Die Regionalversammlung streitet über die Größe und die Finanzausstattung der Fraktionen – aber nicht wie hier in einer öffentlichen Sitzung, sondern hinter verschlossenen Türen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie groß muss eine Gruppe und eine Fraktion in der Regionalversammlung sein? Was von außen betrachtet wie eine unbedeutende Frage aussieht, sorgt für internen Streit im Parlament des Verbands Region Stuttgart. Wir erklären warum.

Stuttgart - In derRegionalversammlungtobt ein interner Streit über Größe und Finanzen der Fraktionen. Der Ältestenrat hat, wie unsere Zeitung aus der nichtöffentlichen Sitzung erfuhr, den Regionalpräsidenten Thomas Bopp beauftragt, einen Vorschlag zu machen, der die Mindestgröße von Fraktionen und Gruppen anheben und die finanziellen Zahlungen neu justieren soll. Die großen Fraktionen, allen voran CDU und SPD, aber auch Freie Wähler und Grüne, wollen damit die – aus ihrer Sicht – Bevorzugung von kleinen Fraktionen und Gruppen korrigieren. Die Fraktionen Linke und FDP, mit fünf beziehungsweise vier Mitgliedern, kündigen bereits Widerstand an.

Künftig fünf statt vier Mitglieder pro Fraktion?

Offenbar ist daran gedacht, dass Gruppen ab der kommenden, nach der Regionalwahl im Sommer 2019 beginnenden Legislaturperiode mindestens drei (bisher zwei) Regionalräte haben müssen, Fraktionen mindestens fünf (bisher vier) Mitglieder. Heute gibt es in der Regionalversammlung zwei Gruppen mit je zwei Mitgliedern: die AfD und die Innovative Politik, zu der sich ein Republikaner- und ein AfD-Regionalrat zusammengefunden haben. Die FDP-Fraktion hat vier, die Linke fünf Mitglieder (darunter ein Pirat). Die anderen Fraktionen sind deutlich größer: Freie Wähler haben 13, SPD 15 und Grüne 16 Mitglieder (darunter eines von der ödp). Die CDU ist mit 30 Mitgliedern die größte Fraktion in der 87-köpfigen Regionalversammlung.

Finanziert werden die Fraktionen und Gruppen aus dem Etat des Verbands Region Stuttgart. So erhalten die Gruppen pro Monat 200 Euro „Grundbetrag“, die Fraktionen gestaffelt nach Größe 1500 Euro (vier bis zehn Mitglieder), 1700 Euro (11 bis 20 Mitglieder) und 2000 Euro (über 20 Mitglieder). Hinzu kommen 110 Euro pro Mitglied. Mit diesem – intern so genannten – „Kopfgeld“ gibt es monatlich für die Gruppen AfD und IP je 420 Euro, für die FDP-Fraktion 1940 Euro, für die Linke 2050 Euro, für Freie Wähler 3130 Euro, für die SPD 3350 Euro, für die Grünen 3460 Euro und für die CDU 5300 Euro.

CDU und SPD drängen auf Änderung

Damit habe die FDP beispielsweise fast 500 Euro pro Mitglied zur Verfügung, die CDU aber nur knapp 180 Euro, heißt es aus den Reihen der Befürworter einer Reform, die anderen Fraktionen liegen zwischen diesen Werten. Seitens der CDU wird deshalb schon lange auf einer Änderung gedrängt. „Diese Diskrepanz ist auch nach der Rechtssprechung kritisch zu sehen“, sagt ein Fraktionschef.

Bei Linken und FDP wird dieses Ungleichgewicht nicht abgestritten, allerdings wehrt man sich dort vor allem dagegen, dass die Mindestgröße für Fraktionen angehoben werden soll. Christoph Ozasek, Fraktionschef der Linken, sagt: „Wir haben dieses Thema streitig gestellt und zugleich erklärt, dass wir eine einvernehmliche Lösung für am besten halten würden“. Er wartet mit dem Vorschlag auf, keine absolute Zahlen als Mindestgrößen zu nennen, sondern Prozentzahlen: bei drei Prozent der Mitglieder der Regionalversammlung gebe es eine Gruppe, ab fünf Prozent eine Fraktion. Das hätte – je nach Mitgliederzahl der Regionalversammlung, die mindestens 80, aber höchstens 96 Mitglieder hat, und nach Auf- und Abrundungen – Mindestgrößen von zwei bis drei bei Gruppen und vier bis fünf bei Fraktionen zur Folge. Ozasek: „Ich halte das für ein vermittlungsfähiges Angebot“. Im Ältestenrat habe es dafür aber zunächst keine Zustimmung gegeben. Er warte nun ab, was Bopp vorlege.

Linke und FDP wehren sich

Für FDP-Fraktionschef Kai Buschmann steht bereits fest, dass „wir eine Änderung der Mindestgrößen ablehnen.“ Zwar seien die Liberalen schon „so ambitioniert, dass uns dies in der nächsten Legislatur nicht betrifft, weil wir nach der Wahl mehr als vier Sitze haben werden“, sagt er. Bei den Kosten gibt er zudem zu bedenken, dass auch kleine Fraktionen und Gruppen fixe Ausgabe für Büro und Verwaltung hätten, die von der Größe unabhängig seien. Auch die Vorhaltungen, dass die Gruppen dank ihrer Redezeiten eine zu große Beachtung finden, teilt er nicht: „Das muss man in einer Demokratie aushalten können“, sagt Buschmann, „auch wenn AfD und IP manchmal unmögliche Ansichten vertreten, halte ich Beschränkungen für falsch.“

Groß gegen klein auch bei anderen Fragen

Ob es Bopp gelingt, einen von allen Fraktionen und Gruppen getragenen Vorschlag zu machen, erscheint vor diesem Hintergrund fraglich. Dann würde die Mehrheit entscheiden. Zumal es auch in weiteren Punkten eine Frontstellung „kleine“ gegen „große“ Fraktionen gibt: So haben sich CDU, Grüne und SPD im über seit Jahren laufenden Streit um Zuständigkeiten hinter Bopp gestellt, während Linke, FDP und die Gruppen an der Seite von Regionaldirektorin Nicola Schelling stehen. Zudem weisen Vertreter der großen Fraktionen immer wieder darauf hin, dass man den kleinen Fraktionen bei der Verteilung der Ausschusssitze und der Redezeiten entgegengekommen sei. „Während Mitglieder großer Fraktionen sich nur selten zu Wort melden können, ist das bei den Kleinen ganz anders“, heißt es. Für Unmut sorgte auch, dass sich neben der AfD mit der IP eine weitere Gruppe bildete, die aus einem, aus persönlichen Gründen aus der AfD-Gruppe geschiedenen AfD-Mitglied und dem Landesvorsitzenden der „Republikaner“ besteht. Damit, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, würden die Rechtsaußen sich stärker aus der Verbandskasse finanzieren lassen und wären stärker in den Gremien vertreten, als ihnen eigentlich zustehe.

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