Szene aus „Dumpster Diving“ Foto: Lange

Wie wäre es damit, mal eine Stadttaube zu essen? Der Vagabundenkongress im Theater Rampe, der sich auf eine historische Veranstaltung bezieht, die 1929 auf dem Stuttgarter Killesberg stattfand, macht künstlerisch auf alternative Lebensformen aufmerksam.

Stuttgart - Wie wäre es damit, mal eine Stadttaube zu essen? Oder in den Containern der Supermärkte nach genießbaren Lebensmitteln zu wühlen? Oder mit dem Sammeln von Flaschen die Haushaltskasse etwas aufzufüllen? Der Vagabundenkongress im Theater Rampe, der sich auf eine historische Veranstaltung bezieht, die 1929 auf dem Stuttgarter Killesberg stattfand, macht künstlerisch auf alternative Lebensformen aufmerksam.

Eines davon ist das Projekt „Dumpster Diving – Wir sind Vagabunden“ vom Kollektiv „As We Are“. „Dumpster Diving“ meint das Tauchen im Müll, ist also eine Umschreibung dessen, was schon viele Konsumkritiker monieren: Viel zu viele Lebensmittel landen in den Abfallbehältern von Supermärkten oder von Privathaushalten, obwohl sie die Haltbarkeitsdauer noch nicht überschritten haben.

Dass das Aussuchen von Lebensmitteln daraus durchaus schmackhaft sein kann, verdeutlicht gleich zu Anfang ein junger Mann im Hinterhof des Theaters Rampe: Eineinhalb Jahre lang will er sich in Glasgow davon ernährt haben, und auf den Tisch kamen viele Flusskrebse, Sushi, Muffins und Mousse au chocolat.

„Dumpster Diving“ ist kein Theater im Theater, sondern ein Stationentheater rund um den Marienplatz. Mal charmant und liebenswürdig, mal ziemlich schroff werden die Besucher mit Lebenssituationen in sozialen Randlagen konfrontiert, die den allermeisten fremd bleiben. Gary etwa wirbt für den Verzehr von Stadttauben. Die isst er natürlich nicht wirklich, aber er zeigt mit viel Einfallsreichtum, wie man aus einer Getränkedose eine richtige Feuerstelle machen kann, wie gut sich Tampons als Feuerquelle eignen und wie erstaunlich viel Wasser man mit einem Kondom transportieren kann.

Ganz charmant beschreibt er dies nahe dem Theater auf einer Grünfläche mit integriertem Spielplatz. Und die jungen Männer aus dem Wohnquartier, die sich hier offensichtlich allabendlich treffen, freuen sich über diese Abwechslung.

Ganz anders sieht dies ein Bewohner an der nächstgelegenen Staffel. „Ruhestörung“, schreit er laut in die Nacht hinein und lässt krachend das Rollo runter. Vor seinem Haus hat sich ein Bänkelsänger mit seiner akustischen Gitarre niedergelassen, der launig von seinem Leben als Wandersmann erzählt und eigene Texte zu Pop- und Rock-Klassikern entwickelt hat.

Weiter geht es in die anonyme Noblesse eines nahe gelegenen Hotels. In der Enge eines Zimmers erzählt Mohammed, warum und unter welchen Bedingungen er aus seinem Heimatland Iran nach Deutschland geflüchtet ist und wie er den Kulturschock von der 18-Millionen-Metropole Teheran in ein Flüchtlingsheim in Filderstadt erlebt hat. Danach präsentiert er eine Tangonummer in der Tiefgarage des Hotels.

Es ist kein striktes Konzept, das die Regisseurin Rebecca Ebeling da vorlegt, vieles lebt von den Akteuren, die sie vor Ort findet. Etwa Jürgen, der vom Sammeln von Pfandflaschen lebt und ganz ausgiebig von den Höhen und Tiefen dieser Arbeit erzählt. Oder es gibt die Mitarbeiterin der Zeitschrift „Trott-war“, die nicht nur Historisches über den Marienplatz weiß, sondern auch Aktuelles über die heutige Gestaltung des Platzes im Detail und der damit verbundenen Polizeistrategie.

Und dann folgt doch noch etwas Subversives: Wie wäre es mit einem Kühlschrank an einem öffentlichen Platz, in den jeder die Lebensmittel stellt, die er nicht mehr benötigt, die aber noch haltbar sind, und die andere Bedürftige dann nehmen können? Eine interessante Alternative für das Wühlen in Containern nach Lebensmitteln, das nach derzeitiger Rechtsprechung ja auch noch verboten ist.

Weitere Aufführungen an diesem Freitag um 18 und um 21 Uhr.