Die S-Bahn ist eigentlich eine Erfolgsgeschichte des Verbands Region Stuttgart – wenn nicht die seit Jahren zunehmenden Verspätungen wären Foto: PPfotodesign

Verband häh? Seit 20 Jahren gibt es den Verband Region Stuttgart, und trotzdem haben viele Bewohner des Ballungsraums nie etwas von ihm gehört. Für den Vorsitzenden Thomas Bopp kein Problem. Wenn man weiter erfolgreich arbeite, werde sich das schon ändern.

Verband häh? Seit 20 Jahren gibt es den Verband Region Stuttgart, und trotzdem haben viele Bewohner des Ballungsraums nie etwas von ihm gehört. Für den Vorsitzenden Thomas Bopp kein Problem. Wenn man weiter erfolgreich arbeite, werde sich das schon ändern.

Kompromiss zum Auftakt

1992 tobte die Wirtschaftskrise in Baden-Württemberg, im vom Automobil- und Maschinenbau geprägten Raum Stuttgart gingen Zehntausende Arbeitsplätze verloren. In Teilen der Politik reifte die Erkenntnis, dass es größerer Veränderungen bedarf, um die Lokomotive des Landes wieder unter Dampf zu setzen. Allerdings war der Landtag unter der Führung des Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) nicht bereit, Stuttgart und die fünf Landkreise Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr gleich zu einem großen Regionalkreis zu verschmelzen und auch noch mit einem eigenen Etat zu auszustatten. Die Stuttgarter Extrawurst sollte aus Rücksicht auf den Rest vom Land nicht allzu groß ausfallen. So blieb es auch beim öffentlichen Nahverkehr bei der Zuständigkeit für die S-Bahn und die Finanzierung des gemeinsamen Fahrscheins für alle Busse und Bahnen. Ein Kompromiss, der die Arbeit der ersten direkt gewählten Regionalversammlung, die am 19. Oktober 1994 auf dem Killesberg zusammentrat, nicht leicht machen sollte.

Erfolge bei der S-Bahn

Für den heutigen Vorsitzenden des Gremiums, Thomas Bopp, der als Regionalrat schon damals schon mit von der Partie war, ließen die ersten Erfolge dennoch nicht lange auf sich warten. „Damals ist es etwa mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs nicht weitergegangen“, erinnert sich Bopp. Bei Stadt und Landkreisen hätte die Haltung vorgeherrscht, dass man einen S-Bahn-Ausbau nur unterstütze, wenn man selbst auch etwas bekomme. „In der Regionalversammlung ging es dann dagegen immer darum, das Netz insgesamt zu verbessern.“ So erreichte die S 2 im Jahr 2001 Filderstadt-Bernhausen, die S 1 fuhr ab 2009 von Plochingen weiter nach Kirchheim/Teck, und die S 60 fuhr trotz vieler Rückschläge ebenso ab Dezember 2012 von Böblingen durch bis Renningen wie die S 4 von Marbach nach Backnang. Die Region führte den 15-Minuten-Takt ein, baute ihn aus und schickte die Nacht-S-Bahn an Wochenenden auf die Reise. Allerdings fahren inzwischen rund 380 000 Fahrgäste täglich mit dem „Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs“ (Bopp) – eine Menge, unter die S-Bahn längst ächzt.

Landesmesse und S 21

Einen großen Anteil hatten Verband und Regionalversammlung an der 2007 eröffneten Landesmesse auf den Fildern. Der Verband hatte den Standort am Flughafen in einem großen Suchlauf als besten in der Region Stuttgart identifiziert und konnte dies gegen die Messegegner auch vor dem Bundesgerichtshof in Leipzig durchfechten. Außerdem beteiligte er sich mit gut 51 Millionen Euro an den Baukosten in Höhe von etwa 817 Millionen. Mit 100 Millionen Euro ist die Regionalversammlung beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 dabei – einem Anteil, der den Vorteilen für den Regionalverkehr etwa durch die neue S-Bahn-Station Mittnachtstraße entsprechen soll.

Vergebliches Machtstreben

Das Gesetz über die Errichtung des Verbands von 1994 versetzte die Region nicht eben in eine starke Position. In vielen Gemeinderäten und Kreistagen wurde fortan über ihren Finanzbedarf gejammert, da die Kreise das Geld überweisen müssen, das sie ihrerseits bei den Kommunen eintreiben. Wenn Regionalräte Verbesserungsbedarf bei den Bustakten witterten, hieß es stets, die da in Stuttgart hätten keine Ortskenntnis. Lange Jahre herrschte zwischen dem Verband in der Kronenstraße und den Landratsämtern dicke Luft. Anlass war die immer wieder mit großer Mehrheit beschlossene Forderung der Regionalversammlung ans Land, die Zuständigkeit für den gesamten öffentlichen Nahverkehr übertragen zu bekommen. Sie wurde nicht Wirklichkeit – weder unter CDU und FDP noch unter Grünen und SPD. Die Verbesserungen im Gesetz fielen minimal aus. So darf der Verband seit 2004 einen regionalen Landschaftspark mit Oasen der Naherholung nicht nur planen, sondern – zusammen mit den Kommunen – auch finanzieren und Großprojekte oder -veranstaltungen mit einfacher Mehrheit beschließen.

Zeit der Annäherung

Im Streit um die Zuständigkeiten schmiedete Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im vergangenen Winter einen Kompromiss mit der Überschrift ÖPNV-Pakt 2025. Damit behält jeder der Partner im Verkehrsverbund Stuttgart weitgehend seine Zuständigkeit und verpflichtet sich zu weiteren Verbesserungen. Regionalpräsident Bopp hat das Ringen um mehr Macht hinter sich gelassen. „Ich breche in den nächsten fünf Jahren keinen Kompetenzstreit mehr vom Zaun“, sagte er am Dienstag dieser Zeitung. Stattdessen setzt er auf Zusammenarbeit – auch in der Wirtschaftsförderung. Die regionale Wirtschaftsförderungstochter habe mit 15 Kompetenzzentren maßgeblich bewirkt, dass Wettbewerber in einer Branche heutzutage gegen die weltweite Konkurrenz zusammenarbeiten – das sei vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen. Künftig werde es vor allem darum gehen, Fachkräfte zu gewinnen, die zunehmend fehlen.

Bopp wird wohl wieder voran gehen. Seine Wiederwahl in der konstituierenden Sitzung der neuen Regionalversammlung an diesem Mittwoch um 15.30 Uhr in der Liederhalle gilt als sicher. Schon jetzt ist der seit 2007 amtierende selbstständige Architekt der am längsten amtierende aller Regionalpräsidenten. Seine Vorgänger Hans Jochen Henke (1994 bis 1995), Wolfgang Rückert (1995 bis 1996), Eberhardt Palmer (1996 bis 1999), Helmut Xander (1999 bis 2000) und Jürgen Fritz (2000 bis 2007) hielten es aus unterschiedlichen Gründen nicht so lange in dem Ehrenamt.