheiratet. „War jemand von euch schon einmal auf einer Toyparty?“, will die Beraterin Renate wissen. Kopfschütteln in der Frauenrunde.

Auch Renate sieht nicht besonders verrucht aus – sie könnte genauso gut Tupperware oder Thermomixgeräte an die Frau bringen. Renate ist Bauzeichnerin, Mutter, 45 Jahre alt – und seit etwa drei Jahren Beraterin bei Amorelie, einem Sex-Onlineshop, der diese so genannten Toypartys für Sexspielzeuge veranstaltet. Angefangen habe alles damit, dass eine Freundin sie gefragt habe, ob sie schon einmal in einem Beate-Uhse-Laden gewesen sei. Renate, die ganz offen von ihrem Schrank voller Liebesspielzeug erzählt, ist in diesen Dingen nicht sehr erschrocken. Die Freundin wiederum habe sich einfach nicht in einen Sexshop getraut – „und viele der Läden sind auch wirklich schrecklich. Meistens gibt es eine große pornografische Abteilung, und viele Frauen fühlen sich unangenehm von Männern beobachtet“, erzählt Renate.

Toyparty zum Geburtstag

Die Kornwestheimerin veranstaltete deswegen an ihrem nächsten Geburtstag eine Toyparty und stieg danach selbst ins Geschäft ein. Mittlerweile hat sie in der Region Stuttgart auf etwa 200 Partys Tipps für ein aufregenderes Liebesleben weitergegeben. „Das ist einfach mein Ding. Ich finde es toll, den Frauen ganz sachlich nahe zu bringen, welche Möglichkeiten es gibt“, sagt Renate. Dass sich alles normal anfühlt, hat viel mit Renates unaufgeregter Art zu tun. Auf Petras Bügelbrett, über das noch schnell ein grünes Chiffontuch gelegt wird, baut sie einen Teil des Amorelie-Sortiments auf. Und kommt erst mal auf das Ende jedes Vergnügens zu sprechen: „Ich stell euch zunächst das Reinigungsmittel vor. Nachher merkt ihr euch das nämlich nicht mehr.“

Dann beginnt sie mit einem klassischen Vibrator. Der darf getestet werden, aber nur an Nasenspitze, Kinn oder Beckenknochen. „Das sind auch sehr empfindsame Stellen“, erklärt Renate. Der Vibrator wandert von Hand zu Hand, während Renate über die Einsatzmöglichkeiten spricht. Ein Brummen erfüllt das Wohnzimmer. „Der ist aber brutal laut“, findet Sabine. Tatsächlich erinnern Mister Big, Rabbit de luxe und Co. oft an elektrische Zahnbürsten oder gar Rasenmäher. „Je mehr Wumms er hat, desto stärker ist der Motor, und desto lauter ist der Vibrator“, erklärt Renate. Und da soll Stimmung aufkommen? Die Frauenrunde ist skeptisch. Renate erläutert die Modelle, verreibt dazwischen erwärmtes Massageöl auf den Unterarmen oder verbindet Petra mit einem schwarzen Seidenschal die Augen, packt die Handschellen aus und lässt sie die Federseite einer kleinen Gerte spüren.

Nebenher wird diskutiert, wie wohl die jeweiligen Männer auf etwaige Bestellungen reagieren würden. „Manchmal ist es ganz gut, man nimmt ein Modell, das nicht nach Konkurrenz aussieht“, rät Renate, die davon überzeugt ist, dass die gemeinsame Benutzung von Liebesspielzeug frischen Wind in eine Beziehung bringen kann. Stefanie ist sich nicht sicher, ob das für ihre Ehe auch gilt: „Meinem Mann brauche ich damit nicht nach Hause zu kommen.“ Vielleicht aber könnte der Massagestein aus Keramik ja ein Anfang sein.

Teurer Ersatz-Mann

Carola hat bereits einen Vibrator daheim. „Aber der verstaubt. Das ist nicht so mein Ding. Über den eigenen Mann geht eh nichts“, sagt sie. Und die Gastgeberin Petra muss sich über männliche Reaktionen keine Gedanken machen. Für sie als Single ist der Vibrator schlicht ein Ersatz. Und dafür greift sie auch gerne tief in den Geldbeutel. Immerhin kostet der Porsche unter den Modellen knapp 200 Euro. „Aber der ist jeden Cent wert“, verspricht Renate.

Bestellen dürfen die Frauen dann am Ende des Abends – eine nach der anderen, in der Küche. Denn Diskretion wird bei Renate großgeschrieben.