Niemand sollte allein sterben müssen. Foto: dpa/Norbert Försterling

„Selbstbestimmt leben, selbstbestimmt sterben“: Diesen Titel trägt eine Veranstaltung des Palliativverbundes Fildern, die Ende Oktober in Echterdingen angeboten wird und die Sterbehilfe zum Thema hat.

Anders als in Mexiko befassen sich die Menschen hierzulande am liebsten nicht mit der eigenen Sterblichkeit. „Ein Leben ohne Beschwerden und mit allen Freiheiten gilt hier als gutes Leben“, sagt Katrin Schlegel, Koordinatorin der Hospizgruppe Leinfelden-Echterdingen. Erst wer selbst geliebte Menschen verloren hat, weiß, wie wichtig es wäre, bestimmte Fragen so früh wie möglich zu klären: Wie möchte ich einmal sterben? Wie soll der letzte Lebensabschnitt gestaltet sein?

 

In diese höchst private Angelegenheit mischt sich die denkbar schwierige Frage, ob es in Ordnung ist, dem Schicksal auf die Sprünge zu helfen. Beispielsweise dann, wenn das Leiden zu groß geworden ist. „In Deutschland kann ich mir keine Tablette geben lassen, um mein Leben zu beenden“, klärt Carola Riehm, die Vorständin des Fördervereins Hospiz auf den Fildern sowie Pflegedienstleiterin der Filderklinik, über die Gesetzeslage auf.

Konkrete Vorschläge zur Regelung der Sterbehilfe lagen zuletzt im Frühsommer auf dem Tisch, nachdem 2020 das Bundesverfassungsgericht das seit 2015 geltende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe im Strafgesetzbuch gekippt hatte. Dem Bundestag wurden zwei gegensätzliche Entwürfe vorgelegt. Der eine sah striktere Regelungen im Strafgesetzbuch vor. Im dem anderen hatte es geheißen: „Jeder, der aus autonom gebildetem, freien Willen sein Leben eigenhändig beenden möchte, hat das Recht, hierbei Hilfe in Anspruch zu nehmen.“ Ärzte hätten Volljährigen dann Arzneimittel hierfür verschreiben dürfen. Die Länder hätten Beratungsstellen dafür einrichten sollen. Beide Entwürfe haben keine Mehrheit gefunden.

Jeder stirbt seinen eigenen Tod

Carola Riehm versteht das Dilemma der Politik. „Kann man den Sterbewunsch erfüllen oder nicht? Das ist ein so wichtiges und ein so schwieriges Thema“, sagt sie. Sie persönlich kann sich nicht vorstellen, einen Menschen beim assistierten Suizid zu begleiten. Katrin Schlegel sagt: „Das Leben ist nicht schwarz oder weiß“. Und: „Jede Geburt ist anders, jedes Leben auch und jeder stirbt seinen eigenen Tod.“

Die politische Debatte darüber hat die beiden Frauen dazu bewogen, mit dem Palliativverbund Fildern eine Podiumsdiskussion zu organisieren. Wie denken Vertreter aus Politik, Medizin und Theologie darüber? Wie geht es Angehörigen, deren Liebste sich für diese Form des Sterbens entscheiden? Unter der Überschrift „Selbstbestimmt leben – selbstbestimmt sterben,“ werden am Freitag, 27. Oktober, in der Echterdinger Zehntscheuer Expertinnen und Experten über Sterbebegleitung, die politische Debatte zur Sterbehilfe, den palliativen Gedanken und die Rolle der Angehörigen sprechen.

Angehörige sollten sich in den Entscheidungsprozess einbringen, findet Carola Riehm, und fragen: „Wo stehe ich, was erwartest Du von mir?“ Die ambulanten Hospizgruppen seien eine gute Anlaufstelle für sie, sagen beide Frauen. „Wir haben hier in Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen einen tollen Verbund.“ Die Ehrenamtlichen der Hospizgruppen können beraten, Kontakte zu Palliativmedizinern herstellen. „Wir begleiten von der Diagnose an und über den Tod hinaus“, sagt Katrin Schlegel. Das Ziel: Den restlichen Tagen eines Lebens mehr Leben zu geben.

Warum jemand sterben will

Auf dem Podium wird auch Anna Elisabeth Landis, eine Ärztin von Dignitas- Deutschland sitzen. Sie wird Aspekte des assistierten Suizids aufzeigen. Wenn der Satz: „Ich mag nicht mehr“ fällt, versuchen Carola Riehm und Katrin Schlegel dem Sterbewunsch zunächst in Gesprächen Raum zu geben und dabei zu klären, woher dieser Gedanke kommt, warum jemand sterben will.

„Die meisten Menschen hängen am Leben“, sagt Katrin Schlegel. Und: „Viele sind allein.“ Die Einsamkeit sei eine große Triebfeder, aber auch die Angst, den Angehörigen zu sehr zu Last zu fallen, oder das Wissen darüber, was ihre Pflege der Familie abverlangt und was sie auch finanziell kostet. Die Beiden versuchen den Menschen zuzuhören, ihnen Begleitung anzubieten und Möglichkeiten aufzuzeigen, ihr Leiden zu lindern. „Viele wollen einfach gehört und gebraucht werden“, sagt Katrin Schlegel. „Niemand sollte leidend sterben müssen“, ergänzt Carola Riehm. „Niemand muss dabei allein sein.“ Die Veranstaltung soll helfen, über das Sterben zu reden und nachzudenken. „Es ist erlaubt, Fragen zu stellen“, sagt Riehm. Ohne, gleich in eine Schublade gesteckt zu werden.

Podium in der Zehntscheuer

In der Zehntscheuer
 Die Veranstaltung „Selbstbestimmt leben – selbstbestimmt sterben“ beginnt am Freitag, 27. Oktober, um 18.30 Uhr in der Echterdinger Zehntscheuer, Maiergasse 8.

Auf dem Podium
 Auf dem Podium sitzen Markus Grübel (MdB, Gesprächskreis Hospiz & Palliativmedizin), Anna Elisabeth Landis (Ärztin von Dignitas-Deutschland), Susanne Kränzle (Hospiz Esslingen), Dekan Gunter Seibold, Carola Riehm (Förderverein Hospiz auf den Fildern). Esther Saoub vom SWR moderiert die Diskussion.