Judith Raupp Foto: privat

Für Frauen in Ludwigsburg hat eine neue Ära begonnen: Die Stadt hat wieder eine Gleichstellungsbeauftragte. Judith Raupp hat die Position inne, die einst eine ganz mächtige war und zuletzt fast bedeutungslos. Im Gespräch erklärt sie, warum ihre Arbeit noch immer wichtig ist – und warum Humor dabei hilft.

Ludwigsburg – - Für Frauen in Ludwigsburg hat eine neue Ära begonnen: Die Stadt hat wieder eine Gleichstellungsbeauftragte. Judith Raupp hat die Position inne, die einst eine ganz mächtige war und zuletzt fast bedeutungslos. Im Gespräch erklärt sie, warum ihre Arbeit noch immer wichtig ist – und warum Humor dabei hilft.

Frau Raupp, geben Sie’s zu: Sie haben Ihre Stelle nur bekommen, weil Sie eine Frau sind!

(lacht) Das stimmt. Ein Mann kann nicht Beauftragter für Gleichstellung werden. Dazu gibt es mehrere Gerichtsurteile.

Die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten war zwei Jahre lang vakant. Haben die Kollegen Ihnen schon das Büro eingerannt?

Nein. Aber ich habe viele Signale für eine gute Zusammenarbeit bekommen.

Deutschland hat eine Bundeskanzlerin, Ludwigsburg seit neuestem eine Bürgermeisterin. Warum braucht die Stadt heutzutage noch eine Gleichstellungsbeauftragte?

Weil viele Dinge noch immer nicht gleich sind. Auch wenn es bei der Stadt viele weibliche Führungskräfte gibt, lohnt sich ein genauerer Blick: Auf der Ebene der Fachbereichsleitung gibt es zum Beispiel wenig weibliche Führungskräfte. Und es gibt wenige Führungskräfte, die nicht 100 Prozent arbeiten.

Haben Sie schon ein Thema entdeckt, bei dem Sie dringend tätig werden müssen?

Ich will ein Konzept erarbeiten, das Opfern von häuslicher Gewalt zuverlässig Hilfe bietet. Gewalt gegen Mädchen und Frauen ist ja leider immer noch ein großes Thema. Und ich will, dass die Gleichstellungsthemen im Handeln der Verwaltung sichtbar werden, dass die Stadt bei dem, was sie tut, die Perspektive von Männern und Frauen berücksichtigt.

Klingt ziemlich theoretisch.

Nehmen Sie das Thema Mobilität: Frauen und Männer haben unterschiedliche Ansprüche an Radwege. Studien zeigen, dass es zum Beispiel unterschiedliche Wahrnehmungen der Sicherheit gibt. Deshalb lohnt es sich, bei der Planung eines Radwegs Männer und Frauen zu befragen. Im konkreten Fall wurde das sogar gemacht – aber nicht kommuniziert. Ich will solche Themen sichtbar machen.

Kann man als Mitarbeiter bei der Stadt Beruf und Familie gut miteinander vereinen?

Bei der Stadt gibt es viele Arbeitsmodelle, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Aber es geht noch besser. Der Ausbau der Heim- und Telearbeit wird kommen.

Ist sexuelle Belästigung im Rathaus auch ein Thema?

Bei einer Institution mit rund 2000 Mitarbeiterin ist allein schon statistisch unwahrscheinlich, dass es so etwas nicht gibt. Das fängt ja schon an bei blöden Witzen oder einem Kalender, der stört. Von sexuellen Übergriffen schlimmerer Art ist mir aber zum Glück nichts bekannt.

Können Sie in Ihrer Funktion ein Machtwort sprechen oder auf den Tisch hauen und sagen: „Das wird jetzt so gemacht“?

Rein formal bin ich weisungsfrei. Ich habe Zugriff auf Akten und ein Mitspracherecht bei Stellenbesetzungsverfahren. Durch die Stabstelle habe ich die Rückendeckung der Dezernenten – aber dass alles über meinen Schreibtisch muss, so ist es nicht. Aber für Machtworte bin ich ohnehin nicht. In den meisten Fällen kommt man mit einem Dialog gut weiter.

Bis 1999 gab es für das Thema Gleichstellung eigens eine Bürgermeisterin. Bedauern Sie, dass Ihre Position nicht so mächtig ist?

Das hat immer Vor- und Nachteile. Dass man als Bürgermeister strategisch arbeiten kann, ist natürlich positiv. Aber die Bürgermeisterin Cornelia Lange hatte es manchmal vielleicht auch nicht ganz einfach, Position zu beziehen: Zum einen musste sie als Bürgermeisterin die Sache ihres Dezernats voranbringen, andererseits gibt es eine Loyalität unter den Dezernenten. Diesen Rollenkonflikt habe ich nicht.

Warum sind sie eine gute Gleichstellungsbeauftragte?

Weil ich mich mein Berufsleben lang mit Veränderungsprozessen beschäftigt habe. Gleichstellung ist nichts anderes: Es geht um Veränderung in den Köpfen. Und darum, wie man Veränderungen angeht. Da braucht man Beharrlichkeit und eine große Portion Humor.

Zum Beispiel wenn sich ein Kollege mal wieder einen Männerbeauftragten wünscht?

Genau! Solche blöden Sprüche gibt es ja noch immer. Im Zweifel lache ich lieber laut, statt sauer zu werden. Oder ich sage: Wir Frauen mussten lange für unsere Rechte kämpfen, jetzt kämpft ihr mal.

Ein Fest für Frauen

Person
Judith Raupp, 50, arbeitet seit zehn Jahren bei der Ludwigsburger Stadtverwaltung. Zuletzt war als Teamleiterin für das Personal des technischen Dezernats verantwortlich. Für die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten gab es 50 Bewerbungen. Judith Raupp lebt mit Mann und zwei Kindern in Remseck. Nach der Geburt ihrer Tochter vor 17 Jahren hat ihr Mann zwei Jahre Elternzeit genommen. Ihre Mutter Erika Raupp ist Mitgründerin des Ludwigsburger Vereins Frauen für Frauen.

Programm
Die Awo Ludwigsburg, Talstraße 22, veranstaltet zum Internationalen Frauentag an diesem Freitag ein politisches Frauenfrühstück. Mit dabei ist die ehemalige Frauenbeauftragte Cornelia Lange. Das Grußwort um 9 Uhr spricht die neue Bürgermeisterin Gabriele Nießen. Beim Verein Frauen für Frauen, Abelstraße 11, findet um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht statt.