In der Kicherebse bekommen Veganer Lebensmittel, die sie sonst in ganz Stuttgart nicht finden Foto: Michele Danze

Lange galten Menschen, die gänzlich auf tierische Produkte verzichten, als Exoten – oder gar als Spinner. Heute sind Veganer auf dem Vormarsch: vegane Kochbücher findet man sogar auf der Bestsellerliste. Mittlerweile gibt es zwei vegane Läden in Stuttgart – als erster eröffnete die Kichererbse.

Stuttgart - Wenn man ganz leise ist, dann hört man es: Das glückliche Glucksen in den Bäuchen der Veganer, die zum ersten Mal all die Leckereien betrachten, die es in der Kichererbse gibt. Juhuuu, jubelt der Magen, Käse – freilich frei von tierischen Erzeugnissen. Yippie, gurgelt die Speiseröhre, Sahne – ohne tierische Fette. Und im Mund läuft das Wasser zusammen: Hm, Schokolade, zu hundert Prozent vegan.

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Vegan essen in Stuttgart

Diesen kulinarischen Glücksmoment verdanken die Veganer – Menschen, die gänzlich auf tierische Produkte verzichten – zwei jungen Frauen. Helga Fink (30) und Nora Hoffrichter (31) haben in der Möhringer Straße im Süden den ersten veganen Laden Stuttgarts eröffnet: die Kichererbse. „Wir haben lange darauf gewartet, dass es endlich auch hier ein Geschäft gibt, dass ohne tierische Produkte auskommt – dann hatten wir das Warten satt und eröffneten die Kichererbse“, sagt Fink. An Silvester unterbreiteten sie die Idee ihren Eltern und stießen auf Begeisterung. Sogar finanziell werden sie von den Familien unterstützt. Inzwischen hat in Stuttgart übrigens ein zweiter veganer Laden eröffnet, Verganpur in der Friedhofstraße in Stuttgart-Nord.

Fink und Hoffrichter, die zuvor in einer sozialen Einrichtung arbeiteten, besuchten Existenzgründerseminare, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie ein Geschäftsplan aussieht und welche Behördengänge zu erledigen sind. Nur bei einem verließen sie sich dann doch auf ihr Bauchgefühl: bei der Auswahl ihres Sortiments. „Wir wollten unseren Laden mit Sachen bestücken, die es in Reformhäusern nicht gibt“, sagt Hoffrichter. Bei der Suche nach solchen Produkten sind sie sogar auf Artikel gestoßen, die sie selbst noch nicht kannten – obwohl sie beide seit zweieinhalb Jahren vegan leben. „Zudem richten wir uns gern auch nach Kundenwünschen – und wollen ganz flexibel in der Warenauswahl bleiben“, sagt Fink.

Das vegane Eis von Bruna ist der Renner

Ihr Bauchgefühl scheint die beiden Geschäftsinhaberinnen nicht zu trügen: Das vegane Eis von Bruna etwa ist der Renner. Es wird von einem kleinen Unternehmen in Winterbach hergestellt und kommt in den tollsten Geschmacksrichtungen daher: Kürbiskern, Remstalapfel, Zitrone-Minze, Stracciatella, Mango-Kokos oder Rhabarber. Milch und Sahne werden von Reis- oder Sojamilch ersetzt, oder es ist auf Cashewnussbasis hergestellt „Das Eis führen nur wir in Stuttgart“, sagt Fink stolz.

Ansonsten findet man im Laden noch eine Rohkost-Ecke mit Produkten, die nicht über 42 Grad Celsius erhitzt wurden – alles Handarbeit und fair gehandelt. Es gibt Wurst-, Käse-, Fleisch- und Fischalternativen: Fleischersatz wird aus Avocado, Austernpilz, Seitan, Tempeh, texturiertem Soja, Tofu oder Yuba hergestellt, Käseersatz aus Nährhefe, Soja, Seidentofu, Seitan, Hefeschmelz.

Und man stößt auf Gebäck, Schokolade, Getränke, Eiersatz und Kondome. Halt, stopp: Kondome? Was ist daran denn normalerweise tierisch? „In herkömmlichen Kondomen ist Casein drinnen“, sagt Hoffrichter. Casein ist der Proteinanteil der Milch der höheren Säugetiere, der nicht in die Molke gelangt und der zu Käse weiterverarbeitet wird. Er wird als Rohstoff für verschiedene Verarbeitungszwecke verwendet, etwa als Kaseinleim. „Bieretiketten werden oft mit kaseinhaltigen Mitteln aufgeklebt“, sagt Hoffrichter.

Ja, es gilt viel zu beachten, wenn man wirklich vegan leben will – und die Kichererbse hilft dabei. Etwa durch Rohkost-Workshops, die regelmäßig angeboten werden und von einer Ernährungsberaterin geleitet werden. „Zum Thema Veganismus können wir selbst den Menschen weiterhelfen – und viele Veganer sind froh, hier endlich auf Gleichgesinnte zu stoßen“, sagt Fink. Denn auch wenn die Veganer auf dem Vormarsch sind – der deutsche Vegetarierbund Vebu schätzt die Zahl der in Deutschland lebenden Veganer mittlerweile auf 600 000 – alltäglich sind sie freilich noch lange nicht.

Das Kleinkind einer Kundin robbt in einem unbeobachtetet Moment zur Hundebar, die vor der Tür steht. Den Hundeknochen, den es darin findet, will es sich gleich in den Mund stecken. Nun, schlimm wär’s nicht gewesen, schließlich besteht dieser Knochen nur aus Getreide und Gemüse und ist frei von Zusätzen. „Die Hunde nehmen Veganes recht gut an“, sagt Hoffrichter. Anders als ihre eigenen drei Katzen. „Die haben sich dafür entschieden, sich zu zwei Dritteln mit Fleisch und zu einem Drittel vegan zu ernähren“, sagt Fink und lacht. Sie betont auch, dass sie überhaupt nur Freigänger vegan füttern würde – da sich die Katzen dann ihr Fleisch schon selbst fangen würden.

Willkommen sind alle: Veganer, Vegetarier und Fleischesser

Passt diese Offenheit zusammen mit dem Klischeebild der militanten Veganer, die alle bekehren wollen? „Wir können und wollen niemanden zwingen“, sagt Fink. In ihrem Laden sind deshalb auch alle willkommen: Veganer, Vegetarier und Fleischesser. „Viele denken aber, sie müssten sich hier verteidigen und erzählen, dass sie nur ganz wenig Fleisch essen“, sagt Hoffrichter. Das sei vollkommen unnötig. Neugierde und Offenheit ist alles, was sich die beiden jungen Frauen von ihren Kunden erhoffen.

Und solchen Kunden liefern sie seit kurzem ein Überraschungspaket: die Kichererbsenkiste. Diese wird dann auf Bestellung wöchentlich oder zweiwöchentlich geliefert – nach Art der bekannten Gemüsekiste. Einen Lieferservice gibt es auch: einmal in der Woche können sich Kunden ihre Ware nach Hause bringen lassen.

Aber sind vegane Produkte nicht viel teurer als normale? „Im Vergleich zu hochwertigem Fleisch und biologisch und fair gehandelten Produkten sind vegane Lebensmittel nicht teurer“, sagt Fink. Ein veganes Entenfilet (400 Gramm) kostet 5,99 Euro, vegane Würstchen 3, 99 Euro. Wichtig sei es, sich immer sehr bewusst und ausgewogen zu ernähren. Aber das fällt bei der Auswahl in der Kichererbse nicht schwer. Psst – da gluckst der Bauch wieder.

www. die-kichererbse.com