Verdi hat die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zum Streiktag samt Kundgebungen nach Waiblingen gerufen – rund 600 Teilnehmer sind lautstark durch die Stadt marschiert.
Was ärgert und erzürnt im Pflegebereich diejenigen, die dort unter miserablen Bedingungen einem anspruchsvollen Job nachgehen, am allermeisten? Es sei nicht allein die beklagenswerte Bezahlung, sagte bei der Verdi-Kundgebung auf dem Waiblinger Elsbeth-und-Hermann-Zeller-Platz ein Mitarbeiter der Rems-Murr-Kliniken – vorgestellt einfach als Valentin. Es sei vor allem der Mangel an Wertschätzung, der den Pflegekräften an allen Ecken und Enden entgegenschlage. „Ich könnte das niemals machen“, werde ihm regelmäßig gesagt, verbunden oft mit der geringschätzigen Frage, ob er denn nicht „was g’scheits“ machen wolle. Ja, und das mit der Bezahlung: Im zwölft-reichsten Land der Welt lasse sich doch die Behauptung, dass es am Geld fürs Personal im öffentlichen Dienst fehle, problemlos als völliger Unsinn entlarven. „Das Geld ist da“, sagte der Pfleger Valentin, „es steckt bloß in den falschen Taschen.“
Forderung: Acht Prozent mehr
Die Gewerkschaft Verdi hatte die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes am Montagvormittag zu Streiktag, Demonstrationszug und Kundgebungen nach Waiblingen gerufen. Und diese hatten sich auch in ordentlicher Anzahl am Zellerplatz unterhalb der Waiblinger Michaelskirche eingefunden. Rund 600 Teilnehmer seien im Anschluss an die Auftaktkundgebung mit durch die Stadt und vors Rathaus gezogen, hieß es vonseiten der Veranstalter. Beim später lautstark mit Trillerpfeifen, Rätschen und Sprechchören unterstützten Abschluss wiederum auf dem Zellerplatz haben sie ihren Forderungen Nachdruck verliehen. Acht Prozent mehr Bezahlung, mindestens aber 350 Euro im Monat und für die Auszubildenden 200 Euro mehr, so lauten die monetären Forderungen der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst. Außerdem geht es um mehr Freizeit, sprich zusätzliche Urlaubstage.
Was laut derer, die für die Gewerkschaft und die Beschäftigten auf dem Waiblinger Zellerplatz das Mikrofon ergriffen hatten, derzeit für am meisten Unmut sorgt, sei die Tatsache, dass die Arbeitgeber in der ersten Verhandlungsrunde Anfang Januar keinerlei Angebot vorgelegt hätten. „Das ist wirklich bitter“, beklagte Sidar Carman, die Geschäftsführerin bei Verdi Stuttgart. Sie interpretiert dies als Ignoranz und Gipfel an Respektlosigkeit: „Wir sind stinksauer.“
„Unser Stärketest für die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen und die leeren Taschen der Arbeitgeber zum Start der Verhandlungen am 24. Januar in Potsdam zeigen Wirkung“ heißt es derweil auf den Internetseiten der Gewerkschaft. „Verdi ruft landauf, landab Tausende Kollegen zu Warnstreiks und Aktionen auf. Die erste Warnstreikwelle rollt von Bayern über Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bis nach Sachsen-Anhalt.“
„Überall fehlt es an Personal“
Betroffen seien neben Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen kommunale Krankenhäuser, Verwaltungen, Sparkassen, Stadtwerke, Kitas und die gesamte Bandbreite des öffentlichen Dienstes. „Überall fehlt es an Personal, die Kolleginnen und Kollegen sind am Ende ihrer Kräfte oder verlassen den Beruf. Nur ein starkes Zeichen der Arbeitgeber kann diesen Teufelskreis durchbrechen. Aus diesem Grund setzen wir uns für eine Erhöhung der Gehälter und für mehr Souveränität bei der Arbeitszeit ein“, sagt dazu Gabriele Schmidt, die Verdi-Landesbezirksleiterin Nordrhein-Westfalen.
Bessere Arbeitsbedingungen wie zum Beispiel mehr Souveränität in der Arbeitszeitgestaltung und mehr Geld angesichts nach wie vor steigender Lebenshaltungskosten sollen aus Gewerkschaftssicht Perspektiven für die Zukunft des öffentlichen Dienstes eröffnen. Schmidt: „Warme Worte allein reichen nicht, deshalb erhöhen wir nun den Druck vor Ort. In der nächsten Verhandlungsrunde erwarten wir ein verhandlungsfähiges Angebot, das der angespannten Situation vor Ort gerecht wird.“
Martin Gross, Verdi Landesbezirksleiter Baden-Württemberg, sagte bei einer Kundgebung in Karlsruhe vor rund 1500 Streikenden mit Blick auf Stimmen von Arbeitgebern, wonach die Verdi-Forderungen „nicht von dieser Welt“ seien: „Wir wissen nicht, in welcher Welt diese Stadtoberhäupter leben, aber wir wissen etwas über die Welt der kommunalen Beschäftigten. Die ist geprägt von immer mehr Aufgaben und Arbeit mit immer weniger Personal aufgrund unbesetzter Stellen und einem Einkommen, das bei Weitem nicht mit der Inflation der letzten Jahre Schritt hält.“