Annelies Hugendubel hatte die Idee zum berühmten Schild „Vergiss nicht deinen Hugendubel“. Foto: /Regine Hugendubel

Über Jahrzehnte fuhr in Stuttgarts Straßenbahnen ein heute legendäres Schild mit: „Vergiss nicht deinen Hugendubel“. Der Werbecoup stammte von Annelies Hugendubel. Sie wird 105 Jahre alt und erinnert sich, wie ihr die Idee zum berühmten Schild kam.

Im Alter von Ü 100 ist dieser großartige Humor ein Segen! Als Annelies Hugendubel kürzlich neue Zähne bekam, teilte sie ihren verblüfften Töchtern mit: „Mit denen kann ich jetzt ins Gras beißen!“️

Dies wird sie hoffentlich noch lange nicht. Selbst rechnet die vor guter Laune sprühende Dame auch gar nicht damit. „Warum sollte ich auch sterben?“, fragt sie mit einem verschmitzten Lächeln, „ich bin doch so gesund.“ Am nächsten Freitag wird sie 105 Jahre alt. Ja, wirklich, dies ist kein Schreibfehler. In Worten: Einhundertfünf!

Hugendubel war die drittgrößte Schirmfabrik in Deutschland

Ihr Nachname hat in Stuttgart noch immer einen guten Klang, obwohl es das Unternehmen seit 1999 nicht mehr gibt. Die Konkurrenz aus Asien war damals zu groß geworden. Hugendubel, 1833 vom damaligen Hofschirmlieferant des letzten Königs von Württemberg gegründet, war in den besten Zeiten die drittgrößte Schirmfabrik in Deutschland mit 100 Mitarbeitern auf vier Produktionsetagen an der Hirschstraße.

Als man in Stuttgart noch mit Regen Geld verdiente, kannte jedes Kind, das lesen konnte, einen Spruch: „Vergiß nicht deinen Hugendubel.“ Damals schrieb man die Befehlsform von vergessen noch mit ß. Über fünf Jahrzehnte lang fuhr das Schild mit dem netten Schaffner, der sich aus einem gelben Siebener mit einem rotem Schirm weit hinauslehnt, in allen Straßenbahnen mit. 1999, zum Ende der Firma, verschwand es für immer, ist aber dennoch unvergessen.

Horst Hugendubel war bekannt für originelle Werbekampagnen

1942, als die Frau des Firmenchefs hörte, dass sich in der Fundsachenstelle der Stuttgarter Straßenbahnen massenhaft Schirme anhäuften, war ihr der Werbespruch eingefallen. „Vergiß nicht deinen Hugendubel“. Es war auch Werbung für die Straßenbahn mit freundlichem Personal. So nett waren Stuttgarts Schaffner, als es noch welche gab.

Ihre Tochter Regine Hugendubel ist als „Knirps“ geboren, wie sie sagt. Ihr 1969 verstorbener Vater Horst Hugendubel, der Schirmfabrikant, war ein Visionär seiner Zeit. Bekannt war er für seine originellen Werbekampagnen und für seine Tierliebe. „Seit den 1950ern hatten wir Bulldoggen daheim“, erzählt die Tochter, „sie bekamen immer Hundenamen, die vom Familiennamen abgewandelt waren: Hugi, Hugiline oder Dubi.“ Eine Bulldoge – wen überrascht es? – schmückt das Firmenlogo. Im Maul hält der Hund einen Stockschirm.

Manchmal nahm ihr Vater seine Bulldogge samt Affe Fips und Papagei Lora – auch die gehörten zur Familie – in seinen Schirmladen mit. „Die haben die Kunden unterhalten“, erinnert sie sich. Bekannt waren auch die Lieferwagen mit der Bulldogge auf dem Dach. Davon gab es eine Flotte, denn die Stuttgarter belieferten einst den Schirmfachhandel in Deutschland. Eigentlich müsste Regine Hugendubel ihre Familiengeschichte aufschreiben, was ein Bestseller bei den Verwandten werden könnte. Der Bruder ihres Urgroßvaters, in Stuttgart geboren, ist der Gründer der Münchner Buchhandlungskette Hugendubel.

In Stuttgart ist Hugendubel zum Synonym von Schirm geworden

Heute lebt Annelies Hugendubel bei ihrer Tochter in Bonlanden. Ihren Mann, der jetzt 114 Jahre alt wäre, lernte sie 1941 im Café Königsbau kennen. In der Firma arbeitete sie mit, war etwa für Kollektionsvorlagen zuständig und besuchte Textilmessen – obwohl sie keine Beziehungen zu Schirmen hatte, wie die bald 105-Jährige sagt: „Ich hab’ selten einen getragen. Entweder bin ich untergestanden oder nass geworden.“ Wer so ein stolzes Alter erreicht, kommt um eine Frage nicht rum: Wie wird man so alt? Die Antwort lautet: „Kein Nikotin, wenig Alkohol, fettarm, sparsam. Dazu kommt eine positive Lebenseinstellung.“ Als Annelies Hugendubel für die Zeitung fotografiert wird, sieht sie „zehn Jahre jünger“ aus, sagt die Tochter.

In Stuttgart ist Hugendubel zum Synonym von Schirm geworden. Die heutigen Schirme sind in großer Mehrheit made in Fernost. In Europa gefertigte Meisterware kostet 100 Euro pro Exemplar aufwärts. Und dann lässt man das hochwertige Stück in der Stadtbahn liegen! Schon lange gibt’s dort keine Warnschilder mehr, an den Schirm zu denken. Asiatische Namen lassen auch nur schwer aussprechen.