Ein besonderer Kulturraum – die Konstanzer Kirche in Ditzingen Foto: factum/Archiv

Im Ditzinger Zentrum hat sich eine Veranstaltungsreihe etabliert, die alle anspricht – und ein Gebäude belebt. Am Samstag, 2. März, wird zum 200. Mal Kultur geboten.

Ditzingen - Alle zwei Wochen nehmen sich die Ditzinger Zeit. Zeit, um vertraute Töne zu hören, neuen Klängen zu lauschen, aber auch mal, um einen Stummfilm anzuschauen. Sie nehmen sich Zeit, um Neues zu entdecken oder sich in Vertrautem auszuruhen. Oder einfach nur, um innezuhalten. All das ist bei der „Musik zur Marktzeit“ möglich. Die Menschen wissen das offenbar zu schätzen. „Es hat noch nie ein Handy geklingelt. Entweder die Ditzinger sind so anständig, oder sie wollen bewusst vom Alltag abschalten“, sagt der Organisator Andreas Gräsle.

Seit zehn Jahren gibt es diese Veranstaltungsreihe in der Ditzinger Stadtmitte. Alle 14 Tage, samstagmorgens, lädt der Bezirkskantor Gräsle in die Konstanzer Kirche zu einem rund halbstündigen Konzert ein. An diesem Samstag zum 200. Mal.

Der Organisator spielt auch selbst

Andreas Gräsle organisiert zwar das Programm, aber bisweilen ist der Organist auch selbst an der Orgel zu hören. Es ist erst wenige Wochen her, dass er mit seinem Musikerkollegen, dem Saxofonisten Dieter Kraus, zum Buster-Keaton-Stummfilm „The Cameraman“ improvisierte. Für solche außergewöhnlichen Veranstaltungen wird dann schon mal die vertraute Uhrzeit am Samstagvormittag geändert. Dafür kommen dann aber auch alle Generationen. Senioren, weil sie mal wieder einen Buster-Keaton-Film sehen wollen. Familien kommen und Eltern entdecken dabei, dass ihre Kinder im Grundschulalter ebenso herzlich wie sie selbst laut über den historischen Slapstick lachen können.

Ob mit Buster Keaton, Texten von Nelly Sachs, Musik aus dem Barock oder der Moderne, mit international auftretenden Solisten oder örtlichen Ensembles: Immer geht es Andreas Gräsle darum, Kultur zu vermitteln. Kultur, die ein Künstler geschaffen hat, in der er die Menschen mit ihren Stärken und Schwächen darstellte. Kunst, worin der Künstler auf die Zeit reagierte, in der er lebte. Wie etwa Ludwig van Beethoven, dessen Musik geprägt ist vom Geist der Aufklärung, einer Zeit, in der die Leute Neues wagten.

Heute ist es nicht ungewöhnlich, Beethovens Musik in einem sakralen Gebäude, in einer Kirche zu spielen. Die Grundsatzfrage aber ist auch für Gräsle geblieben. „Wie weit kann man den Kulturraum aufmachen, ohne dass man aneckt?“ Dahinter steht auch die Frage, wie weit der Mensch bereit ist, sich auf Neues einzulassen - und sich überraschen zu lassen.

Ein Flügel für die Konstanzer Kirche war zunächst auch ungewöhnlich. Inzwischen wissen die Ditzinger das Instrument und die Konzerte darauf zu schätzen.

Konzert zum Jubiläum

Nächstes Jahr wird die Musikwelt feiern, dass Beethoven vor dann 250 Jahren geboren wurde. Auch Gräsle wird dieses im Programm berücksichtigen, so wie er immer besondere Daten im Programm aufgreift. Ganz gleich, ob es sich dabei um Komponisten oder Ereignisse wie etwa die Reformation handelt. Der Organisator ist offen in der Programmgestaltung: Offen für die Sänger und Instrumentalisten, Solisten und Ensembles auch aus Ditzingen, die einen Samstagvormittag gestalten wollen. Gräsle spricht von einem „schönen Netzwerk“, das inzwischen entstanden sei. „Es ist schon ein Glückserlebnis, dass sich die Reihe von innen heraus entwickelt“ , sagt der Initiator. Er brachte die Idee dazu aus seiner vorigen Wirkungsstätte in Schwäbisch Gmünd mit. Eine wöchentliche Veranstaltung wäre zu viel, doch ein Ritual sollte die Veranstaltung in der Kirche sein. Somit gibt es alle 14 Tage eine „Musik zur Marktzeit“, seit zehn Jahren.

Am Samstag, 2. März, spielt die Pianistin Anastasia Riasanow Werke von Bach, Chopin und Rachmaninow in der Konstanzer Kirche. Das Konzert beginnt um 10 Uhr.