1921 Männer haben sich in Stuttgart im Jahr 2011 in Vollzeit um ihr Kind gekümmert. Foto: dpa

Genderbeauftragter: Eltern sind nach ihrer Rückkehr aus der Babypause häufig die effizienteren Arbeitnehmer.

Stuttgart - Grünen-Chef Cem Özdemir hat es vorgemacht. Und viele Männer machen es nach. 2011 beantragten nach Angaben der L-Bank 1921 Männer in Stuttgart eine Väterzeit – das sind 256 mehr als im Vorjahr. Die Auszeit fürs Kind ist seit ihrer Einführung im Jahr 2007 stetig beliebter geworden. Andreas Henke, Genderbeauftragter von Verdi Baden-Württemberg, erklärt das Phänomen moderner Väter und seine Folgen.

Herr Henke, warum greifen Väter immer häufiger zur Babyflasche statt zur Aktentasche?
Der gesellschaftliche Wandel ist ja schon länger zu beobachten. Und die Familienpolitik, sprich: ein moderneres Elternzeitgesetz, hat diese Entwicklung sehr unterstützt.

Wie war es bei Ihnen: Sind Sie auch zu Hause geblieben, als Ihre Söhne zur Welt kamen?
Ich habe meine Arbeitszeit nach der Geburt meiner Kinder reduziert. Allerdings war das noch vor Inkrafttreten der neuen Regelung, also nicht im Rahmen einer Elternzeit.

Haben Sie Freunde, die eine Elternzeit beantragt haben?
Vor ein paar Jahren war ich unter der Woche nachmittags mit auf einem Kindergeburtstag, bei dem mehr Väter als Mütter mitgekommen waren. Und das reicht von Teilzeit-Vätern bis hin zu Männern, die die Elternzeit ganz in Anspruch nehmen.

Mal ehrlich: Sind Väter mit den ständig schreienden Babys nicht schnell überfordert?
Nein, aber ich glaube, sie lernen und erfahren am eigenen Leib, dass die Arbeit zu Hause auch kein Zuckerschlecken ist. Und diesen wertschätzenden Blick auf Haus- und Familienarbeit werden sie auch behalten, wenn sie wieder zurück in den Beruf gehen.

In was unterscheidet sich die neue Vätergeneration von der vor 20 Jahren?
Ich glaube, die Rollen von Müttern und Vätern haben sich beide verändert. Männer wollen aktiv in der Erziehung mitwirken, viele Frauen dagegen in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Heute ist es normal, dass auch voll berufstätige Väter nach Feierabend Zeit mit den Kindern verbringen: zu Hause, auf dem Spielplatz oder beim Sport.

Wie wichtig ist dieser frühe, intensive Kontakt zum Vater für die Entwicklung des Babys?
Laut Studien sehr wichtig. Heute gibt es in Kindertagesstätten und Grundschulen fast keine Männer. Wenn dann noch der Vater nicht präsent ist, haben wir eine Zeit von fast zehn Jahren, in der Kinder keine männlichen Vorbilder haben. Damit haben besonders Jungs zu kämpfen.

Wie kann man diesem Problem entgegenwirken?
Hier sind wir auch als Gewerkschaft gefragt, die Berufsbilder Erzieher und Grundschullehrer aufzuwerten. Denn hier sehen wir sehr deutlich, dass klassische Frauenberufe schlechter bezahlt werden und dann, als Folge, Männer diese Berufe meiden. Mit einer besseren Bezahlung schließen wir endlich diese Gerechtigkeitslücke und sorgen für männliche Vorbilder in der frühen Bildungsphase.