Und erneut liegt der Ball im Echterdinger Tor. In diesem Fall holt der Abwehrchef Josip Pranjic die Kugel aus dem Netz. Foto: Andreas Gorr

Der Verbandsligist Calcio geht beim Aufstiegsanwärter Rutesheim mit 3:6 unter und bekommt dabei schonungslos seine Schwächen aufgezeigt. Ein Grund mehr für den Filderclub, auf dem Transfermarkt aktiv zu werden. Ein erster Neuzugang steht fest.

Rutesheim - Zum Glück gehört Francesco Di Frisco nicht zur Zettelfraktion – zur Spezies eines Lucien Favre oder Ewald Lienen, die an der Seitenlinie, bewaffnet mit Stift und Papier, alles ihnen Auffällige sogleich schriftlich festhalten. Der Trainer der Verbandsliga-Fußballer von Calcio Leinfelden-Echterdingen hätte sich sonst am Samstag zweifellos die Finger wund geschrieben. Und das daraus resultierende Werk wäre vom Umfang her wohl ausreichend gewesen, ganze Ordner zu füllen.

Mit 3:6 haben Di Friscos Kicker ihre Auswärtspartie beim Tabellenzweiten SKV Rutesheim verloren. Wer gedacht hatte, die wilde Achterbahnfahrt des 4:4 aus dem Hinspiel wäre nicht mehr zu toppen, der wurde im Stadion Bühl eines Besseren belehrt. Neun Tore! Diesmal fiel sogar noch eines mehr. Es war ein beidseitiges Offensivspektakel – aber eben auch ein Festival der defensiven Unzulänglichkeiten, in dem den Echterdingern schonungslos vor Augen geführt wurde, wie viel ihnen zum anvisierten Spitzenniveau dieser Spielklasse fehlt. „Unsere Abwehr war praktisch nicht anwesend, gedanklich vielleicht schon im Urlaub. Es gefällt mir überhaupt nicht, wie wir uns hier präsentiert haben“, sagte ein angefressener Di Frisco, um dessen eigene sportliche Zukunft es nun in dieser Woche gehen soll.

Trainerentscheidung in dieser Woche?

Für die Echterdinger Vereinsverantwortlichen um den Präsidenten Franjo Biberovic ist der Fall ja längst klar: Der Coach möge bleiben. Basta, Ende des Themas. Ginge es nach ihnen, hätten Di Frisco und dessen Partner Francesco Guerra ihre Verträge bereits vor Wochen verlängert. Das Problem: Di Frisco selbst zögert nach wie vor. Bis zuletzt hatte er immer wieder durchklingen lassen, erst einmal die weitere Entwicklung abwarten zu wollen – strukturell, in Sachen Kaderplanung, aber auch bezüglich der Auftritte auf dem Rasen noch in der laufenden Saison. „In dieser Hinsicht ist es gerade ein schlechter Zeitpunkt, nachzufragen – nach so einem Spiel“, knurrte Di Frisco unter dem Eindruck des aktuellen Geschehens.

Klar, es gilt ein Stück weit zu berücksichtigen, dass es für das Sensationsteam des Gegners noch um alles geht, nämlich den Aufstieg, Calcio dagegen inzwischen im tabellarischen Niemandsland steckt. Gleichwohl ist es ja gerade der Echterdinger Anspruch, den Topkandidaten auf Augenhöhe zu begegnen. Allemal bestätigt sehen darf sich Di Frisco nach dem jetzigen Tag der offenen Tore in seiner Einschätzung, dass insbesondere in der eigenen Verteidigung Handlungsbedarf besteht – wenn denn aus dem mutig formulierten Vorhaben, in der nächsten Runde in Richtung Oberliga angreifen zu wollen, tatsächlich etwas werden soll.

Vorne hui, hinten pfui

Verkürzt lässt sich der Auftritt in Rutesheim so zusammenfassen: nach vorne hui, hinten pfui. Gegen einen für seine Angriffsstärke und sein überfallartiges Umschaltspiel bekannten Kontrahenten taumelte Calcio von einer Verlegenheit in die andere. Links zahlte das Grünschnabel-Gespann mit Lukas Zweigle und Felix Gerber zum wiederholten Mal in dieser Rückrunde Lehrgeld. Rechts wirkte es in den Laufduellen zwischen Timo Bäuerle und dem flinken Salvatore Catanzano, als mäße sich eine Dampflok mit einem Porsche – mit einem unnötigen Einsteigen verursachte der Echterdinger dann obendrein den Elfmeter zum vierten Gegentor. Und im Zentrum patzten selbst die Routiniers. Auch der Abwehrchef Josip Pranjic und der Keeper Henning Bortel mussten Gegentreffer auf ihre Kappe nehmen. Beim zweiten versprang Pranjic im Strafraum der Ball, und beim fünften ließ Bortel die regennasse Kugel nach einem eigentlich harmlosen Freistoß verhängnisvoll abprallen.

Vor allem einen Spieler bekamen die Gäste durchgängig nicht in den Griff: Der 19-Jährige Noah Lulic markierte denn auch seine Saisontore Nummer 18 und 19. Nur 18 und 19, muss man sagen. Glück für Calcio, dass der künftige Reutlinger Oberliga-Akteur mehrere weitere Großchancen vergab. Die anderen Rutesheimer Schützen hießen schließlich Keven Müller, Alexander Wellert, Constantin Kogel und Steffen Hertenstein.

Häcker-Doppelpack gegen den Ex-Verein

Dass die Echterdinger in der ersten Hälfte noch zwei Rückstände wettmachten, ein 0:1 und ein 1:3, geriet unter diesen Umständen zur Makulatur. Löblich, dass Sascha Häcker als Doppeltorschütze gegen seinen Ex-Verein, der erneut starke Ugur Capar sowie der nach seiner Einwechslung aufdrehende Bastian Joas auf jeweils zwei Torbeteiligungen kamen. Nachdem die Begegnung wegen eines Gewitters vom Schiedsrichter Marc Heiker (Sulzfeld) für 40 Minuten unterbrochen worden war, schien das Momentum kurzzeitig auf Echterdinger Seite – allerdings nur bis zur nächsten Abwehrpanne. „Dann noch ein drittes Mal zurückzukommen, war sauschwer“, sagte Di Frisco – und konstatierte säuerlich: „Heute hätte ich mehr als die halbe Mannschaft auswechseln können.“

Wen alles Calcio im Sommer auswechseln wird? Mal schauen. Ein erster Neuzugang steht inzwischen fest: Vom Ortsnachbarn TV Echterdingen kommt der rechte Außenbahnspieler Aron Zogaj (18). Ansonsten, sagt Di Frisco, habe er intern eine Wunschliste mit Namen vorgelegt – in diesem Fall in der Tat schriftlich fixiert auf einem Zettel. Und seit der Partie von diesem Samstag wohl eher eine längere als kürzere.

SKV Rutesheim:
Bär – Schneider (85. Vaihinger), Trefz, Kogel, Wellert, Alberici – Müller (65. Crepaldi), Baake, Gebbert (67. Weiß), Catanzano (56. Hertenstein) – Lulic.

Calcio Leinfelden-Echterdingen:
Bortel – Biljeskovic, Pranjic, Zweigle (65. Candan) – Bäuerle, Avdiu (76. Ikeng), Ismaili, Gerber (46. Vidic) – Syla (40. Joas), Capar – Häcker.