An spektakulären Szenen fehlte es im Gipfelduell nicht. In dieser Szene versucht sich der Calcio-Akteur Sidy Niang am Fallrückzieher. Foto: Yavuz Dural

Beim 0:0 im Verbandsliga-Spitzenspiel in Freiberg schnuppern die Echterdinger zuletzt am Sieg. Derweil gibt es im Hintergrund den nächsten Krach, diesmal um den Spieler Gümüssu.

Freiberg - Alle waren sie aufgesprungen: Trainer, Abteilungsverantwortliche und Ersatzspieler. Die Arme hatten sie bereits halb in der Höhe zum Torjubel, und gebannt gingen die Blicke auf die Flugkurve des Balls – welcher Sekundenbruchteile später gegen die Unterseite der Querlatte krachte und von dort zurück aufs regennasse Spielfeld sprang.

Drei Zentimeter? Fünf Zentimeter? Höchstens. Mehr fehlte nicht bei Giuseppe Ricciardis fulminantem Versuch. Die 88. Spielminute lief da schon, als sich der Kapitän von Calcio Leinfelden-Echterdingen aus der Distanz ein Herz fasste. Drei bis fünf Zentimeter – es war die Winzigkeit, die für die Gäste aus den Goldäckern am Samstag schließlich den Unterschied machte zwischen Zufriedenheit und großem Hurra. Keine Frage: wäre die Kugel in der besagten Szene ins Netz gerauscht, es wäre wohl die Entscheidung und somit der Calcio-Coup gewesen. Schwer vorstellbar, dass der Gegner es in diesem Fall geschafft hätte, noch zurückzuschlagen.

So stand unter dem Strich im Gipfelduell der Fußball-Verbandsliga beim Tabellenführer und Titelfavoriten SGV Freiberg ein 0:0. Aus Echterdinger Sicht nur ein 0:0? „Eigentlich waren wir hier hergekommen, um drei Punkte zu holen“, sagte der Trainer Cataldo Diletto kess, „und mit ein bisschen mehr Glück hätten wir das auch geschafft.“ Freilich: unabhängig davon durfte er den Seinen eine höchst achtbare Leistung attestieren. Allemal gezeigt hat der Aufsteiger, dass er im Klassement nicht von ungefähr ganz vorne mitmischt. Und tatsächlich sorgte denn auch nicht der im Endspurt versäumte mögliche Sieg für eine gedämpfte Stimmung, sondern vielmehr ein neuerlicher Vorfall hinter den Kulissen.

Gümüssu aus Aufgebot gestrichen

Dort bleibt sich Calcio auch in der jetzigen Erfolgsphase treu: keine Saison ohne hausgemachte Turbulenzen. Drei Wochen nach der im Streit vollzogenen Vertragsauflösung mit dem Torhüter Denis Grgic steht der nächste Leistungsträger auf der Kippe. Gökhan Gümüssu trat die Fahrt nach Freiberg erst gar nicht mit an. Der Grund: nach einem Disput zwischen ihm und Diletto im Abschlusstraining hatte der Verein den Ex-Profi kurzfristig aus dem Aufgebot gestrichen. Ein Knirschen war schon am Spieltag zuvor zu vernehmen gewesen. Da hatte Gümüssu auf seine Auswechslung mit sichtlichem Unverständnis reagiert – und sich darauf erst einmal krank gemeldet.

Ob der 27-Jährige überhaupt noch einmal für Calcio spielt, dürfte sich in dieser Woche klären. Von den Echterdinger Verantwortlichen will sich zum Thema einstweilen keiner äußern. Gümüssu selbst verblüfft auf telefonische Nachfrage zu seiner Abwesenheit mit der Version: „Ich bin verletzt.“ Immerhin aber sprach er damit mehr als seine Teamkollegen. Von jenen herrschte rund um die aktuelle Partie Schweigen. Der Club hat ihnen ein Redeverbot gegenüber der Presse auferlegt – dies offenbar in der Befürchtung, weitere Interna könnten nach Außen dringen.

Spektakel nach der Pause

Dabei hätte es allein zum sportlichen Geschehen einiges zu sagen gegeben. Zu sehen bekamen die rund 600 Zuschauer ein Spiel mit zwei gänzlich unterschiedlichen Hälften. So höhepunktarm und taktikgeprägt die Begegnung in den ersten 45 Minuten vor sich hinplätscherte, so sehr entwickelte sie sich danach zum spitzenwürdigen Spektakel. Wobei: zumindest für Calcio ging die Rechnung auch schon in Durchgang eins auf. Früh attackierend und im Verbund konzentriert verteidigend, drehten die Echterdinger der bis dato torhungrigsten Mannschaft der Liga den Strom ab.

Erst im dann einsetzenden Regen kam der Favorit zu klaren Chancen – auch, weil Diamant Avdiu auf seiner Abwehrseite mit dem schnellen Sven Schimmel zunehmend Probleme hatte. Doch gescheitert sind die Freiberger vor allem an einem Mann: Henning Bortel, ihrem Ex-Keeper, nun in Calcio-Reihen. Er wartete mit mehreren Paraden auf. „Hätte unser Gegner heute einen normalen Torwart im Tor gehabt, hätten wir wohl den ein oder anderen Treffer gemacht“, sagte Ramon Gehrmann, der Trainer des Spitzenreiters. So hatte Bortel maßgeblichen Anteil daran, dass seine Elf in der vierten Partie nacheinander ohne Gegentor blieb. Das nötige Glück ergab sich für ihn dazu, dass der Schiedsrichter lediglich Gelb zog, nachdem Bortel bei einer Rettungsaktion außerhalb des Strafraums den anstürmenden Michael Deutsche umgerannt hatte (77.).

Zwei Siegchancen für Ricciardi

Wer allerdings gedacht hatte, Calcio würde sich nach dieser brenzligen Sequenz durchatmend damit begnügen, das Remis über die Ziellinie zu bringen, sah sich getäuscht. In einer Schlussoffensive schnupperten die Echterdinger zuletzt ihrerseits am Erfolg. Die treibende Kraft war dabei der neben Bortel zweite herausragende Akteur: Ricciardi. Wie gesagt: die Latte. Nicht nur das. Auch in einer anderen Szene hatten die Echterdinger schon den Torschrei auf den Lippen: Bei einem nicht minder aussichtsreichen Kopfball ihres Spielführers kratzte Bortels Gegenüber Thomas Bromma den Ball noch von der Linie (83.).

Wie es Ricciardi selbst sah? Mit einem Kopfschütteln – und wortlos. Jener Mann, der bei seinem Einstieg im Juli verkündet hatte, zu einer besseren Calcio-Außendarstellung beitragen zu wollen, stapfte nach dem Spiel mit einer entschuldigenden Geste an den wartenden Fragestellern vorbei. Sagen durfte er ja nichts.

SGV Freiberg:
Bromma – Schlimgen, Pischorn, Fausel, Gentner – Sebastian Bortel – Schimmel, Savranlioglu (46. Zagaria), Kienast, Deutsche (87. Jelic) – Sökler.

Calcio Leinfelden-Echterdingen:
Henning Bortel – Sylaj, Zalac, Malamidis, Avdiu (89. Orfanidis) – Ricciardi, Pranjic – Niang (53. Abbruzzese), Berger, Candan (63. Di Biccari) – Miftari (74. Lekaj).