Der Streik am Klinikum Stuttgart hat auch Auswirkungen auf die anderen Krankenhäuser der Stadt: Was auf Patienten am Donnerstag und Freitag zukommt.
Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes mit Bund und Kommunen hat die Gewerkschaft Verdi Beschäftigte im Gesundheitswesen zu Warnstreiks in ganz Deutschland aufgerufen. In Stuttgart sind davon am Donnerstag, 6. März, und Freitag, 7. März, das Klinikum Stuttgart sowie die Pflegeeinrichtungen des städtischen Eigenbetriebs Leben und Wohnen betroffen. „Dies führt zu spürbaren, schmerzhaften Einschränkungen des Krankenhausbetriebs – trotz einer zwischen dem Klinikum Stuttgart und der Gewerkschaft Verdi getroffenen Notdienstvereinbarung“, sagt Stefan Möbius, Pressesprecher des Klinikums, auf Anfrage unserer Zeitung.
Mit Ankündigung des Streiks habe man die OP-Planung sofort reduziert. Dennoch müssten jetzt viele weitere Eingriffe abgesagt oder verschoben werden. Patienten seien bereits informiert. „Wer nicht kontaktiert wird, kann davon ausgehen, dass sein Termin auch an den Streiktagen stattfindet“, bekräftigt Möbius.
„Für den Rettungsdienst wie auch für die Krankenhäuser gilt gesetzlich, dass zu jedem Zeitpunkt die Notfallversorgung sichergestellt sein muss“, erklärt Ralph Schuster, Leiter des Rettungsdienstes beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Stuttgart. Das DRK gehe daher auch an einem Streiktag kommunaler Kliniken davon aus, „dass die Rettungskette funktioniert“ und die Notfallversorgung in Stuttgart sichergestellt bleibt - „Insbesondere - wie in unserem Fall – in einer Großstadt mit einer solchen Krankenhausdichte“, so Schuster weiter.
Notaufnahmen rechnen mit mehr Patienten
Auswirkungen hat der Streik dennoch auf den Rettungsdienst. Denn das Klinikum wird mit seiner Notaufnahme nur begrenzt zur Verfügung stehen. Der Vorstand des Klinikums, Jan Steffen Jürgensen, betont: „Das Klinikum Stuttgart als größtes Krankenhaus der Maximalversorgung in Baden-Württemberg ist nicht ersetzbar. Auch nicht für einen Tag.“ Für schwerste Notfälle, etwa Schlaganfälle, Polytraumata oder Risikogeburten, werde zwar eine „sichere Versorgung“ aufrechterhalten. „Wir haben aber die Rettungsleitstelle und die anderen Krankenhäuser informiert, dass unsere Kapazitäten an den Streiktagen deutlich reduziert sind.“ Wer in Lebensgefahr sei und nur im Klinikum versorgt werden könne, werde behandelt. „Was nicht ganz so dringend ist, kommt in umliegende Häuser.“
Ob Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK), Marienhospital, Diakonie-Klinikum oder Karl-Olga-Krankenhaus: Die Stuttgarter Kliniken mit nicht kommunalen Trägern rechnen daher damit, dass bei ihnen mehr Patienten als üblich vorstellig werden. Laut Mark Dominik Alscher, Medizinischer Geschäftsführer des RBK, ist sein Krankenhaus gut vorbereitet. An normalen Tagen werden dort etwa 150 Patienten in der Notaufnahme versorgt: „Aufgrund unserer Erfahrungen aus früheren Streiks sind wir mit Doppelschichten auf unserer Notaufnahme auf eine solche Situation eingestellt und prüfen das auch für diesen Streik.“
Das RBK wird nicht bestreikt, denn Träger ist die Robert-Bosch-Stiftung. „Wie gut, dass es in Stuttgart eine Trägervielfalt gibt“, betont Alscher. Gäbe es in der Stadt nur ein kommunales Haus, wäre dies bei Streiks für die Versorgungslage der Menschen „sicherlich kritischer“ zu werten. „Bei der anstehenden Krankenhausreform können wir nur dafür plädieren, solche Situationen ebenfalls zu berücksichtigen“, so Alschers Appell an die Politik.
Auch aus dem Diakonie-Klinikum heißt es, man habe sich auf den Streik gut eingestellt. „Davon betroffen wird vor allem unsere Notaufnahme sein“, sagt Frank Weberheinz, Leiter der Unternehmenskommunikation. Das Team plane deshalb mit „etwas mehr Personal“, man könne „flexibel reagieren“. Die Abteilung sei wie üblich im Austausch mit dem Klinikum, den anderen Notaufnahmen sowie den Rettungsdiensten der Stadt.
Patienten müssten in der Notaufnahme allerdings mit längeren Wartezeiten rechnen. „Da braucht es unter Umständen etwas Geduld“, so Weberheinz weiter. Alle anderen Patienten des Diakonie-Klinikums seien vom Streik nicht betroffen: „Alle Termine finden wie geplant statt.“
Längere Wartezeiten in Notaufnahmen
Das Marienhospital rechnet mit „einem deutlich höheren Patientenaufkommen“. Susanne Schmalenbach, Leitende Oberärztin an der Klinik für Notfallmedizin, sagt: „Die kurzfristige Ankündigung des Streiks, die Ferienzeit sowie ein hoher Krankenstand in unserem Team erschweren es zusätzlich, die personelle Besetzung kurzfristig anzupassen.“
Wie stark die Belastung tatsächlich sein wird, lasse sich noch nicht abschätzen. „Erfahrungsgemäß ist sie jedoch erheblich und nur durch konsequente Priorisierung sowie eine enge Zusammenarbeit im Team zu bewältigen.“ Patienten müssten „leider mit längeren Wartezeiten rechnen“, insbesondere bei nicht akut bedrohlichen Krankheitsbildern: „Die Versorgung schwerer Erkrankter hat für uns oberste Priorität.“
Verdi-Forderungen für Krankenhäuser und Rettungsdienst
- Acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro mehr im Monat
- Monatlich 200 Euro mehr für Praktikanten und Azubis
- Höhere Schicht- und Wochenend-Zuschläge
- Einführung der 38,5-Stunden-Woche
- Höchstarbeitszeit im kommunalen Rettungsdienst von 42 statt 48 Stunden
- Zeitkonto und drei Urlaubstage mehr
Auch Pflegepersonal legt die Arbeit nieder
Bestreikt werden am Donnerstag und Freitag zudem die Einrichtungen von Leben und Wohnen (ELW), dem Sozialunternehmen der Stadt, mit acht stationären Pflegeeinrichtungen, zwei Tagespflegen, zwei ambulanten Pflegedienste und zwei Häusern der Wohnungslosenhilfe. „Hauptziel des Streiks ist für uns, die Arbeit im Pflegeheim attraktiver zu machen“, sagt Patrik Haag, Personalrat bei ELW. Das sei angesichts des Pflegenotstands dringend notwendig.
Aktuell arbeiten dort knapp 1100 Beschäftigte, die rund 1300 Menschen versorgen – davon rund 780 in vollstationären Häusern. „Wir rechnen mit einem leichten Anstieg der Streikbereitschaft unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Harald Knitter, ein Pressesprecher der Stadt. An den letzten beiden Streiktagen hätten „14 beziehungsweise 17 Beschäftigte“ teilgenommen. Darüber hinaus habe der Eigenbetrieb mit Verdi eine Vereinbarung getroffen, „nach der auch an Streiktagen eine Besetzung sichergestellt ist, wie sie an einem Sonntag üblich ist“. Entsprechend erwarte die Leitung keine Einschränkungen für Pflegebedürftigen oder die Angehörigen, so Knitter.
Klinikum-Chef Jürgensen appelliert derweil an die Tarifparteien: „Ein fairer und pragmatischer Kompromiss ist dringlich.“ In vielen Bereichen gebe es schon lange Wartezeiten. „Jeder weitere Streiktag geht direkt zulasten unserer Patientinnen und Patienten, bei denen ich mich für die Härten entschuldige.“
Streiks an 20 Kliniken im Land
In Baden-Württemberg sollen Arbeitsniederlegungen in 20 Kliniken stattfinden. Auch der Klinikverbund Südwest (mit Häusern in Böblingen, Calw, Herrenberg, Leonberg, Nagold und Sindelfingen) wird bestreikt, zudem die Regionalkliniken Holding Ludwigsburg, Bietigheim und die Orthopädische Klinik Markgröningen. Außerdem sind die Rems-Murr-Kliniken Schorndorf und Winnenden tangiert. Die Universitätskliniken sind nicht betroffen, da sie zum Land gehören.
Speziell in Krankenhäusern will Verdi unter anderem bezahlte Pausen in Wechselschicht, wie sie in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes üblich sind, sowie eine bessere Eingruppierung von Hebammen durchsetzen. Im kommunalen Rettungsdienst soll die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 auf 42 Stunden reduziert werden. In Baden-Württemberg will die Gewerkschaft wie in allen anderen Ländern die 38,5-Stunden-Woche erreichen.
Am Freitag werden in Stuttgart zudem die Beschäftigen in städtischen Kitas und Schülerhäusern die Arbeit niederlegen.