Arman kennt sich mit Phyik aus, Billard muss er noch Foto: Jacobs

Was hat das Kugelspiel mit Teilchenphysik zu tun? Ein Ferienkurs klärt Schüler darüber auf.

Vaihingen - Mit dem Billardbeispiel in der Praxis läuft es nicht so gut. Irgendwie ist der Queue zu lang, der Versuchs-Billardtisch zu klein oder die Kugeln liegen einfach blöd. „Ich kann das jetzt nicht so gut zeigen“, sagt Arman entschuldigend und gibt den Queue weiter. Aber erklären kann der Zwölfjährige umso besser, was passiert, wenn Atome, Elementarteilchen, aufeinander prallen. „Jetzt wird die weiße Kugel angestoßen, die trifft auf die bunten Kugeln und die rollen dann in alle Richtungen“, rapportiert der Sechstklässler das Geschehen am Billardtisch. Was Billard mit Teilchenphysik zu tun hat? Eine ganze Menge, wie die jungen Teilnehmer des Kurses „Tipps und Tricks beim Billardspiel“ gelernt haben. Die Veranstaltung findet im Rahmen des Herbstferienprogramms „Kids Week“ statt, die der Förderverein Kinderfreundliches Stuttgart organisiert. Mehr als zehn Kinder zwischen sieben und 13 Jahren haben sich für den Physik-Kurs an diesem Nachmittag im Höchstleistungsrechenzentrum auf dem Vaihinger Uni-Campus angemeldet. Die meisten von ihnen wissen längst, dass Atom der Begriff für die kleinsten Teilchen sind, dass Gravitation, Strahlung und Magnetanziehung Naturkräfte sind und was der Unterschied zwischen einem elastischen und einem unelastischen Stoß ist. Immer wieder muss Kursleiter Steffen Brinkmann, Physiker am Höchstleistungsrechenzentrum, die Kinder bremsen. Denn sonst wäre der zweistündige Ferienkurs zu einem Vortragsforum geworden, in dem die Teilnehmer über das Higgs-Teilchen oder die Apparate des Schweizer Kernforschungszentrums Cern referierten.

Arman jedenfalls ist ein Computerfreak, der bereits einige Programme für sein Legospielzeug geschrieben hat. Physik bekommt er erst im nächsten Jahr in der Schule. Aber alles, was mit Atomen, Elektrizität und Energie zu tun hat, interessiert den Zwölfjährigen brennend.

„Zieht die Erde den Apfel an oder der Apfel die Erde? Was meint ihr?

Genauso geht es Fathima. Das Lieblingsfach der Neunjährigen ist Sachunterricht, vor allem dann, wenn es um die Elemente geht. Immer wieder probiert sie sich an einem Versuchsaufbau mit zwei Kugeln. Wie muss man mit der einen Kugel die andere anstoßen, damit sie schräg davonrollt? Denn gerade haben sie und die anderen jungen Kursteilnehmer von Steffen Brinkmann gelernt: Wenn eine rollende Kugel eine ruhende anstößt, dann überträgt sie ihre Kraft auf die ruhende Kugel. „Aber nicht ganz“, erklärt Fathima. Denn jede Kraft trifft auf eine Gegenkraft. „Auch die liegende Kugel hat eine Kraft“, wiederholt sie das, was Steffen Brinkmann kurz zuvor mit dem berühmten Apfelbeispiel des Physikers Isaac Newton erklärt hat: „Zieht die Erde den Apfel an oder der Apfel die Erde? Was meint ihr?“, hatte Brinkmann die Kinder und Jugendlichen gefragt. Die Antwort hat alle Schüler überrascht: Beide ziehen sich gegenseitig an. „Aber die Erde ist ja viel größer und hat deswegen eine viel stärkere Anziehungskraft“, hatte der Physiker den staunenden Kursteilnehmern erklärt, warum dann nicht ständig die Erde auf die jetzt zur Herbstzeit an den Bäumen reifenden Äpfel fällt.

Steffen Brinkmann hat Erfahrung mit der Begeisterung, die die Teilnehmer der unter Schülern allgemein wenig beliebten Physik entgegenbringen. „Wer sich für eine Ferienkurs in Teilchenphysik anmeldet, hat großes Interesse an solchen Themen.“ Viele verschlingen zuhause Kindersachbücher über Astronomie oder andere naturwissenschaftliche Themen. „Wir haben Computerprogramme und Wissens-DVDs“, bestätigt auch Fathima. Der Kosmos und seine Bestandteile – „ich finde das einfach spannend“, sagt die Neunjährige.

LERNEN AM SUPERCOMPUTER

Höchstleistungsrechenzentrum
Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) auf dem Uni-Campus in Vaihingen bietet Wissenschaft und Industrie den Zugang zu Supercomputern. 1995 wurde es unter dem Dach des Rechenzentrums der Universität gegründet und wurde nur ein Jahr später zum ersten Bundeshöchstleistungrechenzentrum. Es beherbergt Europas schnellsten zivilen Supercomputer (Stand 2012). Im Sommer 2012 bekam das HLRS ein neues Gebäude und befindet sich seitdem an der Nobelstraße.