Die „Ohne“-Produkte boomen. Foto: dpa/Daniel Karmann

Würstchen ohne Fleisch, Brot ohne Mehl, Cola ohne Koffein – die „Ohne“-Produkte boomen. Ein relativ neuer Trend sind Fischstäbchen und Heringssalat ohne Fisch. Was steckt dahinter?

In der Pfanne brutzeln drei knusprig braune Fischstäbchen. Auf den ersten Blick ist daran nichts ungewöhnlich. Doch beim ersten Biss schmeckt man es sofort. Die Fischstäbchen enthalten nicht eine Spur Fisch, sondern bestehen aus Tofu und Nori-Algen. „Es schmeckt interessant, aber nicht so sehr nach Fisch“, meint eine Besucherin der Naturkostmesse Biofach in Nürnberg, die bei einer Kochshow einen Probehappen nimmt. „Aber eine pflanzliche Alternative muss auch nicht unbedingt danach schmecken.“

Pflanzendrinks statt Milch, vegane Schnitzel und Honig-Alternativen sind längst in fast jedem Supermarkt zu finden. Wer Heringssalat ohne Hering wollte, musste dagegen lange selbst kreativ werden. Doch inzwischen gibt es im Handel auch verschiedene Fertigprodukte vom pflanzlichen Fischstäbchen über panierte Filets bis zum veganen Thunfisch aus der Dose.

Noch ist das Ganze eine Nische. Prognosen gingen jedoch jährlich von zweistelligen Wachstumsraten weltweit aus, sagt Dirk Liebenberg von der Organisation ProVeg International in Berlin, die sich für eine tierfreie Ernährung einsetzt. „Immer mehr Menschen interessieren sich für diese Art Produkte“, bestätigt auch Nora Bartha-Hecking, Sprecherin des Nahrungsmittelherstellers Nestlé in Frankfurt, der im vergangenen Jahr eine vegane Thunfischvariante auf den Markt gebracht hat. „Innerhalb weniger Monate gingen weit über eine Million Gläser über das Kassenband.“

Bei Iglo gibt es die vegane Fisch-Variante

Auch der Hamburger Tiefkühlkost-Produzent Iglo, vor allem für seine Fischstäbchen bekannt, bietet seine Klassiker seit vergangenem Jahr auch als vegane Variante an. Diese erreiche zwar noch lange nicht die Beliebtheit der normalen Fischstäbchen, sagte Iglo Deutschland-Sprecher Alfred Jansen. Doch die Tendenz sei steigend. Zahlen veröffentlicht das Unternehmen nicht. Beim Konkurrenten Frosta machen die vier veganen Produkten eigenen Angaben zufolge etwa fünf Prozent des Umsatzes aus - aber ebenfalls mit stark steigender Tendenz, teilte Sprecherin Bianca Strötzel mit.

Eine gute Einschätzung zur Entwicklung kann auch das Deutsche Tiefkühlinstitut in Berlin geben, denn Fisch kaufen die Verbraucherinnen und Verbraucher am häufigsten tiefgefroren. Deshalb suchen sie wahrscheinlich auch eher in der Tiefkühlabteilung nach den Ersatzprodukten. Im vergangenen Jahr seien Fischalternativen auf einen Anteil von 14 Prozent im Tiefkühlsortiment gekommen, sagt Geschäftsführerin Sabine Eichner. Allerdings erlebten diese ein starkes Wachstum – allein innerhalb eines Jahres sei der Markt um rund 60 Prozent gewachsen.

Auf der Biofach-Messe musste man im Sommer dagegen lange nach veganen Fischalternativen suchen. „Mit Bio-Zertifizierung gibt es fast noch nichts“, sagt Branchenkenner Liebenberg. Das liege daran, dass im Bio-Bereich die Hürden deutlich höher für solche Produkte seien, weil weniger Zusatzstoffe verwendet werden dürften. „Viele wollen Fisch essen, weil es gesund ist“, sagt Liebenberg. „Diese Vorteile müssen auch die Ersatzprodukte mit sich bringen.“ Sprich: Es müssten Vitamine, Mineralien und andere Nährstoffe hinzugefügt werden.

„Wir machen keine Produkte für Veganer

Treiber für Innovationen in dem Segment seien vor allem Start-ups, sagt Liebenberg. Eins davon ist das belgische Unternehmen Veggiebel, das unter anderem eine vegane Fischbouillon entwickelt hat. „Wir nutzen verschiedene Meeresalgen, um den Geruch und Geschmack von Fisch zu erzeugen“, sagt Gründer Pascal Depuydt. Dazu kommen 16 Gewürze - mehr will er nicht verraten.

Doch welche vegan lebenden Menschen essen eigentlich pflanzliche Fischbouillon, also ein Imitat dessen, auf das sie bewusst verzichten? „Wir machen keine Produkte für Veganer“, erläutert Depuydt. „Unser Ziel ist es, Menschen zu überzeugen, sich mehr vegan zu ernähren.“

Ähnlich formuliert es Iglo: Man habe mit den veganen Varianten beliebter Gerichte von Anfang an die Flexitarier, also Menschen, die ab und zu bewusst auf Fleisch und Fisch verzichteten, ansprechen wollen, sagt Sprecher Jansen. „Damit werden die Menschen in ihren bekannten Essgewohnheiten abgeholt und die Einstiegshürde für etwas Neues auf dem Teller reduziert.“

Der Trend wird auch kritisch hinterfragt

Fisch jedenfalls sollte nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace nicht mehr so oft auf den Teller kommen. „Fisch sollte etwas Besonderes sein - wie der Sonntagsbraten, den man nur selten isst“, sagt Experte Till Seidensticker. „Wenn pflanzliche Alternativen dazu führen, dass Leute weniger Fleisch und Fisch essen, ist das ein guter Weg.“

Die Menschen in Deutschland essen nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung allerdings jetzt schon weniger Fisch als empfohlen. „Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit sind ein bis zwei Portionen pro Woche akzeptabel“, sagt die Ökotrophologin Astrid Donalies. Kritisch sieht sie, dass die veganen Alternativen oft stark verarbeitet seien und mitunter Zusatzstoffe für Farbe, Aroma, Geschmack, Konservierung oder Säureregulierung enthielten, aber meist nicht so wertvolle Nährstoffe wie Fisch.

„Es irgendwie en vogue, pflanzliche Alternativen für Fisch zu finden. Aber das ist nicht immer logisch“, meint Matthias Keller vom Fisch-Informationszentrum in Hamburg, dem zentralen Marketingorgan der Fischwirtschaft. „Der Großteil der Fische auf dem deutschen Markt stammt aus nachhaltiger Fischerei, die zudem noch zertifiziert ist.“ Fisch aus Wildfang habe außerdem eine sehr gute Klimabilanz. Bei pflanzlichen Alternativen, die extra produziert werden müssten, sei das zu hinterfragen.