Nicht erst seit Corona fehlt vielen Chören der Nachwuchs. Doch die Pandemie hat die Situation verschärft. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Keine Proben, keine Trainings, kein Miteinander: Das Ehrenamt hat unter der Pandemie gelitten. Dem Liederkranz Heumaden etwa ist der Nachwuchs abhanden gekommen. Auch anderswo ist die Luft raus.

Endlich singen! Im Februar haben nach langer Corona-Pause beim Liederkranz Heumaden die Proben wieder begonnen. Anfangs unter erschwerten Bedingungen, mit Maske und viel Abstand, mittlerweile läuft der Normalbetrieb, sagt Margot Roubicek, die Vorsitzende. Allerdings: Dem Verein sind durch Corona die Nachwuchssänger abhanden gekommen. Dabei hatte der Verein seit 2017 viel getan, um junge Chöre aufzubauen, etwa durch eine Kooperation mit der Grundschule. Bis zu 50 Kinder hatte man zeitweise um sich geschart – keine 20 sind es nun. „Zum Teil sind sie noch Mitglieder, aber sie kommen nicht, weil die Eltern Angst haben“, sagt Margot Roubicek. Andere hätten schlicht neue Hobbys gefunden. Konsequenz: In den Proben säßen im Extremfall nur ein, zwei Kinder.

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Corona hat dem Ehrenamt geschadet. Mal mehr, mal weniger. Die Pandemie hat etliche Vereine Mitglieder gekostet. Auch um die Motivation ist es nach der langen Zäsur mitunter schlecht bestellt. Dem Liederkranz Plattenhardt etwa fehlen ebenfalls seither einige seiner erwachsenen Sänger, berichtet die Vorsitzende Ingeborg Weiland, einen Jugendchor habe man ohnehin schon lang nicht mehr gehabt. „Manchen ist es noch zu heikel, grad vor dem Singen hat man ja lang gewarnt“, sagt sie, andere Sänger hätten sich nach der langen Auszeit umorientiert. Das eine sind die Proben, das andere ist das Anpacken. Würstlebrater oder Aufbauhelfer für Feste zu finden, damit tun sich viele Clubs ohnehin schwer. Corona hat das Problem verschärft. „Die Vereine sind geschwächt durch die Krise“, sagte der Vorsitzende des Vereinsrings Bonlanden, Joachim Gädeke, jüngst im Gespräch mit unserer Zeitung. Bernd Neumeister, Vorsitzender des Pendants in Harthausen, bestätigte, dass es ein Tief gibt. „Corona hat allen Vereinen geschadet“, sagte er. „Die Luft ist raus.“

Sportvereine haben weniger zu klagen

Nicht überall hat die Pandemie die Jugendarbeit indes einknicken lassen. Wohl auch deshalb, weil etwa Sportclubs vom Nachwuchsschwund, der seit Jahren im Ehrenamt um sich greift, weniger stark betroffen sind als Gesangsvereine. So hat sich der Corona-Durchhänger bei den Neuanmeldungen im SV Sillenbuch mittlerweile normalisiert, berichtet Jochen Weiß, der Geschäftsführer, „die Kindersportangebote laufen eigentlich sehr gut“. Für den Leichtathletikclub LAC Degerloch berichtet der Vorsitzende Arno Freudenberger ebenso von Zulauf: „Wir bräuchten eher mehr Trainer und Trainingszeiten.“ In den vergangenen Jahren habe man die Zahl der Sieben- bis 18-Jährigen auf etwa 150 steigern können. Es gebe nicht so viele Leichtathletikvereine, außerdem habe man im Gegensatz zu Chören weniger lang pausieren müssen in der Pandemie. „Wir haben geschaut, dass wir so lang wie möglich draußen geblieben sind.“

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Heike Holtmann, die Vorsitzende der Stadtkapelle Leinfelden, kennt das Problem fehlender Hände bei Festen, und sie bestätigt, dass es sich seit Corona zugespitzt hat, denn „unsere Helfer sind in den zwei Jahren alle älter geworden“. Immerhin: Musiker verloren habe der Verein in der Pandemie nicht. Auch der Nachwuchs sei geblieben, dafür sei viel getan worden. So hatte der Verein ein Videoprojekt auf die Beine gestellt, „wir hatten zeitweise ein richtiges kleines Tonstudio“, auch Onlineunterricht fand statt. Sich modern zu präsentieren, das sei gerade für Musikvereine wichtig. „Wir wollen uns ganz bewusst abheben von diesem altmodischen Image“, sagt sie. Mit Erfolg. Durch Kooperationen mit der Musikschule freue sich die Jugendkapelle nun über Neuanmeldungen.

Chorvereine gehen finanziell in Vorleistung

Der Liederkranz Heumaden will im Jugendbereich mit zwei jungen neuen Chorleiterinnen und kreativen Ideen punkten, etwa durchs Dichten eigener Lieder. „Wir gehen finanziell massiv in Vorlage“, sagt die Vorsitzende. Die Dirigentenhonorare würden nicht durch die Beiträge gedeckt, aber das seien Investitionen in die Zukunft. Allerdings: Margot Roubicek sieht neues Ungemach am Horizont. Die Kooperation mit der örtlichen Grundschule laufe aus, und dort gebe es Bestrebungen, einen eigenen Schulchor zu gründen. „Dann haben wir ein Riesenproblem“, sagt sie. Parallel könnten beide Ensembles nicht existieren, glaubt sie. „Da gräbt man sich das Wasser ab.“

Info: Die Nachwuchschöre des Liederkranzes Heumaden treten sowohl am 19. Juni beim „Chorcafé“ (Beginn: 15 Uhr) als auch am 24. Juli bei der „Happy Hour“ (Beginn: 16 Uhr) im Gemeindehaus der Kirche Alt-Heumaden auf.