Das Originalmusical „Der Glöckner von Notre Dame“ basiert auf einem Disney Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1996. Die Lieder aus diesem Stück sind bei den Nachahmershows nicht zu hören. Foto:  

Verbraucherschützer warnen vor teuren Enttäuschungen bei fragwürdig beworbenen Tournee-Produktionen, die mit dem Original wenig zu tun haben. Vor dem Ticketkauf sollte man genau hinschauen. Auch in Stuttgart machen die Shows demnächst halt.

Berlin - „Das Phantom der Oper“ gilt als kommerziell erfolgreichstes Musical. Aus dem Roman von Gaston Leroux schuf der britische Komponist Sir Andrew Lloyd Webbermit den Textern Charles Hart und Richard Stilgoe ein Bühnenstück, das Ende der 80er Jahre erst London und dann den Broadway eroberte. Songs wie „The Music Of The Night“ und „All I Ask Of You“ wurden zu Klassikern. Inszenierungen in mehr als zwei Dutzend Ländern lockten rund um den Erdball weit über 100 Millionen Besucher.

Ein Milliardengeschäft, an dem bis heute viele mitverdienen wollen. Die berühmte Originalproduktion mit den weltbekannten Songs ist jedoch streng geschützt und darf nur mit Erlaubnis des Rechteinhabers aufgeführt werden. Nicht geschützt aber sind die Rechte an dem Buchstoff sowie der Titel, weil der Buchautor Leroux seit mehr als 70 Jahren tot und damit deren Nutzung und Auswertung frei ist.

Die weltbekannten Originale dürfen nur mit Genehmigung verwendet werden

Ob das „Phantom“, „Les Miserables“ oder „Der Glöckner von Notre Dame“ – aus solchen Buchklassikern kann im Prinzip jedes Dorfensemble eine eigene Theater- oder Musical-Produktion machen. Dabei dürfen Musik, Songs, Texte und Szenen der berühmten Versionen von Lloyd Webber oder Disney aber nicht ohne Genehmigung verwendet werden.

Das gilt auch für Tournee-Theater, die regelmäßig mit eigenen „Originalfassungen“ durch die Lande ziehen. Einige werben für ihre kurzen Gastspiele mit zum Verwechseln ähnlichen Bildern und Plakaten, um Besucher zu locken. Manche Aufführungen hinterlassen statt Begeisterung nur Ärger und Enttäuschung bei den zahlenden Besuchern.

Verheerende Kritiken in Solingen

Wie unlängst in Solingen. Dort gastierte im Februar die „große Originalproduktion“ des Phantoms der Oper, die allerdings mit dem Welterfolg von Lloyd Webber nicht zu tun hat. In den Vorankündigungen war das kaum erkennbar. Selbst die örtliche Presse vermittelte vorab den Eindruck, Besucher könnten eines der „bekanntesten und beliebtesten Musicals aller Zeiten“ zu Ticketpreisen von bis zu fast 70 Euro erleben.

Die Kritiken danach fielen teils verheerend aus. Die „unterdurchschnittliche Darbietung“ habe für großen Ärger gesorgt, berichtete das „Solinger Tageblatt“. Die Besucher seien mit der gebotenen Version des Musicals und der Leistung des Ensembles nicht zufrieden gewesen. Statt des Originals von Lloyd Webber hätten die Gäste im Pina-Bausch-Saal des Stadttheaters nur einen Aufguss der Roman-Vorlage von wenig bekannten Komponisten und Musikern serviert bekommen.

Unbekannte Musik statt weltbekannter Melodien

„Die Masche ist stets dieselbe“, warnt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale NRW. Auf Plakaten und im Internet werde von einschlägigen Veranstaltern groß mit dem Namen ruhmreicher Musicals geworben. Doch statt weltbekannter Melodien bekämen die Besucher dann im schlimmsten Fall fremde Musik und fragwürdige Darstellungen zu hohen Preisen präsentiert.

Das führe zu massenhaften Beschwerden im Internet und auch bei Verbraucherschützern, berichtet Tryba. „Zu Hunderten buhen Zuschauer und verlassen Vorstellungen, für die sie bis zu 90 Euro bezahlt haben“, sagt der Experte. Das passiere bundesweit und seit vielen Jahren, in Hamburg und Essen, Nürnberg oder Stuttgart.

Eigenversionen statt Originalen

Einschlägig in der Branche bekannt ist zum Beispiel die Asa Event GmbH. Der Veranstalter aus Bietigheim-Bissingen ist seit mehr als 25 Jahren aktiv und produziert unter der Marke „Central Musical Company“ die nicht nur in Solingen kritisierte Eigenversion des „Phantoms“, sondern auch eine Musical-Fassung des Romans „Der Glöckner von Notre Dame“ und die Tourneeshow „Die Nacht der Musicals“.

Das Unternehmen weist gegenüber den Verbraucherschützern in einer Stellungnahme die Kritik an seinen Produktionen und möglicher Irreführung zurück. Mit der „Phantom“-Eigenversion gehe man schon seit zwei Jahrzehnten auf Tournee und zähle inzwischen mehr als eine Million Besucher. Für eine falsche Erwartungshaltung mancher Gäste will das Unternehmen mit seinem Geschäftsführer Uwe Trefz nicht verantwortlich gemacht werden.

Obacht beim Ticketkauf

Wer Verwechslungen vermeiden will, sollte beim Ticketkauf also gut aufpassen. Aktuell schickt der Veranstalter ASA den „Glöckner von Notre Dame“ auf Tournee. Tickets für Gastspiele in Frankfurt (17.4.) und Stuttgart (23.4.) gibt es ab 50 Euro aufwärts. Mit der weltberühmten Disney-Produktion, die auf dem erfolgreichen Trickfilm des US-Studios basiert und in Kürze unter großem Werberummel in Berlin starten wird, hat auch diese Asa-Version des Romans von Victor Hugo nichts zu tun.

Meist hilft schon ein genauer Blick auf den Titel. „Bei Disney-Original-Musicals steht der Name des US-Konzerns immer dabei, ebenso bei den Originalversionen der Musicals von Lloyd Webber“, betont Felicitas Geipel vom Wiesbadener Verlag Musik + Bühne, der Ansprechpartner für die Aufführungsrechte an zahlreichen Musicals ist. Im Zweifel, rät die Expertin, sollte man vor dem Ticketkauf genau nachfragen, ob es sich wirklich um die bekannte Musical-Fassung mit den Originalkompositionen handelt. So lässt sich ein Reinfall vermeiden.