Die Pocken zählten jahrtausendelang zu den gefährlichsten Krankheiten. Impfstoffe brachten die Rettung, seit 1980 gilt die Welt als pockenfrei. Doch die Pockenviren sind in mutierter Form zurückgekehrt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Impfung gegen das Variola-Virus.
Pocken, Blattern: Schon die Nennung dieser Begriffe sorgte früher für Panik in der Bevölkerung. Durch ihre extrem hohe Infektiosität (Fähigkeit eines Krankheitserregers, nach erfolgter Übertragung einen Wirt auch tatsächlich zu infizieren) und Letalität (Anteil aller Erkrankten, der irgendwann an der Krankheit stirbt) gehört die Erkrankung zu den gefährlichsten in der Menschheitsgeschichte.
Der letzte Pocken-Fall in Deutschland wurde im Jahr 1972 registriert. Am 26. Oktober 1979 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die Welt für pockenfrei. Etwas voreilig, wie sich inzwischen herausstellte. Denn am Mittwoch (14. August) hat die World Health Organisation mit Sitz in Genf wegen einer neuen Variante des in Afrika grassierenden Mpox-Virus – die Sublinie der Mpox-Klade I (römisch eins), namens Ib – ihre höchste Alarmstufe aktiviert und die „Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite“ (PHEIC, Public health emergency of international concern) ausgerufen.
Die WHO sieht das Risiko gegeben, dass sich Mpox nach dem Jahr 2022 erneut ausbreiten und in mehreren Ländern zum epidemischen Gesundheitsrisiko werden könnte.
Was sind Pocken?
Als Pocken bezeichnet man eine für den Menschen gefährliche und lebensbedrohliche Infektionskrankheit, die von den hochinfektiösen Pockenviren (Orthopox variolae) verursacht wird. Die Erkrankung gehört zu den gefährlichsten des Menschen. Das für eine Infektion typische und namensgebende Hautbläschen wird als Pocke oder Blatter bezeichnet.
Gibt es ein Heilmittel?
Gegen Pocken gibt es kein Heilmittel, nur eine vorbeugende Impfung ist möglich. Die Pockenimpfung ist eine Lebendimpfung und durch eine Reihe von Impfkomplikationen belastet, so dass nur bei eindeutigen Pockenausbrüchen geimpft werden sollte.
Schützt die Pockenimpfung ein Leben lang?
Nein. Pockenimpfungen aus früheren Jahren gewährleisten in der Regel keinen ausreichenden Impfschutz mehr – weder gegen Variola-Viren noch gegen Mpox oder Alaskapocken.. In Deutschland ist dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin zufolge kein Mensch mehr komplett immun gegen Pocken. Zwar könne noch ein restlicher Schutz bestehen, der den schlimmsten Verlauf der Krankheit verhindere, heißt es beim RKI. Die Menschen könnte sich dann aber dennoch mit den Pockenviren infizieren und sie weiterverbreiten.
Sollte man sich erneut gegen Pocken impfen lassen?
Laut übereinstimmenden Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC (Centers for Disease Control and Prevention) und des RKI schützt die Impfung nur bis zu fünf Jahren lang sehr effektiv gegen Pocken. Danach sinkt die Effektivität kontinuierlich ab.
Wer sich also in Gefahr sieht und vor Jahren bereits eine Pockenimpfung bekommen hat, kann eine Auffrischung in Erwägung ziehen. Die CDC empfiehlt Personen, die mit dem Pockenvirus im Labor arbeiten und in Kontakt etwa mit Mpox geraten könnten, alle drei Jahre einen Booster – also eine Auffrischungsimpfung.
Was ist die Pockenimpfung?
Die Pockenimpfung ist keine einfache Spritze, sondern wird über winzige Stiche in den Körper gebracht. Der Arzt nimmt mit einer winzigen zweizackigen Gabel einen Tropfen des Impfstoffes auf und piekst damit mehrmals in den Oberarm.
Ist die Impfung erfolgreich, so entsteht innerhalb von drei bis vier Tagen eine rote, juckende Beule. Später bildet sich eine eitrige Blase und ein Schorf, der abfällt. Es bleibt eine kleine Narbe.
Welcher Impfstoff wird verwendet?
Für die Pockenimpfung wurde das so genannte Vaccinia-Virus verwendet. Dieses Virus geht vermutlich auf ein Kuhpockenvirus aus dem 19. Jahrhundert zurück und kommt in dieser Form in der Natur nicht vor. Es ist für den Menschen wesentlich weniger gefährlich als der eigentliche Pockenerreger, das Variola-Virus.
Die Pockenimpfung Imvanex ist in der Europäischen Union seit dem Jahr 2013 zugelassen. Dabei handelt es um einen Lebendimpfstoff, der aus einer abgemilderten Form des Pocken-Impfstoffs hergestellt wird. Die Erreger sind so abgeschwächt, dass sie sich nicht vermehren können, sonst könnten immungeschwächte Patienten nicht geimpft werden.
Imvanex wird nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts erst ab einem Alter von 18 Jahren gespritzt. Es wird – im Vergleich zur Impfung gegen Windpocken (Masern-Mumps-Röteln-Vakzine) nicht mehr allen Menschen gegeben, da die Pocken weltweit als ausgerottet gelten.
Wann endete die Impflicht in Deutschland?
Die Impfpflicht gegen Pocken endete in Westdeutschland 1976. Bis 1983 erfolgten nur noch Wiederholungsimpfungen (außer für Risikopersonen). In der DDR wurde die Pflichtimpfung gegen Pocken 1982 aufgehoben, bereits ab 1980 fanden keine Erstimpfungen mehr statt.
Wo findet man den Nachweis im Impfpass?
Die meisten Bundesbürger besitzen einen gelben Impfpass, der nach den WHO-Richtlinien erstellt ist. Vereinzelt gibt es in Deutschland noch einen älteren weiß-rosafarbenen Faltausweis, der ähnlich aufgebaut ist und in dem auch Infos über die Pockenimpfung zu finden sind. Wer diesen noch besitzt, wird das bis 1976 verwendete Kürzel "Lyo Vaccinia" darin finden.
Die Abkürzung "Lyo" steht bei Impfungen für Lyophilisation. Diese Methode der Gefriertrocknung ist laut RKI ein schonendes, strukturerhaltendes Verfahren, das vor allem bei der Trocknung und Konservierung hochwertiger thermolabiler (hitzeempfindlicher) Produkte wie Proteine, Mikroorganismen, Gewebe und Plasma angewendet wird.
"VarV" steht für Variola- oder Vaccinia-Virus (VACV oder VV), das zu den Pockenviren gehört. Das Vaccinia-Virus bildet die Grundlage aller Pockenimpfstoffe, da es eine enge Verwandtschaft zum Variola- und Kuhpocken-Virus aufweist (mit AFP/dpa-Agenturmaterial).
Info: Endemie, Epidemie, Pandemie
Endemie
Permanente Bedrohung: Eine Krankheit, die in bestimmten Regionen in regelmäßigen Zyklen auftritt, wird als endemisch bezeichnet. Bei einer Endemie bleibt die Zahl der Erkrankungen über die betreffende Zeit relativ konstant. Ein Beispiel für eine Endemie ist die Malaria, an der jedes Jahr 300 Millionen Menschen weltweit erkranken, hauptsächlich in den Tropen.
Epidemie
Ausbruch in einer Region: Wenn von einer Epidemie die Rede ist, meint man eine Krankheit, die in einer bestimmten Region und in einem begrenzten Zeitraum ungewöhnlich häufig auftritt. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass eine Krankheit besonders gefährlich oder tödlich ist. Entscheidend ist, dass die Zahl der Erkrankungen in einer bestimmten Region über das normal zu erwartende – sogenanntes endemisches – Level steigt. Ein berüchtigtes Beispiel für eine Epidemie sind die Pocken, die seit Beginn des 16. Jahrhunderts von den europäischen Eroberern nach Amerika eingeschleppt wurden und Millionen Indigenen den Tod brachten.
Pandemie
Weltweiter Ausbruch: Eine Epidemie wird zur Pandemie, wenn sich der Krankheitserreger über die Grenzen einzelner Länder oder eines Kontinentes ausbreitet. Laut WHO werden Pandemien meistens von neu auftretenden Erregern oder Virustypen – wie dem Corona-Virus – verursacht. Eine typische Krankheit pandemischen Ausmaße ist die Spanische Grippe von 1918 oder die Schweinegrippe, die 2009 eine Pandemie auslöste.