Bordellbetreiber, Verwaltung und Politiker sind sich einig: Im „Städtle“ muss die Polizei präsent sein. Foto: dpa

Fast 60 Jahre lang hat sich in Stuttgart eine eigene Dienststelle um Probleme rund um das horizontale Gewerbe gekümmert. Diese landesweit einzigartige Institution wird es von September an nicht mehr eigenständig geben.

Stuttgart - Die Experten der Polizei für das Thema Prostitutionziehen wieder in die Nähe des Rotlichtviertels. Vom 1. September an werden die zwölf Beamten des Arbeitsbereichs Prostitution in der Christophstraße ihren Sitz haben – dort, wo sie einst auch als Dienststelle angesiedelt waren. Das bestätigte ein Polizeisprecher auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Reaktionen darauf sind gespalten: Einerseits begrüßt man es in der Altstadt, die Ansprechpartner für die spezifischen Probleme des Rotlichtmilieus wieder in unmittelbarer Nachbarschaft zu haben. Kritik wird jedoch laut, seit bekannt ist, dass die Dienststelle in den Kriminaldauerdienst integriert werden soll. Die Polizei begründet ihre Entscheidung mit Personalengpässen. Sie sollen durch die Zusammenlegung ausgeglichen werden.

Die Dienststelle besteht seit dem 1. November 1956

„Nach der Reform ist vor der Reform“ heißt es bei der Polizei immer, wenn Strukturen verändert werden. Dieses Motto bewahrheitet sich im Fall des Arbeitsbereiches Prostitution, der seit dem 1. November 1956 besteht, schneller, als es mancher gedacht hätte, nämlich nach nur dreieinhalb Jahren. Anfang 2013 war die landesweit einzige derartige Dienststelle im Zuge der baden-württembergischen Polizeireform dem Dezernat für Sexualdelikte angegliedert worden. Die Be- amten taten fortan überwiegend im Präsidium auf dem Pragsattel Dienst, zuvor hatten sie ihre Räume in der Christophstraße gehabt. Dort ist auch der Kriminaldauerdienst der Polizei angesiedelt, bei dem auch weiterhin einzelne Beamte des Arbeitsbereichs Prostitution saßen. Damit sollte sichergestellt werden, dass der enge Kontakt ins „Städtle“ nicht abreißen würde. Die Polizeiführung hatte damals argumentiert, viele Themen des Ermittlungsdienstes seien eng mit jenen des Dezernats für Sexualdelikte verwandt.

Die Umstrukturierung soll Personalengpässe kompensieren

Der Polizeisprecher Thomas Geiger bestätigt, dass es von September an den Arbeitsbereich Prostitution nicht mehr geben werde. Die Kollegen würden zusammen mit den Beamten des Kriminaldauerdienstes in Schichten eingeteilt. Der Kriminaldauerdienst ist – wie der Name ahnen lässt – rund um die Uhr im Einsatz, wenn Verbrechen in der Stadt gemeldet werden. Die Beamten des früheren Arbeitsbereichs Prostitution würden sich weiterhin ihrem Schwerpunkt widmen. Das gelte auch für ihren Chef Wolfgang Hohmann, der im Tagesdienst arbeiten werde. „Personal ist rar, die Kollegen sollen sich gegenseitig unterstützen“, erläutert der Polizeisprecher. Für den Arbeitsbereich Prostitution werde weiterhin ein Tagesdienst eingeteilt. Bisher habe es häufig Engpässe gegeben. So sei es schwierig gewesen, auszurücken, wenn einer der normalerweise zwei Kollegen in einer Schicht gefehlt habe.

„Man hat uns versichert, dass die Experten vor Ort bleiben, sie werden absolut gebraucht“, sagt der Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) zu der Entwicklung. Das „Städtle“ brauche wie alle öffentlichen Räume „einen gewissen Druck“, um das Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten. Es sei gelungen, den Straßenstrich einzudämmen. Statt knapp 100 Frauen wie vor drei Jahren würden nur noch um die 20 auf der Straße stehen, hat die Stadt zusammen mit der Polizei erhoben. Schairer hofft auf eine starke Polizeipräsenz in der Altstadt.

Im Viertel sind die Stimmen sehr kritisch. „Es ist kurios, dass man bei einer steigenden Zahl von illegalen Betrieben in der Stadt eine Stelle auflöst, die über Jahrzehnte Fachwissen gesammelt hat“, sagt John Heer, der einen Club betreibt. Die Kompetenz der Dienststelle gehe damit verloren. „Das passt nicht zum Konzept der Stadt, die illegale Prostitution eindämmen zu wollen“, fügt John Heer hinzu. Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) sagt, sie vermisse schon heute die Präsenz der Polizei. Daher könne sie nicht sagen, ob das eine Verschlechterung sei.