Das Grundbildungsniveau soll im Südwesten verbessert werden. Foto: Avanti

Ministerien und Verbände haben in Fellbach eine Verbindlichkeitserklärung mit dem Ziel unterschrieben, den funktionalen Analphabetismus zu verringern. Im Südwesen können eine Million Menschen nicht richtig schreiben und lesen.

Fellbach - Fahrkartenautomaten, Bedienungsanleitungen oder Beipackzettel – wer nicht richtig lesen und schreiben kann, tut sich im Alltag schwer. Und der sogenannte funktionale Analphabetismus ist gar nicht so selten: Alleine in Baden-Württemberg können mehr als eine Million Menschen kaum lesen.

Das soll sich ändern. Am Mittwoch haben fünf Ministerien und 23 Verbände beim Grundbildungstag Baden-Württemberg in der Fellbacher Schwabenlandhalle eine Verpflichtungserklärung mit dem Ziel unterzeichnet, den funktionalen Analphabetismus im Land zu verringern und das Grundbildungsniveau auszubauen.

Kultusministerin Susanne Eisenmann mit Urkunde. Foto: Kultusministerium
Die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) war Gastgeberin der Veranstaltung. Sie sagte: „Das Thema ist in der breiten Öffentlichkeit nicht sehr präsent, es muss aus der Grauzone geholt werden.“ Weil die Zahl der Betroffenen künftig sogar noch steigen soll, hat die Landesregierung eine Alphabetisierungskampagne ins Leben gerufen. Mit der Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung wurde auch der Auftakt des Landesbeirats für Alphabetisierung und Grundbildung besiegelt.

Im Landesbeirat sind die wichtigsten Bereiche aus Wirtschaft und Gesellschaft vertreten – von den Kommunalen Landesverbänden über die drei Wirtschaftsvereinigungen, das Bildungswerk des DGB, die Pädagogische Hochschule Weingarten, die Landeszentrale für politische Bildung, den Landessportverband bis hin zu wichtigen Bildungsträgern.

Auch die Landesregierung wird sich in größerem Umfang beteiligen. „Nur wer richtig lesen und schreiben kann, ist in unserer Gesellschaft gut verankert. Wir wollen mehr tun, um etwa auch weniger qualifizierten Beschäftigten in Unternehmen neue Aufstiegschancen zu ermöglichen“, sagte Susanne Eisenmann.

Das neue Netzwerk soll künftig die Anstrengungen koordinieren und größere Zielgruppen ansprechen. Dazu zählen Menschen mit Deutsch als Erstsprache genauso wie Migranten, Erwerbstätige und Arbeitslose, Rentner und Familien. Zudem sollen unterschiedliche Zugangswege zu den Betroffenen über Familie, Kindergarten und Schule, Beruf und Verein, Ärzte und Verwaltungen gefunden werden.

Richtiges Lesen und Schreiben ist eine wichtige Voraussetzung, um in allen gesellschaftlichen Bereichen gleichberechtigt teilzuhaben. Viele funktionale Analphabeten sind zwar in Arbeit, der zunehmende Einzug digitaler Medien in die Arbeitswelt stellt sie aber vor neue Herausforderungen und erhöht ihren Druck. So will der Landesbeirat die Weiterbildung für Menschen mit Grundbildungsbedarf vorantreiben, die Zahl der Teilnehmer an Lernangeboten ausbauen und die Fachstelle für Grundbildung und Alphabetisierung beraten.

Elf Projekte wenden sich speziell an Erwerbstätige

Zu den bisherigen Anstrengungen des Kultusministeriums gehört in erster Linie die Ausweitung der Grundförderung insbesondere für die Volkshochschulen, die das Land in den vergangenen Jahren auf 22,5 Millionen Euro verdoppelt hat. Damit sollen auch Kurse für Alphabetisierung und Grundbildung vor Ort finanziert werden. Der Weiterbildungspakt sagt zu, dass diese Förderung bis 2020 auf die Höhe des Bundesdurchschnitts erhöht werden soll, wenn es das Land finanzieren kann. Hinzu kommen elf Projekte im Rahmen eines Programms des Europäischen Sozialfonds, das sich vor allem an Erwerbstätige wendet.

„Der Landesbeirat kann durch den Grundbildungstag mit viel Schwung seine wichtigen Aufgaben in Wirtschaft und Gesellschaft angehen, um die Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben zu unterstützen“, sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann.