Kuno Lust (links) und Ingo R. Isert Foto: Horst Rudel

Der Bessarabiendeutsche Verein engagiert sich in der Pflege des Brauchtums und der Ahnenforschung. Ein eigenes Museum hat der Verein auch.

Stuttgart-Ost - Der Verein besitzt vor der Haustür seiner Geschäftsstelle sogar einen eigenen Platz: Die Kreuzung von Florian-, Roßberg und Stuifenstraße trägt seit Mitte 2010 den Namen „Bessarabienplatz“. Er weist auf die Geschichte von 93.000 vorwiegend süddeutschen Auswanderern in das Gebiet zwischen Ukraine, Rumänien und dem Schwarzen Meer hin, dessen nördlicher Teil heute die Republik Moldau bildet. Zwischen 1814 und 1940 besiedelten sie den Landstrich. Dann fiel ihre neue Heimat durch den Hitler-Stalin-Pakt den Russen zu. Innerhalb von drei Tagen mussten sie das Land verlassen, viele kehrten in die Nähe von Stuttgart zurück.

Davon erzählt das vereinseigene Museum, auf das dessen ehrenamtlicher Leiter und Ehrenbundesvorsitzende des Vereins, Ingo R. Isert, besonders stolz ist. Vor allem jedoch über das alltägliche Leben in dem 400 Kilometer langen, aber nur 100 Kilometer breiten Landstrich kann sich der Besucher hier informieren. Zar Alexander I. hatte 10.000 arme Bauern mit dem Versprechen auf jeweils 65 Hektar Land angeworben. Auf Flößen mit einem winzigen Kabuff als Unterschlupf schipperten sie mit Kind und Kegel die 2000 Kilometer auf der Donau Richtung Schwarzes Meer. Ein Modell dieser so genannten „Ulmer Schachtel“ zeigt, wie groß die Not der Auswanderer gewesen sein muss, dass sie unter solchen Bedingungen die Reise antraten.

Prominente Gäste bei den Bundestreffen

Daneben stehen auch Modelle ihrer Schulen und Kirchen. Die Pflege der Geschichte hat sich der bundesweit aktive Verein auf die Fahnen geschrieben und will bei den hier geborenen Nachkommen ein Bewusstsein für deren Wurzeln wecken, betont der Geschäftsführer des Vereins, Kuno Lust. „Wenn wir einen Tag der offenen Tür haben, kommen in der Regel 400 bis 600 Besucher“, berichtet er.

Zum Bundestreffen, das alle zwei Jahre traditionell Mitte Juni in Ludwigsburg stattfindet, kommen regelmäßig 800 bis 1000 Besucher aus dem ganzen Bundesgebiet. Hin und wieder gibt es darunter auch prominente Gäste wie den früheren Ministerpräsidenten der Republik Moldau, Vladimir Voronin oder den ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Dieser hat erst durch die akribische Archivarbeit von Isert erfahren, wo genau seine Eltern im bessarabischen Ryschkanowka bei Glückstal lebten. Ein ganzes Stockwerk im Vereinsgebäude füllen die Jahrbücher, die Reiseberichte und historischen Darstellungen sowie eine umfangreiche Sammlung von Landkarten und Ortsplänen. Die Unterlagen hat Isert teilweise in wochenlanger Kleinarbeit in Odessa zusammengesucht, andere stammen aus dem Fundus der Kirchen oder aus Auswandererlisten. Mehr als 500.000 Namen befinden sich in der Datensammlung des Vereins. Häufig kommen Enkel oder Urenkel Bessarabiendeutscher, die hier Ahnenforschung betreiben, oder Schüler, die sich im Geschichtsunterricht mit der Thematik beschäftigen.

Schuhkartons voller Fotos

Viele Dokumente bekommt der Verein aus Familiennachlässen. „Wir haben immer wieder das Problem, dass wir einen Schuhkarton voller Fotografien erhalten, aber nirgends steht ein Name oder eine Jahreszahl“, berichtet Kuno Lust. „Wir sind für unser Museum aber auf solche Spenden angewiesen. Dort können wir die einzelnen Gegenstände in thematische Zusammenhänge bringen.“ Erstaunlicherweise ist eine stattliche Anzahl Kristallgläser und Porzellangegenstände erhalten, und um viele der ausgestellten Gegenstände ranken sich Geschichten.

Nicht nur in seinem Museum und durch seine im Selbstverlag erscheinenden Publikationen informiert der Verein über die Bessarabiendeutschen. Regelmäßig halten seine Aktiven an Schulen Vorträge. Brauchtum und Tradition werden auch auf Tagungen und geselligem Beisamensein gepflegt. Unter anderem bei einem Kochkurs, bei dem die traditionellen Speisen der Siedler zubereitet werden. Seit 1990 werden Gruppenreisen in die heutige Republik Moldau veranstaltet. Etwa 500 Menschen nehmen die verschiedenen Angebote jedes Jahr wahr. Darüber hinaus leistet der Verein humanitäre Hilfe, denn die Menschen im heutigen Moldawien sind arm. Die Bessarabienhilfe versteht sich als Brückenbauer. Sie liefert neben Bekleidung auch Medikamente und medizinisches Gerät.

BESSARABIENDEUTSCHER VEREIN

Anschrift: Florianstraße 17, 70188 Stuttgart

Telefon 44 00 77 0

Mail verein@bessarabien.de

Homepage www.bessarabien.de

Vorsitzender Günter Vossler (Bundesvorsitzender), Ingo R. Isert (Ehrenvorsitzender), Kuno Lust (Bundesgeschäftsführer)

Gründungsjahr 2006

Mitgliederzahl 2500 bundesweit

Museum Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet; am Wochenende und für Gruppen nach Vereinbarung.

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