Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wird für einen Ministerposten in Berlin gehandelt. Foto: dpa

Die Sondierungen in Berlin sind auch ein Gradmesser, welche Politiker auf- und absteigen. Auffällig ist, dass die CDU in der Sozialpolitik auf ein neues Gesicht setzt. Bei der SPD dürfen alle bisherigen Groko-Minister nicht mitverhandeln.

Berlin - Sondierungen sind immer auch ein Spiegelbild, welche Politiker hoch im Kurs stehen und wer in der Gunst verloren hat. Die Erfahrung lehrt, dass manchen Entsandten, die Arbeitsgruppen vorstehen, später von den Parteichefs ein Ministeramt angeboten wird. Die Besetzung der Arbeitsgruppen zeigt, dass die Partei- und Fraktionsvorsitzenden in Berlin auch auf neue Köpfe setzen. Im Gegenzug können Minister, die in den vergangenen vier Jahren für die große Koalition standen, nicht sicher sein, erneut ins Rennen geschickt werden. Ein Blick auf mögliche Auf- und Absteiger.

Kramp-Karrenbauer bringt sich in Stellung

Nicht zu übersehen ist, dass die Union die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer in den Vordergrund schiebt. Seit einiger Zeit wird in Berlin die 55-jährige CDU-Politikerin aus dem kleinen Saarland für große Aufgaben in Berlin gehandelt. Manche sehen sie sogar als Merkel-Nachfolgerin. Doch bisher ist sie bundesweit wenig bekannt. Vieles deutet darauf, dass „KK“ auf Bundesebene stärker in Erscheinung treten soll. Anzeichen dafür ist, dass Kramp-Karrenbauer für die CDU gleich zwei Arbeitsgruppen in den Sondierungen führt: Sie koordiniert für die Verhandlungen die Sozial-, Renten- und Gesundheitspolitik. Die eloquente Frau ist als künftige Arbeits- und Sozialministerin im Bundeskabinett gut vorstellbar. Dieses Ressort leitete sie früher schon als Landesministerin im Saarland. Außerdem steht die Unionsfrau dem CDU-Verhandlungsteam zur Familienpolitik vor. Auch als Familienministerin könnte sie antreten.

Gröhe hat das Nachsehen

Das Nachsehen hat der geschäftsführende Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Während der Jamaika-Sondierungen hielt er für die Union die Fäden in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zusammen. Nun rückt Gröhe auf den zweiten Platz. Er ist in der Arbeitsgruppe für Soziales Kramp-Karrenbauers Stellvertreter. Dass er nicht mehr der Chefverhandler ist, dürfte ihm kaum gefallen.

Strobl geht gestärkt aus Sondierungen hervor

Das Schicksal teilt Gröhe mit seinem Kabinettskollegen und Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der befürchten muss, dass der bayerische Innenminister Joachim Herrmann künftig Chef des Innenresorts wird. Herrmann verhandelt auf diesem Gebiet federführend für die Bayern. Das CDU-Team zur Innenpolitik leitet der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl. Er geht gestärkt aus den Sondierungen hervor. Denn Strobl ist zugleich auch der Chefverhandler für Wirtschaftspolitik und Digitalisierung. Schon in den Jamaika-Verhandlungen war er für die Wirtschaftsthemen verantwortlich.

Sondierungen sind auch eine Chance für Politiker aus der zweiten Reihe, ihr Verhandlungsgeschick unter Beweis zu stellen. Joachim Pfeiffer, CDU-Politiker aus dem Südwesten und wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gehört dem Leitungsteam zur Wirtschaftspolitik an. Mit seiner Berufung macht die Unionsfraktion klar, dass sie mitreden will. Daniel Caspary, CDU-Europaabgeordneter aus Nordbaden, lotet für die CDU die Chancen für eine gemeinsame Europapolitik aus.

Schwesigs Einfluss in der SPD steigt

Die baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Katja Mast koordiniert für die SPD die Familienpolitik. Sie steht der Chefverhandlerin Manuela Schwesig zur Seite, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Schwesigs Einfluss in der Partei ist gestiegen. Ablesen lässt sich das auch daran, dass sie für die Sozialdemokraten zwei Themenfelder leitet: Sie kümmert sich neben der Familien- auch um die Bildungspolitik.

Gabriel gehört zu den Absteigern

Zu den Absteigern gehört bei der SPD der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel. Der geschäftsführende Vizekanzler ist an den Sondierungen nicht beteiligt. Die verordnete Enthaltsamkeit gilt zwar für alle SPD-Minister. Dies ist ein Zugeständnis an die vielen Gegner einer großen Koalition in der SPD. Gabriel leidet unter diesem Bedeutungsverlust besonders. Er versucht nun von der Seitenlinie aus, Einfluss auf die Sondierungen zu nehmen – etwa mit Interviews zur Europapolitik. Dass der Rat des Konstrukteurs der letzten Groko überhaupt nicht mehr gefragt ist, zeigt die Distanzierung seiner Partei. „Sigmar Gabriel hat seine Chance gehabt“, meint einer aus der Parteiführung.

Seehofer freut sich auf Berlin

Wie gefallene Helden auferstehen, demonstriert dagegen die CSU. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer freut sich nach seinen eigenen Worten immer, wenn er in Berlin weilt. In der Hauptstadt könnte er künftig wieder mehr Zeit verbringen. Als Parteivorsitzender entscheidet er am Ende der Regierungsbildung darüber, wen die CSU als Minister vorschlägt. Es wird schon darauf gewettet, dass Seehofer in einer Groko wieder ins Kabinett eintritt. Er könnte dies damit begründen, den Einfluss der CSU in Berlin stärken zu wollen. Im Vergleich zur Regierungsbildung vor vier Jahren hat der Einfluss der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner dagegen abgenommen. Chefsondierer der CSU in Sachen Wirtschaft ist Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Neben Aigner stehen ihm auch der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zur Seite. Ramsauers Comeback ist wenig wahrscheinlich. Die Berufung in die Sondierungsgruppe steht nicht immer für einen Karriereschub.