Tristes Comeback im Echterdinger Tor: in ein paar Szenen verhinderte Henning Bortel noch Schlimmeres, bei den vier Gegentoren war er jedoch chancenlos. Foto: Yavuz Dural

Nach zuletzt fünf rauschenden Heimsiegen erhält der Verbandsligist Calcio vom Tabellenführer Dorfmerkingen zum Hinrundenabschluss eine Lektion. Beim 1:4 deckt der Gegner schonungslos die Echterdinger Schwächen auf.

Echterdingen - In der ersten Hälfte schmetterte er es den Seinen noch mit Entschlossenheit entgegen: „Männer, spielt Fußball!“ In der Anfangsphase der zweiten wurden die Rufe verzweifelter: „Pressen, pressen!“ In den letzten 25 Minuten war dann nichts mehr zu hören. Stille am Spielfeldrand. Francesco Di Frisco stand im prasselnden Regen, die klammen Finger in den Jackentaschen, die Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen, und schwieg. Womöglich war der Trainer zu der Einsicht gekommen, dass alles andere an diesem Tag eine nutzlose Verschwendung von Stimmkraft gewesen wäre. In jedem Fall aber hatte er die ernüchternde Gewissheit, dass für seine Mannschaft so oder so nichts mehr zu holen sein würde. Nach zuletzt fünf rauschenden Heimsiegen mit insgesamt 24 eigenen Toren hat der Verbandsligist Calcio Leinfelden-Echterdingen zum Hinrundenabschluss seinen Meister gefunden. Gegen den Spitzenreiter Sportfreunde Dorfmerkingen hatte die große Angriffsshow Auftrittspause – stattdessen bekamen die Gastgeber beim 1:4 schonungslos ihre Schwächen aufgezeigt.

„Erneute individuelle Fehler, erneute Konzentrationsmängel in der Abwehr – ich hätte mir gewünscht, dass die Spieler da endlich einmal die Vorgaben umsetzen“, monierte Di Frisco hinterher. Derweil marschierte sein Amtskollege Helmut Dietterle mit einem Strahlen, das die gefühlte Breite eines Fußballtors hatte, in Richtung Kabine. Nicht nur wegen des mit dem Erfolg errungenen Herbstmeistertitels. 35 Punkte, elf Siege aus 15 Begegnungen – der Aufsteiger von der Ostalb grüßt zur Saisonhalbzeit weiter von Platz eins. Mindestens genau so hat Dietterle die aktuelle Leistung gefreut. „Die war eines Tabellenführers würdig“, bilanzierte der Mann, der in der Staffel mehr als jeder andere wissen sollte, wovon er spricht. Schließlich war er einst selbst Profi und hat für den VfB Stuttgart 42 Bundesliga-Spiele absolviert.

Freche Umkehr der Gewohnheiten

In der Summe ergaben diese beiden Komponenten, eigene Unzulänglichkeiten und gegnerische Topform, ein für Calcio verhängnisvolles Gemisch. Dass die seit Wochen praktizierte Gratwanderung zwischen Offensivspektakel und Defensivdesaster diesmal nicht gut gehen würde, zeichnete sich früh ab. Zumal: eben der eigene Trumpf, die Offensive, fand am Samstag dann weitgehend gar nicht statt. Die sonstige Echterdinger Wucht versandete in den Fängen eines Gasts, der mit einem kühlen Matchplan aufwartete. „Die Marschroute war, früh draufzugehen und den Gegner in dessen Abwehr zu beschäftigen, sodass er er nicht in die Nähe unseres Strafraums kommt“, erläuterte Dietterle. Gesagt, getan. Zumindest im ersten Durchgang sah sich Di Friscos Elf überwiegend in die eigene Hälfte gedrängt. Freche Umkehr der Gewohnheiten: nicht sie, die Calcio-Kicker, gaben mit spielerischer Überlegenheit auf dem Rasen den Ton an– diesmal waren sie selbst am Hinterherlaufen. Aus gewolltem Agieren wurde ein notgedrungen bloßes Reagieren.

Und, nicht nur das: hinzu kam, dass die Echterdinger diesmal einen Kontrahenten erwischten, der über die Klasse verfügte, ihre wunden Punkte ohne Gnade aufzudecken. Als da wäre das mangelhafte Umschaltspiel. Der Wechsel von Angriff auf wieder geordnete Abwehr nach Ballverlusten verläuft nach wie vor zu oft im AH-Tempo. Als da wäre auch die Anfälligkeit auf den Außenpositionen. Aktuell taumelte die rechte Seite mit dem Startelf-Rückkehrer Bastian Joas von einer Verlegenheit in die andere. Besser wurde es in diesem Bereich erst, als Di Frisco nach der Pause von einer Dreier- auf eine Viererabwehrkette umstellte und Dimitrios Vidic vom Mittelfeld zusätzlich in den Defensivverbund beorderte. Freilich: da war Calcio bereits angezählt.

Nietzer dreifacher Torschütze

Zum Spieler des Spiels avancierte schließlich Daniel Nietzer. Der 27-Jährige mit der Brecherfigur erzielte drei der vier Dorfmerkinger Treffer. Zum 0:1 nach einem von ihm selbst energisch initiierten Konter – ausgeführt hatten die Echterdinger einen Freistoß am gegnerischen Strafraum, ehe es pfeilschnell in die Gegenrichtung ging, flankiert von lautstarken Unmutsbekundungen Di Friscos (24.). Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Schonung der Stimmbänder angesagt.

Beim 0:2 dann wuchtete Nietzer den Ball mit dem Kopf ins Netz (66.), und zum 0:4 hatte er nach einem verlorenen Zweikampf des Calcio-Verteidigers Mahir Ege freie Bahn (78.). Dazwischen lag das 0:3 durch den Ex-Aalener Daniel Weiß per Elfmeter – die Folge einer ungestümen Aktion des gerade erst eingewechselten Volkan Candan (72.). In allen Fällen war einer chancenlos: der Torhüter Henning Bortel, der somit nach zweimonatiger Calcio-Auszeit ein tristes Comeback feierte. Dass zuletzt Shkemb Miftari noch das Ehrentor gelang (87.)? Geschenkt.

Scheuring und Avdiu ausgefallen

Insgesamt sah auch Di Frisco „einen hoch verdienten gegnerischen Sieg“, bei dem er den kurzfristigen Ausfall seiner Stammkräfte Thomas Scheuring (erneuter Muskelfaserriss) und Diamant Avdiu (Leistenzerrung) nicht als Entschuldigung gelten lassen wollte. Einen gegnerischen Sieg, dem für Calcio im Jahr 2017 nun nur noch eine Aufgabe folgt. Am nächsten Sonntag treffen die Echterdinger als weiter Tabellenachter zum Rückrunden-Start erneut zuhause auf den VfL Sindelfingen.

Kleiner Hinweis an die Mannschaft: eine anhaltende Ruhe von Trainerseite sollte bis dahin besser keiner erwarten. In der Hinsicht war das finale Schweigen an der Seitenlinie wohl eher ein Warnsignal.

Calcio Leinfelden-Echterdingen:
Bortel – Ege (82. Altuntas), Pranjic, Weber (70. Candan) – Joas (76. Zukic), Saglam, Gümüssu, Vidic – Ismaili, Lekaj (90. Hosseini), Miftari.

Spfr. Dorfmerkingen:
Zech – Gruber, Michael Schiele, Fabian Janik, Murphy (60. Brenner, 85. Sauer) – Scherer, Weißenberger, Haller, Benjamin Schiele (79. Jeffrey Janik) – Weiß, Nietzer (82. Marianek).