Die Alte Scheuer (Mitte) ist ein beliebter Veranstaltungsort. Über die Höhe der Mietpreise herrscht Uneinigkeit. Foto: Judith A. Sägesser

Beim Förderverein Degerloch liegen nach wie vor Spannungen in der Luft. Vergangene Woche hat der zweite Vorsitzende eine Mitgliederversammlung abgebrochen. Der Vorstand konnte nicht neu gewählt werden.

Degerloch - Udo Strauß sagt, er habe ganz schön was zu hören gekriegt am vergangenen Donnerstag bei der Mitgliederversammlung des Fördervereins Degerloch. „Ich wurde übel beschimpft, als Zerstörer, als Kaputtmacher“, erzählt der Vorsitzende der Naturfreunde. Die Sitzung war kurz. „Die Veranstaltung ist geplatzt“, sagt Strauß. Der zweite Vorsitzende Joachim Adis hat nach etwa einer halben Stunde abgebrochen.

Beim Förderverein liegen nicht erst seit vergangener Woche Spannungen in der Luft. Schon vor Monaten ist eine Debatte darüber entbrannt, ob Vereine für die Alte Scheuer gleich viel Miete bezahlen müssen, wie Privatleute: unter der Woche pro Tag 550 Euro inklusive Nebenkosten, Endreinigungspauschale und Mehrwertsteuer und entsprechend 750 Euro für einen Tag am Wochenende.

Die Alte Scheuer ist für viele zu teuer

Eine Gruppe örtlicher Vereine verlangt einen vergünstigten Preis, weil die Alte Scheuer ansonsten für manche von ihnen unbezahlbar wäre. „Der Wein-, Obst- und Gartenbauverein Stuttgart-Degerloch muss ein Drittel eines Jahresmitgliedsbeitrags allein für den Mitgliedsbeitrag beim Förderverein und die Saalmiete für eine einzige Veranstaltung aufwenden“, schrieben sechs Vereine im Mai in einem Brief an den Förderverein. „Der VdK sogar die Hälfte.“ Doch die Vereine brauchen die Alte Scheuer. Aufgrund mangelnden Brandschutzes sind viele Veranstaltungen der Vereine im Treffpunkt Degerloch nicht mehr möglich. Es braucht eine Alternative. „Die Alte Scheuer ist ein zentral gelegener und barrierefreier Veranstaltungsort mit kompletter Technik“, steht in dem Brief.

Aus der Debatte um die Miete wurde ein Streit, und der ist offenbar nach wie vor nicht ausgefochten. Anders ist die jüngste Auseinandersetzung, von der mehrere Teilnehmer berichten, nicht zu erklären. Wobei sich der neueste Zwist vordergründig an einer Formalie entzündet hat.

Wortgefecht nach Wortmeldung

In der Einladung habe gestanden, dass der erste und der zweite Vorsitzende gewählt werden sollen, sagt Udo Strauß. Die Satzung verlange aber, dass der gesamte Vorstand alle zwei Jahre gewählt wird, also auch der Kassierer und der Schriftführer. Genau so und nicht anders müsse dies angekündigt werden.

Strauß hat kurz nach Beginn der Mitgliederversammlung auf den Formfehler hingewiesen. Was folgte, war laut Erzählungen ein Wortgefecht.

Mit dabei war Albert Raff, in Degerloch bekannt für seine Liebe zu historischem Bildmaterial. Es sei turbulent zugegangen, bestätigt er. „Aber der Einwand von Udo Strauß war richtig. Da gibt es überhaupt keine Diskussion.“ In der Satzung stehe, dass der gesamte Vorstand alle zwei Jahre neu gewählt werden müsse. „Ich kann nicht gegen die Satzung arbeiten“, sagt Raff.

Der Posten des ersten Vorsitzenden ist vakant

Joachim Adis, der zweite Vorsitzende des Fördervereins, räumt den formalen Fehler ein. „Dem muss man stattgeben“, sagt er. Die Vorbereitung der Sitzung sei recht hektisch gewesen. „Es musste schnell gehen, da ist das einfach passiert.“ Dass die Sitzung vergangene Woche eskaliert ist, würde er so nicht unterschreiben. Und auch an Beschimpfungen kann er sich nicht erinnern. „Vielleicht bin ich auch ein bisschen härter im Nehmen“, sagt er. Grundsätzlich wolle er die gesamten Unstimmigkeiten nicht zu hoch hängen. „Ich glaube, es wird schlechter geredet, als es ist.“

Adis ist im Moment der Kopf des Vereins mit 97 Mitgliedern. Der Posten des ersten Vorsitzenden ist vakant. Rolf Walther Schmid ist im Juli zurückgetreten. Anlass war dem Vernehmen nach die Kritik an seiner Amtsführung. Adis will für Schmids Nachfolge kandidieren. Für den Vize hat sich Götz Bräuer, CDU-Sprecher im Bezirksbeirat, interessiert gezeigt. Bräuer will Frieden stiften, einen Kompromiss finden in der Mietzinsfrage, sagt er. Deshalb habe er sich bereit erklärt. „Aber nicht als Prügelknabe, wenn die Vereine aneinander hochgehen“, sagt Bräuer.

Es sei korrekt, dass Vereine gleich viel Miete zahlen müssen wie Privatpersonen, das sei mittlerweile juristisch wasserdicht. Bräuer schlägt vor, dass der Förderverein zum Teil Veranstaltungen in Kooperation mit einem anderen Verein machen könnte, dann müsste dieser andere Verein dank Förderung weniger Miete bezahlen.

Von der Debatte und dem abrupten Ende bei der Versammlung sei er überrascht gewesen, sagt Bräuer. Es sei „sehr unsachlich“ zugegangen. Statt gewählter zweiter Vorsitzender zu sein, tummelte er sich um 21 Uhr beim Late-Night-Shopping an der Epplestraße. „Es ist für mich unverständlich, wie sich die Vereine so hochschaukeln können“, sagt er am nächsten Tag.

Brigitte Kunath-Scheffold, die Degerlocher Bezirksvorsteherin, war am vergangenen Donnerstag ebenfalls in die Alte Scheuer eingeladen. Sie habe „für das Gespräch und die sachliche Ebene geworben“, sagt Kunath-Scheffold. „Darauf wurde sehr emotional reagiert.“

Mit dem Knatsch um die Alte Scheuer ist die Degerlocher Bezirksvorsteherin bestens vertraut. Zweimal hat sie bereits versucht, mit Mediation die Fronten aufzuweichen. „Ich sehe mich als Mittlerin, wenn es im Stadtbezirk Dissonanzen gibt“, sagt sie. Nach Donnerstag steht fest: Bei dieser Dissonanz scheint die Harmonie noch nicht in Hörweite.