Die Gewerkschaft Verdi blockiert Anfang der Woche fast alle größeren Flughäfen in Deutschland – auch den Stuttgarter Airport. Ersten Schätzungen zufolge könnten bundesweit mehr als eine halbe Million Fluggäste betroffen sein.
In der Woche vor den möglicherweise finalen Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes vom 14. bis 16. März dreht die Gewerkschaft Verdi auf: An diesem Montag werden bundesweit fast alle größeren Flughäfen bestreikt – auch der Stuttgarter Airport. Bis Donnerstag kann es weitere Protestaktionen geben – etwa im öffentlichen Personennahverkehr der Region Stuttgart. Mehrtägige Streiks werden nicht ausgeschlossen. Die Verkehrsteilnehmer sollten sich auf weitere massive Beeinträchtigungen auf Schiene, Straße und in der Luft einstellen.
177 Flugbewegungen ursprünglich in Stuttgart geplant
Nach einer ersten Schätzung des Flughafenverbands ADV entfallen bundesweit voraussichtlich mehr als 3400 Flüge – rund 510 000 Passagiere könnten ihre Reisen nicht wie geplant antreten. Am Flughafen Stuttgart waren für den Montag bisher 177 Flugbewegungen geplant. Welche Auswirkungen der Streik hat, mag die Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) noch nicht beziffern. „Fluggäste müssen damit rechnen, dass die Airlines nur einen Teil der geplanten Flüge durchführen werden“, heißt es. Wer für diesen Tag einen Flug ab Stuttgart gebucht hat, solle sich online zu seinem Flugstatus informieren oder sich mit der Airline oder dem Reiseveranstalter in Verbindung setzen. Reisende, deren Flug durchgeführt wird, sollten frühzeitig den Status ihres Fluges checken und möglichst wenig Gepäck mitnehmen.
Die Gewerkschaft Verdi geht „zumindest von Verspätungen“ aus, wie der zuständige Gewerkschaftssekretär und örtliche Streikführer Roberto Di Benedetto unserer Zeitung sagte. Eventuell werde es „den einen oder anderen Ausfall geben“.
Geht auch die Feuerwehr in den Ausstand?
Verdi ruft von Dienstbeginn, also ca. vier Uhr in der Frühschicht, bis Dienstende gegen Mitternacht insgesamt an die 2300 Beschäftigte zum Streik auf. Konkret betroffen ist die FSG mit etwa 1500 Beschäftigten im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Einst hat die Betreibergesellschaft auch die Bodenabfertigung wie das Betanken und Beladen der Flugzeuge erledigt – heute gibt es in diesen Funktionen nur noch sehr wenige Beschäftigte, die direkt bei der FSG angestellt seien. Überwiegend sind deren Angestellte in der Verwaltung und bei der Flughafenfeuerwehr tätig – Di Benedetto kann aber nicht sagen, inwieweit sich Brandbekämpfer dem Streik anschließen. Sollte die Feuerwehr nicht voll einsatzfähig sein, müsste der Betrieb am Flughafen komplett eingestellt werden.
Die Abfertigungsdienste auf dem Rollfeld und die Tätigkeiten in den Terminals – wie Passagierabfertigung, Gepäcktransport und Ticketservice – sind längst von Privatfirmen übernommen worden. Somit sind die Beschäftigten von Losch Airport Service, SGS Stuttgart Ground Services und SAG Stuttgart Airport Ground Handling auch zum Streik aufgerufen – insgesamt 700 bis 800 Kräfte.
Verdi betont frühe Streikankündigung
Dies hängt mit der komplexen Tarifvertragsstruktur zusammen: Verdi hatte im vorigen Jahr mit den Arbeitgeberverbänden VKA (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände) und ABL (Arbeitgeberverband der Bodenabfertigungsdienstleister im Luftverkehr) einen Branchentarifvertrag für alle Beschäftigten der Bodenverkehrsdienstleister abgeschlossen. Damit wurde die Tarifentwicklung auch der privaten Unternehmen an die allgemeine Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes angekoppelt.
Präventiv verteidigt sich die Gewerkschaft gegen Vorwürfe: Man kündige den Warnstreik bewusst frühzeitig an, um den Passagieren Planungssicherheit zu ermöglichen, sagt Christine Behle, die stellvertretende Vorsitzende. „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten.“ Doch ohne Druck werde es keine Bewegung in den Verhandlungen geben. „Deshalb informieren wir bereits heute, damit sich Reisende rechtzeitig auf die Einschränkungen einstellen können.“
Forderungen nach Einschränkung des Streikrechts
Dennoch hagelt es Kritik: Der Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft (BDL) hält die Streikankündigung für „nicht verhältnismäßig“. Hier werde „ein kompletter Verkehrszweig flächendeckend stillgelegt – obwohl Flughäfen und Airlines, Gastronomie, Einzelhandel und Hotels keine Tarifpartner sind“, rügt Hauptgeschäftsführers Joachim Lang. Der Tarifkonflikt werde allein auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen.
Das Streikrecht gehöre nach dem Grundgesetz zur Tarifautonomie, „darf aber kein Freibrief sein“. Lang wiederholte daher die Forderung aus dem Arbeitgeberlager nach gesetzlichen Eingriffen: „Um Tarifautonomie und Mobilität aufrechterhalten zu können, braucht es im öffentlichen Verkehrswesen, insbesondere bei kritischer Infrastruktur, neue Verfahrensregeln.“ Bevor es zu einem streikbedingten Stillstand des Verkehrs komme, sollte künftig im Bereich der kritischen Verkehrsinfrastruktur „zumindest der Versuch einer Schlichtung erfolgen“. Derartige Leitplanken könnte die künftige Bundesregierung in einem Streikgesetz regeln, hofft der Verbandsvertreter.