Apothekerin Julia Großer begrüßt das Urteil zu den Geschenken. Foto: Lg

Ein Gerichtsurteil verbietet kostenlose Zugaben beim Kauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten.

Stuttgart - Seit Donnerstag ist Schluss. Das Bundesverfassungsgericht (BGH) Karlsruhe hat entschieden, dass Apotheken ihren Kunden beim Kauf eines verschreibungspflichtigen Medikaments keinerlei Geschenke mehr machen dürfen. Die Gabe von Brötchen-Gutscheinen oder etwa Ein-Euro-Wertmarken sei wettbewerbswidrig, weil damit gegen die Vorschriften der Preisbindung verstoßen werde, begründeten die Richter.

 

In Deutschland gilt eine Arzneimittelpreisverordnung, nach dieser dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nur zu festgelegten Preisen und Zuschlägen verkauft werden. Der Hintergrund: Apotheken in weniger lukrativen Regionen sollen so überleben können, die flächendeckende Versorgung und der Notdienst sichergestellt werden. Geklagt hatte die Zentrale gegen den unlauteren Wettbewerb, weil Apotheken in Berlin und Darmstadt erwähnte Gutscheine ausgegeben hatten.

Die Apotheken wiederum argumentierten mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016, nach dem die deutsche Preisbindung für Versandapotheken im EU-Ausland wie DocMorris in Holland, nicht gelte.

Manche Überschreiten die Dimension der Goodies

Letzteres gefällt auch Stuttgarter Apothekerinnen und Apothekern nicht. Indes begrüßen viele das BGH-Urteil. „Das Urteil bringt mehr Gerechtigkeit ins System, zumal diese Geschenke bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln faktisch auf Kosten aller gehen“, sagt Julia Graser von der Schwanen-Apotheke.

Damit meint sie aber nicht die Packung Taschentücher oder den Traubenzucker, die sie auch immer wieder ausgegeben hat. Sondern das, was einige ihrer Kolleginnen und Kollegen auch bestätigen: Dass bei dem einen oder anderen Mitbewerber die Dimension der Goodies, also der kostenlosen Zugaben, überhand genommen habe, um Kunden an sich zu binden. Insbesondere gelte das für jene mit chronischen Krankheiten, die teure Medikamente, damit lukrative Rezepte einbrachten. Das sei nie rechtens gewesen, heißt es.

Auch Kunden bestätigen, dass es – mit oder ohne Punkte- und Talersystemen – am Ende des Jahres schon mal einen Wasserkocher und mehr gegeben habe. „Ich kenne Kollegen, die packen ganze Tüten mit Duschgels, Cremes und sonst was ein“, echauffiert sich Nikolas Kondraschov von der Internationalen Apotheke. „Das Urteil war längst fällig. Wir dürfen doch nicht über Geschenke konkurrieren, sondern über unser Fachwissen und unsere Beratung.“

Manche Kunden machen Geschenke-Hopping

So sieht das auch Katja Linden, Inhaberin der Europa-Apotheke. Sie und ihre Mitarbeiter hätten schließlich eine entsprechende Ausbildung, da gehe es um Kompetenz, nicht ums Schenken. Es gebe aber in der Tat eine Art von Kunden, der quasi Geschenke-Hopping mache. „Da wird direkt gefragt, was es als Goodies gibt und erklärt, bei dem bekomme ich aber das und das plus Gratistüte, dann gehe ich dahin. Ich bitte sie dann, wenigstens etwas in ein Käschen zu geben, dessen Inhalt dem Hospiz zugute kommt.“

In der Apotheke am Rotebühlplatz will man weiterhin Geschenke mitgeben – bei den „over the counter“ (otc), also frei verkäuflichen Mitteln. Auf die scheinen keinesfalls alle Kunden wertzulegen. So ist das Urteil für Kundin Katharina Ronge korrekt. „In der Apotheke hole ich doch, was ich brauche, da erwarte ich nichts. Ich finde Goodies eher störend.“ Auch für Paul Enderle ist das BGH-Urteil absolut gerecht, weil es auch dem System und damit Ärmeren zugute komme. Carolyn Reissmüller verurteilt, wenn Schenkerei und Punktesammelei ausartet.

„Kleinigkeiten wie Taschentücher oder Pröbchen sehe ich als nette Geste, als Teil des Services wie etwa das Rädchen Wurst beim Metzger.“ Für Bernhard Schmidt, pensionierter Krankenhausarzt, setzt das Urteil ein Zeichen gegen Korruption. „Wir Ärzte müssen schon seit Jahren Antikorruptionsvorgaben einhalten, bei Werten wie Kugelschreiber angefangen. Auch in Apotheken darf es für rezeptpflichtige Arzneimittel keine Geschenke mehr geben, das sind de facto Rabatte. Im Falle von frei verkäuflichen Medikamenten ist das was anderes, da es Krankenkassen und damit die Allgemeinheit nicht belastet.“