Günther Oettinger fühlt sich dem VfB Stuttgart von Kindesbeinen an verbunden. Er kann sich ein Engagement beim Bundesligisten vorstellen. Foto: Pressefoto Baumann

Nach Cem Özdemir ist auch der CDU-Politiker Günther Oettinger ein Kandidat für den Aufsichtsrat des VfB Stuttgart. Die Gespräche laufen – aber was spielt sich hinter den Kulissen noch ab?

Stuttgart - Der VfB Stuttgart wird politisch. Zumindest könnte im Aufsichtsrat der ausgegliederten AG des Fußball-Bundesligisten ein neues grün-schwarzes Bündnis auf vereinspolitischer Ebene zusammenfinden. Denn nach Cem Özdemir (Grüne) ist auch Günther Oettinger (CDU) offenbar ein Kandidat für das höchste Kontrollgremium des VfB.

 

Wie berichtet, plant der Präsident Claus Vogt, den Bundestagsabgeordneten Özdemir in den Aufsichtsrat berufen zu lassen. Und auch mit dem früheren Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg (2005 bis 2010) hat sich der Vereinschef bereits ausgetauscht. Das Gespräch fand vor Längerem statt, aber Oettinger signalisiert noch immer die grundsätzliche Bereitschaft, sich einzubringen. „Der VfB ist von Kindesbeinen an mein Herzensclub. Mein Sohn hat zudem jahrelang in der VfB-Jugend gespielt. Ich verbinde mit dem VfB auch viele schöne Stunden im Stadion. Wenn der Verein nun also glaubt, ich könnte ihm auf irgendeine Weise helfen, dann bin ich auf ehrenamtlicher Basis dazu bereit“, sagt der 67-Jährige.

Wie ist das mit der Präsidentenfrage?

Seit dem Ausscheiden aus der EU-Kommission im Herbst 2019 ist Oettinger als Berater tätig. Und viel auf Achse ist er zwischen Frankfurt und München, wo der ehemalige Spitzenpolitiker zahlreiche Mandanten hat. In Stuttgart hält er sich trotz seines Wohnorts im Norden der Republik häufig auf. Viele Verbindungen pflegt Oettinger ohnehin. Beim VfB gibt es sogar zahlreiche Mitglieder, die den einstigen Landesvater lieber auf dem Präsidentenstuhl sähen als im Aufsichtsrat. Doch das passt nicht in die Lebensplanung des langjährigen EU-Kommissars (Energie, Digitalwirtschaft, Finanzplanung und Haushalt). Entsprechende Anfragen hat er stets abgelehnt. Eine Aufgabe im Präsidium kommt ebenfalls nicht infrage, weshalb der Aufsichtsrat bleibt.

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Im Kontrollgremium der AG sind nach den Rücktritten von Bernd Gaiser und Hermann Ohlicher nun insgesamt drei Plätze frei, da eine Stelle für den potenziellen zweiten Investor freigehalten wurde. Doch die Suche nach einem weiteren Geldgeber stockt, zumal sich der VfB in den vergangenen Monaten des Machtkampfs zwischen Vogt und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger nicht nur imagemäßig von seiner dunklen Seite gezeigt hat.

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In Oettinger hofft Vogt offenbar jemanden vorschlagen zu können, der gerade mit Blick auf zusätzliche Investoren weiterhelfen könnte. Öffentlich äußern möchte sich der Präsident jedoch nicht. Es laufen interne Gespräche, und Vogt ist bemüht, Personen mit Know-how und Netzwerken für den VfB zu gewinnen. Zu diesem Kreis zählt Özdemir, der schon bald in den Aufsichtsrat kommen soll.

Entschieden wird das in der Hauptversammlung der AG durch die Vertreter der Anteilseigner VfB (88,25 Prozent) und dem Ankerinvestor Daimler (11,75 Prozent). Rainer Adrion wurde vor einem Jahr zuletzt berufen – auf Initiative von Vogt, um die Sportkompetenz zu stärken. Dass er in Özdemir den nächsten Verbündeten in das Kontrollgremium holt, um seine Position als Aufsichtsratsvorsitzender zu stärken, weist Vogt zurück. Dennoch gibt es aus den VfB-Gremien kritische Stimmen zur neuen politischen Linie des VfB. Denn seit dem Rückzug des mittlerweile verstorbenen Ehrenpräsidenten und langjährigen CDU-Politikers Gerhard Mayer-Vorfeld hieß es: Wir wollen politisch neutral bleiben und uns keine strittigen Themen oder Wahlkämpfe in den Club holen.

Wie ist das mit dem Daimler-Engagement?

Jetzt verspricht sich Vogt einen Mehrwert von Politikern. Özdemir gehörte zuletzt zur Task-Force des Ligaverbands DFL, die sich mit der Zukunft des Profifußballs beschäftigte und 17 Handlungsempfehlungen ausarbeitete. Der 55-Jährige sitzt zudem im Vereinsbeirat des FC Playfair, der von Vogt gegründet wurde und Faninteressen vertritt. Für den VfB hat sich Özdemir noch nicht engagiert, wohl aber zuletzt in Berlin als Mitglied des VfB-Fanclubs im Bundestag. Er betrieb Lobbyarbeit für Vogt in puncto Terminierung der Mitgliederversammlung.

Inhaltliche Doppelpässe zwischen Vogt und Özdemir befürchtet im Aufsichtsrat deshalb Wilfried Porth, der Vertreter des Ankerinvestors Daimler. Aber nicht nur er schaut kritisch auf die Entwicklungen, zumal der VfB nicht nur vereinspolitisch, sondern auch wirtschaftlich in einer Krise steckt. Seit der Coronapandemie fehlen Millionen von Euro an Einnahmen, und im März läuft wichtiger Kredit aus.

Herausforderungen gibt es also genug beim VfB, und intern wächst die Sorge, dass Daimler sein finanzielles Engagement beim VfB reduzieren könnte. Denn jenseits der Ausgliederung hat der Konzern für sein mächtiges Invest – insgesamt etwa 100 Millionen Euro in den vergangenen zwölf Jahren – nicht viel mehr bekommen als zwei Abstiege und Ärger.