Die Veranstalter hatten großes Glück mit dem Wetter: durchgehend Sonne und angenehme Temperaturen um die 20 Grad. Foto: factum/Weise

Wenn die Ludwigsburger Innenstadt aussieht wie ein gigantischer Maskenball, dann ist wieder Veneziansiche Messe in der Barockstadt. In diesem Jahr feierten die Veranstalter ein Doppel-Jubiläum: vor 250 Jahren brachte Herzog Karl Eugen den Karneval nach Ludwigsburg und vor 25 Jahren belebte die Stadt die Tradition wieder.

Ludwigsburg - Herzog Karl Eugen wäre bestimmt stolz, könnte er sehen, wie seine Idee, den Karneval in Venedig nach Ludwigsburg zu bringen, heute von der Stadt umgesetzt wird. Bunter, schriller, auffälliger denn je schien das Motto des Festes zu sein: Rund 1600 Kostümträger in barocken Perücken, ausladenden Kleidern und mit ausgefallenem Kopfschmuck flanierten am Wochenende durch die Stadt und feierten die Venezianische Messe.

Einige der Teilnehmer hatten für jeden der drei Tage dauernden Messe ein anderes Kostüm mitgebracht. So wie Heidi Mendel. Am Freitagabend spaziert die Frau aus Peine in Niedersachsen in einem mit Kürbissen und Sonnenblumen verzierten, gelben Kleid durch die Stadt. Sie sei der Herbst. „Inzwischen habe ich alle vier Jahreszeiten im Schrank.“ Alle selbst genäht. Am Samstag war Heidi Mendel als Schneekönigin zu sehen, mit beleuchtetem Kleid.

Ein Geben und Nehmen zwischen Fotograf und Model

Aufmerksamkeit erzeugen jedoch auch ungewöhnliche, weniger barocke dafür umso schrillere Kostüme. Wie jenes von Frank Illhardt. Sein Kostüm gehöre zum Steampunk, sagt der Mann in kniehohen Stiefeln, roten Strümpfen und Lederkleid. Auf dem Kopf hat er eine Maske mit vollen Lippen, schwarzen Dreadlocks und einen Zylinder. Dolly Danger heiße seine Figur, sagt er und zieht eine Piratenpistole. Der Hamburger sei zwar das erste Mal in Ludwigsburg, aber regelmäßig auf dem Karneval in Venedig unterwegs, stets in einem seiner selbst kreierten Kostüme.

Wer auf dem Marktplatz nicht flaniert und sich fotografieren lässt, steht oft hinter der Linse. Wolfgang Köhler zum Beispiel. Den Hobbyfotografen aus Ludwigsburg zieht es regelmäßig auf die Venezianische Messe, auf der Jagd nach schönen Motiven. „Viele Künstler sind schon langjährig in denselben Kostümen dabei, viele habe ich aber auch noch nie gesehen“, sagt er. Besonders die selbst gemachten Kostüme hätten es ihm angetan. „Man sieht schon, ob das eine Maske für drei Euro ist oder aufwendig selbst gestaltet“, sagt er. Von den Künstlern erhalte er oft Visitenkarten. Rund 20 Stück pro Tag. „Wenn ich Kostüm und Karte noch zuordnen kann, dann schicke ich die Fotos gerne an sie weiter. Das ist ja ein Geben und Nehmen“, sagt er.

Maskenball mit frivolen Geschichten und Tänzen

Etwas ungestörter feiern und flanieren konnten die Kostümträger am Freitagabend im Residenzschloss. 220 Personen hatten eine Eintrittskarte für einen Maskenball ergattern können. Um die Illusion eines barocken Balls zu erhalten, galt eine Kostüm- und Maskenpflicht, Handys, Fotoapparate oder Kameras waren nicht erlaubt. Die exklusive Veranstaltung – Karten kosteten 125 Euro – war der Beitrag der Schlossverwaltung zum Doppeljubiläum der Venezianischen Messe, die vor 250 Jahren das erste Mal zelebriert und vor 25 Jahren wiederbelebt wurde.

So kam es, dass sich die Gäste im Schloss in bester barocker Manier amüsierten: Im Marmorsaal führte ein Tanzmeister historische Tänze zum Mitmachen vor. Im Schlosstheater wurden die Kostümierten mit Konzerten unterhalten, unter anderem spielte das Ludwigsburger Sinfonieorchester aus Vivaldis Jahreszeiten. Im Dienerschaftszimmer ließen sich die feinen Damen mit frivolen Geschichten und Gedichten unterhalten. „Oh liebliche Wangen, ihr macht mir Verlangen“, zitierte etwa Oliver Altmann als Baron Wallbrunn verkleidet ein Gedicht des barocken Dichters Paul Fleming. Die Herren hingegen maßen ihre Geschicklichkeit beim Ringewerfen und anderen Spielen.

Mehr Besucher, mehr Kostüme, tollere Artisten

Die Bilanz der Stadt, die das Mammutfest alle zwei Jahre organisiert, fällt nach der drei Tage währenden Veranstaltung fast ebenso fulminant aus, wie es die Gewänder waren, die das Stadtbild in dieser Zeit prägten. 55 000 Besucher hat die Venezianische Messe angezogen – so viele wie bei keiner der vorangegangenen Messen.

Schon zum Aufakt am Freitagabend waren 5000 Zuschauer in den Schlossgarten kommen, wo die farbenprächtige Prozession der Künstler begann. Auf dem gut gesicherten Marktplatz gastierten auf neun Spielflächen 30 internationale und nationale Künstlergruppen. „In diesem Jahr hatten wir einen Jubiläumsetat und konnten uns etwas Besonderes leisten“, sagte Rainer Kittel, der Künstlerische Leiter der Messe, der auch für riesigen Fische verantwortlich war, die über den Marktplatz gezogen sind und Süßigkeiten verteilt haben. Und natürlich für artistischen Höhepunkte am Samstag- und Sonntagabend: Die Straßenkünstler Pi-leau aus den Niederlanden boten in schwindelerregenden Höhen eine Lichtershow, deren Glanz auch weit außerhalb der Stadt zu sehen war.

Der Termin für die nächste Venezianische Messe steht bereits fest: Im September 2020.