Das neue Recht gilt auch für smarte Produkte wie zum Beispiel den Kühlschrank, der selbstständig im Internet Lebensmittel ordert. Das neue Recht gilt auch für smarte Produkte wie zum Beispiel den Kühlschrank, der selbstständig im Internet Lebensmittel ordert. Foto: AFP

Künftig werden Verbraucher in der EU deutlich mehr Rechte haben, wenn sie Produkte kaufen oder leasen, die eine digitale Komponente enthalten. Zudem wird die Produktgarantie ausgeweitet.

Brüssel - Künftig werden Verbraucher in der EU deutlich mehr Rechte haben, wenn sie Produkte kaufen oder leasen, die eine digitale Komponente enthalten. Auch bei Dienstverträgen etwa für Onlinespiele und Streamingdienste werden die Gewährleistungs- und Kaufrechte massiv gestärkt. Dies sieht die Reform der Richtlinien für digitale Inhalte und für den Warenhandel vor, auf die sich die beiden Co-Gesetzgeber der EU, das Europaparlament und die Mitgliedstaaten, geeinigt haben. Die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhardt aus Baden-Württemberg war Verhandlungsführerin für das Parlament: „Uns ist es gelungen, ein in sich stimmiges Vertragsrecht durchzusetzen, das für Verbraucher in allen Mitgliedstaaten eine massive Verbesserung darstellt.“

Für welche Produkte und Dienstleistungen gilt es?

Das neue Recht gilt zum einen für Software, Apps, Onlinespiele, heruntergeladene und gestreamte Filme sowie für soziale Medien. Es gilt zum anderen für alle Produkte, die internetfähig sind, etwa Smartphones, Tablets, vernetzte und selbstfahrende Autos sowie smarte Produkte – wie den Kühlschrank, der im Netz selbstständig Lebensmittel ordert, internetfähige Stromzähler, Fitness-Bauchgurte, die die Laufschritte zählen, und alle Produkte des Internets der Dinge. Schätzungen gehen davon aus, dass es 2020 weltweit 21 Milliarden internetfähige Produkte geben wird – zweieinhalbmal so viel wie 2017.

Warum werden Softwareupdates Pflicht?

Europa will dafür sorgen, dass internetfähige Produkte lange funktionsfähig bleiben. Bei Lücken in der Software drohen Verbrauchern und Unternehmen große Schäden. Die Schadsoftware WannaCry etwa hat Anzeigetafeln der Bahn befallen, Computer in Krankenhäusern und Fabriken lahmgelegt. Künftig sind Anbieter verpflichtet, für den gesamten Lebenszyklus des jeweiligen Produktes dafür zu sorgen, dass die Software auf dem aktuellsten Stand ist. Die Laufzeiten, in denen der Verbraucher darauf Anspruch hat, können dabei ganz unterschiedlich sein. Bei einer App etwa, die sich auf ein bestimmtes Ereignis bezieht, zum Beispiel eine Olympiade, kann die Updatepflicht nur wenige Wochen umfassen. Bei einem internetfähigen Kühlschrank muss der Hersteller dagegen über Jahre dafür sorgen, dass die Software aktuell ist, weil ansonsten eine wesentliche Funktion des Geräts wegfällt.

Darf der Kunde künftig die Software selbst bestimmen?

Ja, weitgehend. Bislang kann der Verkäufer eines Computers dem Kunden vorschreiben, welches Betriebssystem er nutzen muss. Damit ist künftig Schluss. Der Anbieter muss dafür sorgen, dass das Hardware-Produkt mit allen gängigen Softwareprogrammen läuft.

Was ändert sich bei Gratis-Apps?

Für viele Apps zahlt der Kunde nicht mit Geld, sondern mit seinen Daten. Anbieter verlangen von den Nutzern dann regelmäßig den Zugriff auf dessen Fotos und Kontaktadressen. Wenn die Verbraucher, etwa bei einer Babyphone-App, widersprechen, werden sie bisher vielfach von der Nutzung der Apps ausgeschlossen. Auch digitale Plattformen wie Facebook lassen Nutzer bisher abblitzen, wenn sie auf einer Anonymisierung ihrer Daten bestehen. Mit der Änderung des EU-Rechts bekommen Verbraucher, die die kommerzielle Nutzung ihrer Daten verhindern wollen, künftig erstmals überhaupt eine Handhabe.

Inwiefern wird das Gewährleistungsrecht ausgeweitet?

Das Gewährleistungsrecht, also die Garantie, besteht bisher EU-weit mindestens zwei Jahre nach Kauf eines Produktes. Einige Mitgliedstaaten gewähren sogar fünf Jahre. Bislang hat der Verbraucher etwa in Deutschland aber nur in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf spezielle Rechte, wenn er mit dem Produkt nicht zufrieden ist. Er kann nur in den ersten sechs Monaten auf Nachbesserung und Rückgabe des Produktes bestehen, ohne beweisen zu müssen, dass der Mangel von Anfang an vorlag. In der Sprache der Juristen wird dieses spezielle Privileg Beweislastumkehr genannt. Die Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers wird nun deutlich ausgeweitet: Demnächst haben Verbraucher dann EU-weit mindestens zwölf Monate Zeit, wenn sie mit einem Produkt nicht zufrieden sind. In dieser Zeit müssen sie dem Verkäufer nicht nachweisen, dass der Mangel schon zum Kaufdatum vorhanden war. Die verlängerte Beweislastumkehr stellt für viele Verbraucher eine Verbesserung dar: In allen Mitgliedstaaten gelten bislang sechs Monate Beweislastumkehr – abgesehen von Polen, Frankreich und Portugal. Faktisch bedeutet dies, dass es dem Handel künftig schwerer fallen wird, Forderungen der Verbraucher auf Umtausch und Rückgabe des Produktes abzuwehren.

Wann tritt das neue Recht in Kraft?

Die neuen Verbraucherrechte sollen noch im März endgültig vom Europaparlament beschlossen werden. Dann haben die Mitgliedstaaten anderthalb Jahre Zeit, um die Regeln in nationales Recht umzusetzen. Ab Oktober 2021 gelten dann die neuen Spielregeln EU-weit.