Die Gewerkschaft kämpft für den arbeitsfreien Sonntag . In Bad Cannstatt soll der Martinimarkt und der offene Sonntag zum Volksfestumzug jedoch erhalten bleiben. Foto: Ulrike Koch

Zum Martinimarkt in Bad Cannstatt dürfen nur Altstadt-Geschäfte am verkaufsoffenen Sonntag dabei sein. Dagegen gibt es Widerstand. Andererseits dürfen die Läden zum Volksfestumzug alle öffnen.

Bad Cannstatt - Nachdem sich die Stadt Stuttgart mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di doch noch über verkaufsoffene Sonntage für das laufende Jahr geeinigt hatte, schien für Bad Cannstatt Entwarnung gegeben. Denn unter den 14 Terminen, bei denen die Geschäfte in Zusammenhang mit Stadtteilfesten von 13 bis 18 Uhr öffnen dürfen, sind auch zwei prominente Cannstatter Veranstaltungen: der Volksfestumzug am 25. September sowie der Martinimarkt am 13. November.

Der Haken steckt nun im Detail. Denn die Genehmigung zur Sonntagsöffnung der Geschäfte gilt zum Volksfestumzug anlässlich der Eröffnung des Volksfestes auf dem Wasen für alle Geschäfte, von der Shopping-Mall Carré Bad Cannstatt bis zum Neckar – also auch für die an der Seelberg- und Bahnhofstraße angesiedelten Betriebe. Beim Martinimarkt beschränkt sich die Erlaubnis aber auf den Kern der Altstadt. Bei den Geschäften an Seelberg- und Bahnhofstraße sowie im Carré Bad Cannstatt müssen deshalb die Pforten geschlossen bleiben.

Traditionsveranstaltung, die viele anzieht

Dagegen läuft nun die Werbegemeinschaft „Die Altstadt Bad Cannstatt“ Sturm, die den Martinimarkt organisiert: „Das geht gar nicht. In dieser Form ergibt das keinen Sinn“, sagt Dirk Strohm, der Vorsitzende des Vereins, und fügt hinzu: „Ich will nicht den Kopf hinhalten für eine Veranstaltung, mit der wir uns blamieren. Wie sollen die Leute verstehen, dass das jetzt nur auf die Altstadt beschränkt ist? Wir sind doch froh darüber, dass die Verbindung vom Carré zum Neckar funktioniert. Und nur weil dieser Strom läuft, wurde ja die Seelbergstraße verbreitert. Ich kenne niemanden, der diese Entscheidung versteht“, stellt Strohm fest.

Nach der gesetzlichen Lockerung der Ladenöffnungszeiten im Jahr 1990 hatte der Verein schon im Jahr darauf den Martinimarkt im Verbund mit dem verkaufsoffenen Sonntag ins Leben gerufen. Deshalb sei das inzwischen „eine Traditionsveranstaltung, die auch Menschen aus dem weiteren Umfeld anzieht“, erklärt Strohm und ergänzt: „Wir haben die Kriterien zur Genehmigung erfüllt und uns immer an die Vorschriften gehalten. Jetzt werden wir dafür bestraft, dass in der Innenstadt andere auf diesen Zug aufspringen. Das kann nicht sein.“ Im Prinzip sei er für den Schutz des Sonntags, sehe auch die Probleme für die Beschäftigten im Zusammenhang mit langen Öffnungszeiten.

Anti-Werbung für Cannstatt

In diesem Fall aber würden „Äpfel mit Birnen verglichen“: „Eine traditionelle Veranstaltung wie der Martinimarkt kräftigt das Image von Bad Cannstatt, stärkt den Standort und sichert Arbeitsplätze. Außerdem bekommen die Arbeitnehmer einen Zuschlag. Ich wüsste nicht, dass sich je ein Mitarbeiter beschwert hätte.“ Brisant sei übrigens auch, „dass viele betroffene Geschäfte noch gar nichts wissen von der Einschränkung“. Angesichts der Lage hat sich der Vorstand des Vereins am Mittwochabend zu einer Krisensitzung getroffen, in der Strohms Position bekräftigt wurde: „Wir wollen das so nicht hinnehmen“, erklärte Strohm am Morgen danach. „Die gekappte Öffnung wäre Anti-Werbung für Cannstatt. Wir haben beschlossen, alles zu tun, um doch noch eine Sonntagsöffnung im bisherigen Umfang zu erreichen.“ Dazu sei die Abteilung Wirtschaftsförderung „im Gespräch mit der Gewerkschaft“.

Flankierend werden nun Unterschriftenaktionen gestartet, „um die Dringlichkeit unseres Anliegens zu unterstreichen“. Erste Adressaten sind die aktuell ausgeschlossenen Geschäfte. Strohm fasst zusammen: „Wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.“

Der Kampf des Altstadt-Vereins bleibt dem Volksfestverein erspart, denn zum Volksfestumzug dürfen alle Geschäfte zwischen 13 und 18 Uhr öffnen: „Wir hätten den Umzug natürlich auch im gegenteiligen Fall gemacht. Aber so ist es doch viel besser“, sagt Robert Kauderer erfreut. Er ist erste Vorsitzende des Vereins und meint: „Es wäre eine Dummheit, wenn die Achse der Geschäfte an dem Tag geschlossen bliebe. Da haben doch auch die Besucher etwas davon.“ Und für Cannstatt wäre es „eine vertane Chance, denn da stehen einige zehntausend Leute rum.“ Die offenen Geschäfte gehörten zum Umzug: „Das ist auch eine Tradition. Und die Gelegenheit zum Bummeln, steigert doch auch das Flair des Volksfestsonntags“, sagt Kauderer, auch wenn er das prinzipielle Anliegen der Gewerkschaft versteht: „Das kann man denen nicht verübeln, das ist deren Job“. Gleichwohl stellt er hinsichtlich des Festsonntags fest: „Es ist besser für alle Seiten, dass da doch noch Vernunft eingekehrt ist.“