Der Schutz der Mitarbeiter steht im Fokus – auch in der Produktion in Mulfingen. Foto: Louisa Marie Summer

Der Ventilatorenhersteller aus Mulfingen (Hohenlohekreis) will künftig mit digitalen Geschäftsmodellen punkten und hat dazu eine neue Gesellschaft gegründet und sich an drei Start-ups beteiligt.

Mulfingen - Für EBM-Papst ist die Digitalisierung ein wichtiges Thema, das durch die Corona-Krise an Gewicht gewonnen hat. „Digitalisierung in Verbindung mit Energieeffizienz ist ein bedeutendes Zukunftsfeld für die EBM-Papst-Gruppe und ermöglicht uns viele Chancen“, sagt Stefan Brandl, der Vorsitzende der Geschäftsführung. Deshalb baut der Mittelständler seine Denkfabrik in Dortmund aus und gründete im April 2020 die Gesellschaft EBM-Papst Neo, die auf digitale Services setzt und neue Kunden, nämlich Gebäudeinhaber bringen soll. Konkret geht es um Systeme zur intelligenten Datenanalyse, mit denen die neue Tochtergesellschaft die Energiebilanz und Luftqualität in Gebäuden optimieren will.

Zusätzlich hat sich EBM-Papst an drei internationalen Start-ups beteiligt, was einen schnelleren Technologietransfer bringen soll. „Raumluftqualität ist ein wichtiges Thema, vor allem in Corona-Zeiten, und ein starkes Wachstumsfeld“, sagt Brandl. Er denke dabei vor allem an den Smog in Städten wie Shanghai oder Peking. Solche digitalen Geschäftsmodelle helfen laut Brandl auch dem Kerngeschäft, nämlich dem Verkauf von Ventilatoren.

Mit Zukunftsaussagen tut sich Brandl schwer, denn „die Konjunktur- und Corona-Krise wird uns mittelfristig stark belasten und uns viel abverlangen“. Manche Märkte hätten sich komplett verabschiedet, manche Kunden und Zulieferer auch. Priorität habe die Sicherung des laufenden Betriebs, der Schutz der Mitarbeiter und die Versorgung der Kunden. Mittlerweile sei man wieder auf ein „normales Maß“ zurückgekehrt, mit dem man sicher durch die Krise komme.

Die Strategie „local for local“, also vor Ort für die jeweiligen Märkte zu produzieren, will Brandl konsequent ausbauen. In China wurde im vergangenen Geschäftsjahr ein drittes Werk in Xi’an fertiggestellt und in den USA ein zweiter Standort in Betrieb genommen. Die hohe Eigenständigkeit in China habe es EBM-Papst ermöglicht, dort bereits seit März wieder mit voller Kapazität zu produzieren. Außerdem könnten durch die Internationalisierung auch Risiken aus Handelskonflikten und Währungsschwankungen reduziert werden.

Enorme Nachfrage aus der Medizintechnik

Die Liquiditätssicherung hat im Unternehmen oberste Priorität. Deshalb kommen in diesem Jahr Investitionen auf den Prüfstand. Im vergangenen Jahr investierten die Mulfinger gut 134 Millionen Euro, fast 85 Millionen davon im Inland. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sollen in diesem Jahr mit rund 110 Millionen Euro aber fast auf Vorjahreshöhe liegen. Nach Einbrüchen im April und Mai ist der Auftragseingang im laufenden Monat Juni stabil. Deshalb sei das Ziel nach wie vor, das Geschäftsjahr mit einem einstelligen Minus zu beenden, sagt Brandl und ist zuversichtlich, das zu schaffen.

Im vergangenen Geschäftsjahr 2019/2020, das am 31. März endete, ist der Umsatz leicht um 0,2 Prozent auf 2,19 Milliarden Euro gestiegen – in einem schwierigen Marktumfeld, geprägt durch Bremsspuren durch Covid-19 und konjunkturellen Eintrübungen, wie Brandl sagt. Durch Corona verzeichnete die Medizintechnik, die bei EBM-Papst rund 60 Millionen Euro Umsatz macht, eine enorme Nachfrage. Bei Komponenten für Beatmungsgeräte stieg sie um das 15-fache auf 1,5 Millionen Einheiten pro Jahr. „Es kamen Anfragen aus der ganzen Welt“, sagt Brandl.

Verhandlungen über Jobabbau in Landshut

Das Unternehmen ist mit drei Geschäftsbereichen breit aufgestellt. Die industrielle Lufttechnik (Mulfingen) legte um 0,1 Prozent auf 1,45 Milliarden Euro zu, der in St. Georgen/Schwarzwald angesiedelte Geschäftsbereich Automotive und Antriebstechnik legte um 3,6 Prozent auf 339 Millionen Euro zu und das Segment Hausgeräte/Heizgeräte (Landshut) büßte rund zehn Millionen Umsatz auf 402 Millionen Euro ein. Hausgerätekunden wie BSH oder Miele leiden unter dem enormen asiatischen Wettbewerbsdruck, was auch EBM-Papst zu spüren bekommt. Deshalb wird in Landshut, wo rund 1150 Mitarbeiter beschäftigt sind, umstrukturiert und Personal abgebaut.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Mitarbeiter im Konzern um rund 420 auf gut 14 600 zurückgegangen – zurückgefahren wurde vorwiegend Leiharbeit. In Deutschland sind rund 6600 Mitarbeiter beschäftigt. In St. Georgen (dazu gehören die Werke Herbolzheim und Lauf) sind es 1668 (minus 6,1 Prozent) Beschäftigte.

Für das laufende Jahr schließt Brandl betriebsbedingte Kündigungen aus – ausgenommen der Standort Landshut. In Mulfingen ist die Kurzarbeit beendet, in St. Georgen noch nicht. Genaue Ergebniszahlen nennt der Mittelständler traditionell nicht, sie lagen etwa auf Vorjahreshöhe.